Brüssel. .
Der schwedische Europa-Abgeordnete der Piratenpartei, Christian Engström, streitet sich mit grünen Fraktionskollegen ums Urheberrecht . Als „unpolitischer Politiker“ kämpft er um die Freiheit des Internets.
Spaß hat das erste Jahr in Brüssel gemacht, sagt Christian Engström, ganz unerwartet viel Spaß. Das habe er vorher gar nicht ahnen können, wo es doch das erste Mal sei, dass er ein gewähltes Amt besetze. Der „Freibeuter des Internets“, der im Sommer 2009 als erster Abgeordneter einer europäischen Piratenpartei ins Europaparlament „gesegelt“ ist, um sich dort der grünen Fraktion anzuschließen, präsentiert sich gern als unpolitischer Politiker – und steckt doch mitten drin im ideologischen Grabenkampf.
„Heutzutage ist jeder unter 30 vor dem Gesetz ein Krimineller“
Dabei betont der 50-jährige gelernte Programmierer gerne, es gehe „nicht um rechts oder links“. Marxisten wie Liberale seien vereint im Kampf um die Freiheit des Internets, in seinen Augen „ganz offensichtlich die größte Sache, die der Menschheit seit Erfindung des Buchdrucks passiert ist. Vermutlich sogar größer.“ Die Schranken, die Staaten und Firmen im Netz errichten wollen in ihrem Kampf gegen Raubkopierer und Musik-Tauschbörsen, würden wenig Bestand haben gegen die Macht der Fakten. „Heutzutage ist jeder unter 30 vor dem Gesetz ein Krimineller. Das macht doch keinen Sinn!“
„Neoliberalen Wildwuchs im linken Gewand“, nennt Helga Trüpel die Haltung ihres Fraktionskollegen verächtlich. Die grüne Bremer Europaabgeordnete ist nicht gut zu sprechen auf Engström und das, was er vertritt. Piraten sieht sie als „Sekte“, die sich der Alles-Umsonst-Kultur verschrieben hat, „Lobbyisten“ mehr denn Politiker. Den persönlichen Umgang mit Engström bezeichnet sie als „schwierig“.
Die Kulturpolitikerin kämpft leidenschaftlich für den Bestand oder zumindest Umbau jener Bastionen an Urheberrechten, die der Piratenkollege lieber heute als morgen einreißen will. Wo Engström dem Markt die Entscheidung überlassen möchte, ob Lieder, Computerspiele oder Filme ihren Preis wert sind, sieht sie den Staat in der Pflicht: Kultur sei ein öffentliches Gut. Und wo die Einkünfte jener gefährdet sind, die es erzeugen, drohe geistige Öde.
Ignoranz vieler Politiker beim Umgang mit dem Internet
Dass der Schwede auch in der eigenen Fraktion auf viel Zustimmung stößt, registriert die Kulturpolitikerin mit Kopfschütteln. „Wir waren doch immer schon für Fair Trade. Warum sind wir das nicht beim Internet?“, fragt sie sich und die Parteifreunde. Es müsse wohl eine Generationenfrage sein, der Ignoranz vieler Politiker beim Umgang mit dem Internet geschuldet und der lang andauernden Unwilligkeit der Musikindustrie angesichts neuer Geschäftsmodelle jenseits des CD-Verkaufs. Zwar will auch sie die Macht der Konzerne schwächen, allerdings gleichzeitig den Künstlern mehr Rechte einräumen. „Es gibt kein Recht auf illegale Downloads“, beharrt sie.
Die Künstler sollten sich besser auf dem freien Markt bemühen, hält Engström dagegen. Wer erst mal reich und berühmt sei, wolle sich eben auf seinen Lorbeeren ausruhen. Es sei „ganz natürlich“, dass eine Musikgröße wie Bono gegen eine Reform des Urheberrechts sei. Kleine Gruppen hätten derartige Probleme nicht, sie lebten ohnehin von Mundpropaganda. „Ich muss nicht über die Zukunft spekulieren“, meint er. Seit Jahren steige die Zahl illegal weitergegebener Lieder und Filme. Er spricht davon wie von einem Naturgesetz.
Gefallen hat ihm in seinem ersten Amtsjahr vor allem die „intelligente intellektuelle Diskussion“, die die Abgeordneten im Europaparlament miteinander führten. Dann kann er sich auf den September freuen: Nach der Sommerpause wird weiter über das internationale Copyright-Abkommen Acta beraten.