Berlin. .
Was der Rücktritt von Ole von Beust für die Hansestadt Hamburg bedeutet, wird sich zeigen. Klar ist: Ohne von Beust wird es deutlich schwieriger für Angela Merkel. Sie verliert einen Duzfreund und loyalen Gefährten.
Das Reiseziel wurde eindeutig verfehlt. Eigentlich sollte der Abstecher von Kanzlerin Angela Merkel nach China und Russland auch ein bisschen der Entspannung dienen. Abstand bekommen vom innenpolitischen Hickhack, das war der Wunsch. Ole von Beust machte ihn zunichte. Merkel war am Sonntag noch gar nicht wieder auf deutschem Boden zurück, da gab Hamburgs Erster Bürgermeister seinen Rücktritt bekannt. Mit Beust tritt der sechste CDU-Regierungschef in Folge ab, das Regieren wird für Merkel dadurch nicht leichter.
Beusts Rücktritts-Gelüste hatten schon die letzten Tage die Reise der Bundeskanzlerin überschattet. Den Spaß an dem fünftägigen Tripp wollte sich die CDU-Vorsitzende aber nicht verderben lassen: Zur Personalie Beust äußerte sie sich offiziell nicht.
Erst Althaus, dann Oettinger, Koch, Rüttgers, Wulff - und jetzt von Beust
Spätestens am (morgigen) Montag wird sie Antworten nicht mehr ausweichen können. Am Vormittag steht eine Sitzung der CDU-Spitze in Berlin auf dem Programm. Unter dem Punkt Verschiedenes muss dann diskutiert werden, was nach den Abgängen von sechs Spitzenleuten innerhalb eines halben Jahres - neben Beust noch Dieter Althaus, Günther Oettinger, Roland Koch, Jürgen Rüttgers, Christian Wulff - zu tun ist, um den Dampfer CDU auf Kurs zu halten.
Abends besucht Merkel das Bundesleistungszentrum Kienbaum, etwa 35 Kilometer östlich von Berlin. Es ist ihr einziger öffentlicher Termin an diesem Tag, der Sport wird wohl zumindest zeitweise hinter die Politik zurückweichen müssen.
Beust war für Merkel ein verlässlicher Partner
Mit Beust ist ein langjähriger Duzfreund Merkels zurückgetreten. Einer, auf dessen Rat sie sich verlässt, dem sie zuhört, der politisches Gewicht hat. Zwar schimpfte Beust im Oktober vergangenen Jahres heftig auf die Steuerpolitik von Schwarz-Gelb. Aber Merkel griff er dabei nicht direkt an.
Vor wenigen Tagen forderte Beust Merkel auf, „auch mal mit der Faust auf den Tisch zu hauen“. Aber Parteikollegen werteten das als Ausdruck des allgemeinen Politik-Frusts, der sich beim Hamburger Regierungschef aufgestaut hatte, und nicht zwingend als Kritik an der Kanzlerin.
Was er wirklich von der Kanzlerin denkt, brachte Beust in einem Interview einmal so auf den Punkt: „Sie hat ein genaues Ziel, eine konkrete Absicht, und oft moderiert sie so lange, bis sie ihr Ziel durchgesetzt hat. Das ist eine kompetente und vernünftige Form der Führung.“
Bei seiner Rücktrittserklärung erwähnte Beust die Kanzlerin am Sonntag ausdrücklich. „Ich bin Frau Merkel für ihren freundschaftlichen Rat und ihre verständnisvolle Haltung ausgesprochen dankbar“, sagte er.
Sein Projekt: Schwarz-Grün
Mit Beusts Rücktritt gerät auch das Projekt Schwarz-Grün im Bund in Gefahr. Merkel sieht die größte Schnittmenge zwar immer noch bei Union und FDP. Eine Koalition mit den Grünen schließt sie dennoch nicht aus. Die Umfragewerte lassen solche Gedankenspiele immer zwingender werden. Derzeit erfreuen sich die Grünen einer rund vierfach höheren Beliebtheit als die FDP. Schwarz-Grün könnte es demnach sogar zu einer Mehrheit jenseits der 50 Prozent bringen. Doch der Widerstand gegen ein solches Bündnis ist groß innerhalb der CDU, und den Kritikern kommt das Gezerre in Hamburg da sehr gelegen.
Sollte Schwarz-Grün in Hamburg platzen und es gar Neuwahlen in in der Hansestadt geben, wie sie die SPD fordert, dann könnte das zudem noch eine weitere Schwächung für die Regierung im Bundesrat bedeuten. Die Mehrheit für Schwarz-Gelb ist zwar ohnehin schon weg, aber mit 31 von insgesamt 69 Stimmen ist die Lage zumindest nicht hoffnungslos. Sollte die CDU in Hamburger bei einer Neuwahl schlecht abschneiden, wäre sie das schon eher.
Scheitern wäre „Alarmsignal“ für den Bund
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, hält den Rücktritt des Hamburger Bürgermeisters Ole von Beust (beide CDU) und das Scheitern der schwarz-grünen Schulpolitik in der Hansestadt für ein Alarmsignal auch auf Bundesebene. „Ich hoffe, dass bei dieser Debatte etwas mehr Realismus einkehrt“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Montagausgabe). „Wenn ich Schwarz-Grün höre, dann breche ich nicht in Jubel aus. Ich stehe einer solchen Koalition skeptisch gegen-über“, sagte er. Es gebe für Schwarz-Grün auf Bundesebene kein ausreichendes Maß an Gemeinsamkeiten. Hamburg habe zudem gezeigt, was passiere, wenn man die Bürger in der Schulpolitik nicht mitnehme, sagte Bosbach. „Hier darf die CDU keinen Fehler machen.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, sagte der Zeitung hingegen: „Ole von Beust hat die CDU zu einer Großstadtpartei gemacht, die imstande ist, auch in Großstädten Wahlen zu gewinnen. Er hat eine wichtige Rolle bei der Modernisierung der CDU gespielt. Und er hat die erste schwarz-grüne Koalition zustande gebracht.“ Das sei eine herausragende Leistung. Deshalb werde Beust immer einen besonderen Platz in der CDU-Parteigeschichte haben. Auf die Frage, ob der Rücktritt schwarz-grüne Koalitionen andernorts erschwere, erwiderte der Saarländer, in dessen Heimat ein Jamaika-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen regiert: „Nein.“
Linken-Chef sieht Grüne vor bundesweiter Richtungsentscheidung
Grünen-Chefin Claudia Roth hat den Rücktritt von Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) bedauert. Der „Berliner Zeitung“ (Montagausgabe) sagte Roth: „Wir haben mit ihm stets gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet und erkennen seinen Einsatz für eine neue Bildungspolitik, gerade in der eigenen konservativen Partei, ehrlich an.“ Wie es in der Hansestadt weitergehe, werde ihre Partei nun in Ruhe beraten, sagte Roth.
Roths Co-Chef Cem Özdemir sieht vorerst kein Ende der schwarz-grünen Koalition in der Hansestadt. Zwar habe von Beusts Rücktritt der Volksabstimmung über die Schulreform in Hamburg nicht geholfen, sagt Özdemir am Montag im RBB-Inforadio. „Wenn der Kapitän mitten im Sturm von Bord geht, ist das nicht gerade ein gutes Signal“, fügte er hinzu. Damit sei ein Projekt gescheitert, aber nicht die Koalition, betonte Özdemir.
Die Hamburger Grünen-Bundestagsabgeordnete Krista Sager sagte der Zeitung, sie halte Beusts Schritt für „inakzeptabel“. Sie habe den Eindruck, im bürgerlichen Lager sei „die Weglaufneigung zum Massenphänomen“ geworden. Für Kanzlerin Angela Merkel und die CDU sei das „brandgefährlich“.
Der Vorsitzende der Linken, Klaus Ernst sieht die Grünen nach dem Rücktritt von Beusts vor einer „bundesweiten Richtungsentscheidung“. Die Politik der „nach allen Seiten offenen Beliebigkeit“ sei gescheitert. Beusts Rücktritt sei das gefühlte Ende von Schwarz-Grün. „Die Grünen stehen jetzt vor einer bundesweiten Richtungsentscheidung. Wollen sie weiter an der Seite der CDU unsoziale Politik machen und sich einige Rosinen herauspicken, oder wollen sie einen Politikwechsel.“ (apn/ddp)