Berlin. Mehrere Bundesländer sehen die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen in Deutschland kritisch und zunächst die USA dafür in der Pflicht. Auf strikte Ablehnung stieß die US-Anfrage in der CSU. Die Bundesregierung will die einzelnen Fälle genau prüfen.

Die Bundesländer stehen einer Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen in Deutschland kritisch gegenüber. Mehrere Landesinnenminister äußerten am Dienstag ihr Unverständnis darüber, dass die USA die Gefangenen nicht selbst aufnehme, sondern Deutschland darum bitte. Die Bundesregierung hat angekündigt, die einzelnen Fälle genau zu prüfen und sich mit den anderen europäischen Regierungen abstimmen.

Auf strikte Ablehnung stieß die US-Anfrage in der CSU. Deutschland habe «weder juristisch noch politisch eine Pflicht zur Aufnahme dieser Häftlinge», sagte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer. Das Problem sei in den USA entstanden und müsse auch dort gelöst werden. Die CSU-Landesgruppe sei «nicht bereit, hier zu helfen und zu unterstützen». Es sei davon auszugehen, dass es große Probleme bei der Integration der betroffenen Personen geben werde.

„Sicherheit muss vor Diplomatie gehen“

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) äußerte Sicherheitsbedenken. Es sei noch nicht geklärt, ob die in Frage kommenden Personen eine Gefahr für die Sicherheit in Deutschland darstellten, sagte er. Ähnlich argumentierte Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU). Der Sprecher der Unions-Innenminister sagte: «Wenn die Inhaftierten ungefährlich sind, sehe ich kein Problem darin, dass sie von den USA aufgenommen werden. Sind sie gefährlich, stellen sich ganz andere Fragen.»

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) forderte: «Sicherheit muss hier eindeutig vor Diplomatie gehen.» Es sei noch nicht hinreichend begründet worden, warum gerade diese Guantanamo-Häftlinge - voraussichtlich islamische Uiguren aus China - nicht in ihr Heimatland zurückkehren oder in den USA aufgenommen werden könnten. Erst nach einer Klärung dieser Frage solle die Bundesregierung Ansicht jeden Einzelfall prüfen.

„Zunächst Sache der USA“

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD) sagte: «Ich habe einige Schwierigkeiten damit zu sagen, dass wir als Bundesrepublik oder Europäische Union bereit sein sollen, Leute aufzunehmen, die Washington nicht haben will.» Er finde es «ausgesprochen merkwürdig, dass ein Land von der Größe der USA nicht in der Lage sein soll, ein paar Dutzend Personen sicher aufzunehmen». Von den Gefangenen dürfe keinerlei Gefahr für Deutschland ausgehen.

Rheinland-Pfalz äußerte sich zurückhaltend. «Das ist zunächst Sache der USA, dann Sache der Bundesregierung und noch nicht von Rheinland-Pfalz», sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Mainz.

Menschenrechtler fordern Aufnahme der Uiguren

Nach Ansicht der Gesellschaft für bedrohte Völker (GFBV) sollte Deutschland asylsuchenden Uiguren aus Guantanamo Schutz gewähren. Zwar trügen die USA die Hauptverantwortung für die im Lager auf Kuba einsitzenden Gefangenen, doch sei Deutschland an ihrem Schicksal nicht unbeteiligt, sagte der Asienreferent der Menschenrechtsorganisation, Ulrich Delius. Nach ihrer Verhaftung in Afghanistan seien die Uiguren zwischen Januar und Juni 2002 dort auch von deutschen Soldaten der Elitetruppe Kommando Spezialkräfte (KSK) bewacht worden.

Seit sieben Jahren würden die insgesamt 17 Uiguren auf Kuba festgehalten, obwohl die US-Militärbehörden von ihrer Unschuld überzeugt seien. Nach China könnten sie nicht zurückkehren, da ihnen dort die Todesstrafe drohe.

Info: Die Minderheit der Uiguren

Die Uiguren sind eine von 55 ethnischen Minderheiten in der Volksrepublik China und leben in der Autonomen Provinz Xinjiang. Sie stellen die größte Gruppe unter den dortigen Turkvölkern und sind mehrheitlich sunnitische Muslime. Die Rechte einer autonomen Provinz bestehen jedoch ähnlich wie in Tibet nur auf dem Papier. De facto ist Religionsausübung in jeglicher Form verboten. Gleiches gilt für die Kultur und Sprache.

Wer sich über das Verbot hinwegsetzt, muss lebenslange Gefängnisstrafen fürchten. In den chinesischen Gefängnissen sitzen viele uigurische Intellektuelle und Geistliche. Die Provinz wurde 1949 von China besetzt und aufgrund ihrer reichen Rohstoffvorkommen zur bedeutsamen Region erklärt.

Bei der Inhaftierung der 22 Uiguren in Guantanamo bezogen sich die US-Behörden auf Material aus China. Die Männer wurden verdächtigt, der Islamischen Bewegung Ostturkestan (ETIM) anzugehören, die von Peking als terroristische Vereinigung eingestuft wird. Obwohl die Häftlinge von den amerikanischen Behörden seit Jahren als unschuldig angesehen werden, sind bislang nur fünf von ihnen wieder frei. Bisher hat sich kein Staat bereiterklärt, die übrigen 17 Uiguren aus Guantanamo aufzunehmen. Daher sitzen sie nach wie vor in Haft.

In Deutschland leben schätzungsweise 500 bis 600 Uiguren. Rund 95 Prozent sind im Großraum München angesiedelt. (ddp)

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