London. Britische Abgeordnete dürften mit einem befreiten Seufzen in ihre Sommerpause entschwunden sein. Nach dem größten Parlamentsskandal der letzten Jahre sehnen sie sich nach Ruhe – und haben daher noch schnell ein Gesetz verabschiedet, das Gras über die Sache wachsen lassen soll.

„Ein Truthahn würde nicht fürs Weihnachtsfest stimmen”: Mit diesem lakonischen Bonmot nehmen die Briten zur Kenntnis, dass die Spesen ihrer Abgeordneten nun doch nicht so streng reformiert werden wie Premier Gordon Brown vor sieben Wochen beteuert hatte. Champagnerschalen und die Reinigung des Wassergrabens auf ihrem Anwesen hatten sich Volksvertreter in den letzten Jahren aus dem Steuertopf erstatten lassen. Manche Quittungen waren geradezu kriminell: Da wurden Zinsen für Kredite abgerechnet, die nicht existierten oder Haupt- und Zweitwohnsitze vertauscht, um die Kosten für beide hereinzuholen.

Brown wäre fast über den Spesenskandal gestürzt, ein Dutzend Minister trat ab, über 90 Abgeordnete werden ihren Posten noch räumen. Der einzige Grund aber, dass Brown noch an der Macht ist, war sein Versprechen, im Spesenbüro mit aller Härte „auszumisten”, einen Verhaltenskodex einzuführen und Vergehen strafbar zu machen.

Gestern wurde jedoch klar, dass der hastig zusammengeschusterte Gesetzesentwurf nur ein verwässertes Konzept der Reformvorschläge ist. Die Idee verpflichtender Verhaltensregeln hat es nicht einmal durch die ersten Debatten geschafft; Abgeordnete dürfen auch weiter Geld von Lobbygruppen annehmen, wenn sie sich um deren Belange kümmern, über ihre Verbändelung mit Interessengruppen müssen sie nicht einmal Rechenschaft ablegen. Der Vorschlag, auch die Lords im Oberhaus strikteren Spesenkontrollen zu unterziehen, wurde ebenfalls fallengelassen.

Der Groll der Wähler bleibt

Stattdessen haben sich die Politiker auf die Schaffung eines Kontrollorgans geeinigt, der Independent Parliamentary Standards Authority (IPSA). Hier sollen demnächst alle eingereichten Belege geprüft werden. Polizeifunktionen bekommt IPSA, anders als ursprünglich geplant, nicht: Bei Vergehen darf sie weder Rückzahlungen einfordern noch Sanktionen verhängen. Dies soll an anderer Stelle erfolgen. Ob IPSA so die Autorität hat, um einen Neuanfang im Spesensumpf einzuläuten, bleibt fraglich. Und der Groll der Wähler, deren Vertrauen mit dem Reförmchen wiederhergestellt werden sollte, bleibt.

„Es wurde nichts getan, um das verrottete System zu reparieren”, kritisiert Nick Clegg, Chef der Liberalen, bitter. Immerhin ist das Manipulieren von Spesenquittungen in Zukunft strafbar – maximal zwölf Monate Haft drohen in dem Fall. Doch in Stein gemeißelt sind die Regeln auch nicht. Nach zwei Jahren soll das Parlament das ganze Konstrukt erneut kritisch überdenken. Vorher werden viele aber die Resonanz der Wähler auf die nicht ganz gelungene Kehrtwende im Spesensystem zu spüren bekommen: Schon in den nächsten zehn Monaten muss gewählt werden.