London. Britische Enthüllungsjournalisten sollen Promi-Handys geknackt haben. Paltrow, Beckham – keiner war sicher. Reporter der Sonntagszeitung „News of the World” haben offenbar routinemäßig Privatdetektive bezahlt, die die Mailboxen von Promi-Handys knacken sollten.

Britische Enthüllungsjournalisten sollen Promi-Handys geknackt haben. Paltrow, Beckham – keiner war sicher.

Vom Jäger zum Gejagten: Gestern galten britische Enthüllungsjournalisten im größten Spesenskandal der Geschichte noch als Helden. Heute steckt die Medienbranche selber bis zum Hals in Vorwürfen. Die Rede ist von gehackten Promi-Handys, Schweigegeldern in Millionenhöhe und einer illegalen Trickkiste für die etwas andere Recherche.

Britische Boulevardjournalisten sind die Grubenpferde ihrer Zunft – unermüdlich karren sie Schmutz ans Tageslicht, arbeiten pausenlos unter großem Druck. Dass sie täglich mit einem neuen „Scoop” am Kiosk landen, grenzt manchmal an ein Wunder – doch für manch' mysteriös zustande gekommenen Knüller gibt es handfeste Erklärungen.

Routinemäßig Privatdetektive bezahlt

Reporter der Sonntagszeitung „News of the World” haben offenbar routinemäßig Privatdetektive bezahlt, die die Mailboxen von Promi-Handys knacken sollten. Bei den „Hackerazzi” sind nach Informationen anderer Medien seitenweise Tabellen mit geschützten Rufnummern und PIN-Codes aufgetaucht. Neben Politikern sollen auch Stars wie Gwyneth Paltrow, Ella Macpherson, David Beckham und die Celebrity-Köchin Nigella Lawson auf der Hitliste der Redaktion stehen.

Mit den Handynummern der Promis konnten die Reporter leicht in deren Mailboxen gelangen – in vielen Fällen hatten sie den Zugangscode der Werkseinstellung nicht, wie empfohlen, verändert.

Durch das Abhören der Mailboxen soll die „News of the World” unter anderem an Nachrichten über eine Knie-Operation von Prinz William oder eine Affäre von David Beckham gekommen sein. Während der Sicherheitsdienst der Royals über die angezapften Handys stolperte, Reporter verurteilt wurden und der Verantwortliche Redakteur Andy Coulson 2006 seinen Hut in der Affäre nehmen musste, haben Hunderte andere Betroffene offenbar nichts von ihren Mithörern erfahren. Die Zeitung einigte sich angeblich mit einigen von ihnen außergerichtlich und in aller Stille durch eine Zahlung von über einer Million Euro. Das Thema verschwand.

Trickkiste der Redaktion

Dafür steht die Trickkiste der Redaktion nun umso erbarmungsloser im Rampenlicht. Ex-Mitarbeiter des Blattes erzählen, dass die Regeln des Pressekodex nichts galten: „Die einzige Regel, die zählte, lautete: Bring' Exklusivgeschichten rein – egal wie.” Selbst Steuerbescheide, Behandlungsakten und Kontoauszüge waren wohl problemlos zu beschaffen. Die Kooperation mit Privatdetektiven soll Routine gewesen sein.

Der Fall ist auch reich an anderen pikanten Facetten. Der einst verantwortliche Redakteur Andy Coulson arbeitet mittlerweile als Kommunikationschef im Büro von Tory-Parteichef David Cameron. Er hat Coulson jüngst seine „propere und aufrechte” Arbeit bescheinigt. Die demonstrative Unterstützung nutzt aber vor allem Cameron selber: Als heißer Anwärter auf das Premierminister-Amt im nächsten Jahr kann er auf seinen Medien-Insider kaum verzichten. Andere hingegen gruselt es, dass jemand mit dem Ruf eines Tricksers und Schnüfflers freien Zugang zu den Parlamentsfluren von Westminster hat.

Scotland Yard und die Probleme der Beweise

Scotland Yard hat mitgeteilt, gegen die Hackerazzi nicht neu ermitteln zu wollen: In den allerwenigsten Fällen könne man das Knacken von Mailboxen überhaupt beweisen, heißt es. Zur raffinierten Recherche gehört es eben auch, sich nicht erwischen zu lassen.