Berlin. Deutschland gibt im Vergleich der OECD-Länder nach wie vor zu wenig Geld für Bildung aus und liegt auch bei der Zahl der Hochschulabsolventen weiter zurück. Gewerkschaften, Verbände und Politik nutzten die Studie zu einer Abrechnung mit der Bundesregierung.

Die von Kanzlerin Angela Merkel vor knapp einem Jahr ausgerufene «Bildungsrepublik Deutschland» braucht einer OECD-Studie zufolge dringend Nachhilfe. Bei den Bildungsausgaben nimmt Deutschland im internationalen Vergleich weiter einen der letzten Plätze ein. Es gibt sowohl zu wenig Studienanfänger als auch -absolventen, wie aus dem am Dienstag in Berlin präsentierten Bericht «Bildung auf einen Blick» hervorgeht.

Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) betonte erneut, bis 2015 solle in Deutschland ein Anteil von sieben Prozent erreicht werden. Bei den Spitzenreitern, USA, Korea und Dänemark, liegt der Anteil allerdings bereits jetzt bei über sieben Prozent. Die OECD-Direktorin für Bildung, Barbara Ischinger, forderte Deutschland zu deutlich höheren Investitionen auf, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen.

"Zukünftige Berufsbilder brauchen mehr Hochschulabsolventen"

Deutschland hinkt der Studie zufolge auch in anderen Bildungsbereichen im internationalen Vergleich hinterher, wenngleich es positive Tendenzen gibt. So stieg der Anteil von Hochschulabsolventen in den vergangenen Jahren, aber deutlich langsamer als in den meisten anderen OECD-Ländern. Der Absolventen-Anteil je Jahrgang wuchs von 14 Prozent (1995) auf 23 Prozent (2007). Im OECD-Schnitt stieg er im selben Zeitraum von 18 auf 36 Prozent.

Ischinger sagte: «Zukünftige Berufsbilder brauchen mehr Hochschulabsolventen.» Laut Studie ist ein Studium auch bares Geld wert. Erstmals rechnete die OECD aus, wie hoch der sogenannte Einkommensbonus ist, den höhere Abschlüsse über das ganze Arbeitsleben hinweg berechnet erbringen. Für deutsche Männer, die direkt nach der Schule ein Studium beginnen, liegt er bei 150.000 Euro, bei Frauen bei 95.000 Euro.

Studienanfängerquote auf schwachem Niveau

Die Bemühungen der Bundesregierung um eine höhere Studienanfängerquote fruchten offenbar wenig: Diese Quote sank 2007 im dritten Jahr im Folge auf nun 34 Prozent, wie aus der Studie weiter hervorgeht. Nach der Türkei, Belgien und Mexiko ist das der geringste Wert in der OECD. Im Mittel liegt die Studienanfängerquote an Hoch- und Fachhochschulen bei 56 Prozent. Schavan sagte, in diesem Wintersemester liege die Quote bei 39 Prozent, also nahe am Ziel von 40 Prozent.

Positiv vermerkt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dass der Anteil der Studienabbrecher in Deutschland geringer ist als im OECD-Schnitt. Die Abbrecherquote lag 2005 in Deutschland bei 23 Prozent, im OECD-Mittel waren es 31 Prozent.

Kritik von GEW, Parteien und Verbänden

Gewerkschaften, Verbände und Politik nutzten die Studie zu einer Abrechnung mit der Bundesregierung. So erklärte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, an internationalen Maßstäben gemessen müssten in Deutschland Jahr für Jahr mindestens 30 bis 40 Milliarden Euro mehr für die Bildung ausgegeben werden. Der Verband Bildung und Erziehung betonte, gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise müssten Bildungsausgaben Vorrang bekommen.

Das Deutsche Studentenwerk kritisierte, der Bedarf an Hochqualifizierten sei nicht gedeckt. Die Vorsitzende des Bildungsausschusses im Deutschen Bundestag, Ulla Burchardt (SPD) forderte die Abschaffung von Studiengebühren. Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Krista Sager sagte: «Der Abstand zur OECD-Spitze und sogar zum Mittelfeld wird immer größer.» Die bildungspolitische Sprecherin der Linken, Nele Hirsch, monierte, das Bildungssystem sei chronisch unterfinanziert. Der bildungspolitische Sprecher der FDP, Patrick Meinhardt, bezeichnete den Bildungsbericht als Armutszeugnis. (ap)