Kabul. Knapp zwei Monate nach der Präsidentenwahl in Afghanistan wird eine Stichwahl zwischen Amtsinhaber Hamid Karsai und dem früheren Außenminister Abdullah Abdullah immer wahrscheinlicher. Die von den UN unterstützte Beschwerdekommission erklärte am Montag Hundertausende Stimmen für ungültig.
Nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Afghanistan muss sich Amtsinhaber Hamid Karsai womöglich einer Stichwahl stellen. Wie US-Wahlbeobachter am Montag mitteilten, könnte Karsai nach dem Abzug gefälschter Stimmen auf nur noch 48 Prozent kommen und damit die absolute Mehrheit verfehlen. Die Wahlbeschwerdekommission (ECC) hatte zuvor die Auszählungsergebnisse in 210 Wahllokalen wegen Betrugs für ungültig erklärt. Die von den UN unterstützte Beschwerdekommission erklärte am Montag Hunderttausende Stimmen für Karsai für ungültig.
Beobachter befürchten Unruhen
Die Unabhängige Wahlkommission, die von Karsai-Anhängern dominiert wird, weigert sich dem Vernehmen nach, die von der ECC vorgelegten Ergebnisse anzuerkennen und eine Stichwahl anzuberaumen. «Ich glaube nicht, dass wir auf der Basis dieser Zahlen eine Entscheidung treffen können», erklärte Karsais Wahlkampfsprecher Wahid Omar.
Dagegen begrüßte ein Sprecher Abdullah Abdullahs den Untersuchungsbericht. Dieser zeige, dass Karsai lediglich auf 48 Prozent der Stimmen komme, sagte Fasel Sancharaki. Nach dem Mitte September veröffentlichten vorläufigen Ergebnis kam Karsai bei der Abstimmung am 20. August auf knapp 55 Prozent, der zweitplatzierte Abdullah erreichte 28 Prozent. Beobachter befürchteten politische Unruhen, sollte es zu einem Tauziehen zwischen den beiden Kommissionen kommen.
Die ECC untersuchte Vorwürfe des Wahlbetrugs, wobei ein Teil der Stimmen neu ausgezählt wurde. Eine Stichwahl müsste rasch durchgeführt werden, bevor der einsetzende Winter eine Abstimmung nahezu unmöglich macht und damit zu einem noch Monate langen Machtvakuum führen könnte.
Nato-Partner zu mehr Engagement aufgerufen
Unterdessen dringt Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen auf eine Verstärkung der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF. Die Nato müsse entsprechende Forderungen von ISAF-Kommandeur Stanley McChrystal unterstützen, erklärte Fogh Rasmussen am Montag in Brüssel. «Ich kann noch nicht sagen, was das in Zahlen bedeutet», sagte der Nato-Generalsekretär. Er betonte aber: «Alle Alliierten müssen sich anschauen, was sie zusätzlich leisten können.»
Rasmussen bezog sich mit seinen Forderungen nicht nur auf Kampftruppen, sondern vor allem auch auf zusätzliche Ausbilder für die afghanischen Streitkräfte und die Polizei. «Afghanistan muss stark genug werden, die Aufständischen zu bekämpfen», sagte er. Dies sei auch die zentrale Botschaft von ISAF-Kommandeur McChrystal.
Der US-General fordert nach Angaben aus Regierungskreisen in Washington, die gegenwärtig 68.000 Mann starke ISAF um mehrere zehntausend Soldaten aufzustocken. Offiziell wurde aber noch keine Zahl genannt. Rasmussen erklärte, er erwarte beim NATO-Verteidigungsministertreffen am Donnerstag und Freitag noch keine konkrete Entscheidung über eine Verstärkung der ISAF. (ap/afp)