Essen. Seit 2005 müssen deutlich mehr Rentner Steuern zahlen als zuvor. Doch bis zu 40 % der abgegebenen Erklärungen sind fehlerhaft, hat jetzt ein Datenabgleich zwischen Rentenversicherung und Finanzamt ergeben. Die Steuergewerkschaft rechnet mit einer bösen Überraschung für Millionen Senioren.

Seit 2005 müssen immer mehr Rentner Steuern zahlen – oder besser: müssten. Nach Erkenntnissen der Steuergewerkschaft haben etliche noch keine Steuererklärung abgegeben oder sie falsch ausgefüllt. Rund drei Millionen Rentner müssen im kommenden Jahr Steuern nachzahlen – das schätzt die Deutsche Steuergewerkschaft (DSTG). Bisher ging sie von zwei Millionen aus, die auf die 2005 geänderte Rentenbesteuerung nicht reagiert haben.

„Jetzt hat sich gezeigt, dass viele zwar eine Steuererklärung abgegeben, aber falsch ausgefüllt haben”, sagte Manfred Lehmann, DSTG-Chef in Nordrhein-Westfalen. Für NRW rechnet Lehmann damit, dass bis zu 600 000 Rentner Steuererklärungen nachreichen oder ändern müssen, zum Teil für mehrere Jahre.

Ranglisten der Steuersünder

Ein erster großer Test für den Datenabgleich zwischen Rentenversicherung und Finanzamt habe in NRW ergeben, dass bis zu 40 Prozent der Steuererklärungen fehlerhaft seien, sagte Lehman. Anfang 2010 erhielten die Finanzämter genaue Daten für jeden Rentner. Sie würden in Ranglisten übermittelt, mit den größten Säumnissen zuerst und den geringfügigsten Fällen am Ende.

Lehmann erwartet durch die vielen neuen Fälle im kommenden Jahr Engpässe in den Finanzämtern. "Das wird ziemlich furchtbar”, glaubt Lehmann. Damit meint er nicht nur die böse Überraschung für Millionen Rentner, sondern auch die Belastung der Finanzbeamten. „Das läuft alles nebenbei. Da wird einiges liegen bleiben.”

Erschreckender Testlauf

Die Bezugsdaten sämtlicher NRW-Rentner aus 2005 wurden im Landesrechenzentrum abgeglichen. Dabei zeigte sich, dass 1,2 Millionen Rentner den Finanzämtern an Rhein und Ruhr bereits bekannt sind, also rund 40 Prozent. Problem Nummer eins: Etwa vier von zehn Steuererklärungen waren fehlerhaft. Für sie werden Nachzahlungen fällig, in einigen Fällen auch Rückzahlungen. Problem Nummer zwei: Viele Renten lagen über den Freibeträgen, waren aber keiner Steuernummer zuzuordnen. Diese Rentner müssen nachzahlen.

Die Steuergewerkschaft schätzt, dass bundesweit rund zwei Millionen Rentner Steuern zahlen müssten, es bisher aber nicht tun. Hinzu kommt eine weitere Million, die wohl zu wenig gezahlt hat. Beides, das will Lehmann betont wissen, geschehe fast nie aus niederen Motiven, sondern aus Unwissenheit. Deshalb denke auch „niemand an strafrechtliche Konsequenzen”.

Wer Steuern zahlen muss

Die – vom Verfassungsgericht verlangte – Änderung der Rentensteuer hat für reichlich Verunsicherung in Rentnerhaushalten wie Finanzämtern gesorgt. Vor 2005 wurden nur auf sehr hohe Renten Steuern fällig. Das führte zu der irrigen, aber verbreiteten Annahme, Rentner müssten keine Steuern zahlen. Ab 2005 wird ein immer größerer Teil der Altersbezüge versteuert. Für alle, die 2005 oder früher in Rente gegangen sind, ist exakt die Hälfte steuerpflichtig, dieser Anteil steigt jährlich um zwei Prozentpunkte. Für den Rentenjahrgang 2006 sind also 52 Prozent der Bezüge zu versteuern, für Neurentner in diesem Jahr bereits 58 Prozent.

Die Freibeträge

Auch für Rentner gilt natürlich der Steuerfreibetrag von 7664 Euro (ab 2009: 7834 Euro). Für Ehepaare gilt das Doppelte. Nur wer mit dem zu versteuernden Teil seiner Rente über diesem Freibetrag liegt, muss Steuern zahlen. Dabei werden von der Bruttorente noch Sozialbeiträge und Werbekosten abgezogen. Wer nur von seiner Staatsrente lebt, kann bis zu 1575 Euro im Monat erhalten, ohne Steuern zahlen zu müssen. Mit jedem Jahr sinkt diese Grenze für die Neurentner: Für den Rentenjahrgang 2006 liegt sie bei 1500 Euro, für 2007 bei 1425 Euro und für 2008 bei 1380 Euro (für Paare gilt jeweils das Doppelte).

Die Anlage „R”

Allein mit ihrer Altersrente wären noch immer die wenigsten steuerpflichtig. Doch viele Rentner haben weitere Einkünfte, etwa aus Mieten, Zinsen oder Privatrenten. Diese müssen ebenfalls angegeben werden, auch Betriebsrenten. Die werden zwar längst versteuert, können aber die Gesamteinkünfte soweit erhöhen, dass auch die Altersrente steuerpflichtig wird. In der Anlage „R” der Steuererklärung sind alle Rentenarten aufgeführt. Es empfiehlt sich, die Erläuterungen in der Anlage „R” genau zu lesen.

Die häufigsten Fehler

Viele Rentner haben die Anlage „R” falsch ausgefüllt. Sie haben Bezüge falsch eingetragen, etwa die Betriebsrente bei der Altersrente. Häufig wurde auch die Nettorente eingetragen, das Finanzamt benötigt den Bruttobetrag. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung dürfen nicht abgezogen werden, sondern müssen als „Sonderausgaben” aufgeführt werden. Auch das haben viele versäumt, wodurch sie zu viele Steuern gezahlt haben.