Berlin. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier will gegen seine schlechten Umfragewerte angehen. Doch Merkels CDU hält sich in der Deckung - gibt der SPD zu wenig Angriffspunkte. Steinmeiers Versuch, die Union nun aus der Reserve zu locken, zeigt die wachsende Verzweiflung der SPD.
Der Kanzlerkandidat kämpft gegen Windmühlen. Was immer Frank-Walter Steinmeier tut, um die Chancen der SPD auf einen Wahlsieg zu befördern - in den Umfragen bringt es ihm keine Vorteile. Seine Gegnerin, Kanzlerin Angela Merkel, hingegen gönnt sich drei Wochen Urlaub und genießt trotzdem die Gunst der Wähler.
Am Dienstag forderte Steinmeier die Union auf, sich nicht länger der inhaltlichen Auseinandersetzung zu entziehen. Aber auch die CDU-Vorsitzende geht in Stellung: Mit einem Fernsehinterview steigt sie in den Wahlkampf ein.
Für Steinmeier hat der Wahlkampf schon lange begonnen, beteuert er bei einem Auftritt vor der Bundespressekonferenz - ein weiterer Versuch, die notorisch widerspenstigen Wahlbürger von den Qualitäten der SPD und seiner Person zu überzeugen. «Ich entziehe mich nicht der Debatte - ich will sie.» Der Wahlkampf sei schließlich «keine Castingshow».
Um die SPD einem Wahlsieg näher zu bringen, hat Steinmeier bereits einiges getan: Er hat eine fulminante Rede beim Parteitag im Juni gehalten, er hat den stellvertretenden Regierungssprecher Thomas Steg als Wahlkampfberater abgeworben. Er hat ein Schattenkabinett zusammengestellt, und er hat einen Deutschland-Plan für das kommende Jahrzehnt entworfen.
Mit Merkel und mit Steinmeier ist es wie mit dem Hasen und dem Igel. Steinmeier rennt und rennt, und Merkel ist immer schon da. In der vergangenen Woche sackte die SPD in Umfragen sogar auf 20 Prozent ab, obwohl Steinmeier da gerade in seinem Deutschland-Plan für das Jahr 2020 Vollbeschäftigung versprochen hatte.
Rheingold-Express fahren reicht nicht
Jetzt ärgert er sich darüber, dass die Union offenbar kein schriftliches Konzept vorlegen will, wie sie die Wirtschafts- und Finanzkrise bewältigen will. Und das, obwohl CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla ein solches Papier angekündigt habe. «Das finde ich nicht in Ordnung», sagte Steinmeier und fügte hinzu: «Das ist ein Versuch, die Öffentlichkeit einzulullen», indem sie den Wahlkampf gar nicht erst beginnen lasse. Respekt vor den Wählern komme darin nicht zum Ausdruck, schimpft Steinmeier.
Und an die Adresse Merkels gerichtet, die am Samstag ihren Wahlkampfmarathon mit 60 Großveranstaltungen beginnt, kritisierte er, es reiche nicht aus, mit dem Rheingold-Express durch die Lande zu ziehen. Die historische Zugfahrt auf den Spuren Konrad Adenauers von Bonn nach Berlin ist eine von Merkels Wahlkampfaktionen.
«Inneres Selbstbewusstsein» beteuert
Die Union wehrt sich natürlich gegen die Vorwürfe Steinmeiers. Pofalla hatte bereits darauf verwiesen, dass das Wachstumskonzept der Union schließlich im Regierungsprogramm formuliert seien. Im Gegenzug warf er Steinmeier vor, etliche Punkte in seinem Deutschland-Plan abgekupfert zu haben. Merkel selbst will in dem Fernsehinterview die politischen Vorstellungen der Union erläutern.
Angesichts ihres Umfragevorsprungs kann die Kanzlerin dies mit aller Gelassenheit tun. Gelassenheit - eine Charaktereigenschaft, die auch dem SPD-Kanzlerkandidaten zugeschrieben wird - scheint indes ein Reizwort für Steinmeier zu sein. Er habe «eine innere Sicherheit, ein inneres Selbstbewusstsein», dass sein Deutschland-Plan mit dem Ziel der Vollbeschäftigung der richtige Weg sei.
Angesichts der Kritik an dem Versprechen sagte er, es sei lediglich «ungewohnt», dass ein auf zehn Jahre angelegtes Wachstumskonzept vorgelegt werde. Das habe es in den letzten Jahren nicht mehr gegeben. Er wolle aber «keinen Wahlkampf mit anderen um die bescheidensten Ziele». (ap)