Berlin. Ein Berliner Gymnasium muss nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts muslimischen Schülern eine Gebetsstätte bereitstellen. Sie seien berechtigt, außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich in der Schule ihr islamisches Gebet zu verrichten, so ein Richter. Die Schulleiterin ist enttäuscht.

Ein muslimischer Schüler darf in seinem Berliner Gymnasium einmal täglich nach islamischen Ritus beten. Das Verwaltungsgericht Berlin entschied am Dienstag, der 16-jährige Kläger sei dazu außerhalb der Unterrichtszeit berechtigt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils werde eine Berufung zum Oberverwaltungsgericht zugelassen, sagte der Richter. Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung kündigte umgehend die Prüfung rechtlicher Schritte an.

Das Gericht hatte das Diesterweg-Gymnasiums im Stadtteil Wedding bereits im März 2008 mittels einstweiliger Anordnung verpflichtet, den Schüler vorläufig einmal täglich beten zu lassen. Seitdem ermöglichte die Schule ihm dies in einem knapp 20 Quadratmeter großem Extra-Raum, den er derzeit täglich von 13.30 Uhr bis 13.40 Uhr nutzen darf.

Vorausgegangen war ein Streit zwischen den Eltern des Jungen und der Schulleitung. Die Direktorin hatte dem damals 14-Jährigen verboten, auf dem Schulflur zu beten, und auf die Neutralität der Schule verwiesen. Der Junge hatte sich jedoch auf seine Pflicht zum fünfmaligen Gebet am Tag berufen und geklagt. Die Richter gaben ihm Recht. Die Schule müsse dem Kläger ein ungestörtes Beten in einem für andere nicht ohne weiteres zugänglichen Bereich ermöglichen.

Glaubhafter Kläger

Der Richter erklärte am Dienstag, der Kläger habe glaubhaft gemacht, dass es für ihn eine religiöse Verpflichtung sei, fünfmal täglich zu festgelegten Zeiten die islamischen Ritualgebete zu verrichten. Obwohl es nach seinem Glauben in Situationen besonderer äußerer Notwendigkeit auch zulässig sei, einzelne Gebete zusammenzulegen, sehe er keine Möglichkeit, während der Schulzeit gänzlich auf das Beten zu verzichten.

Bei seiner Entscheidung ging das Gericht davon aus, dass auch Anhängern des Islam das Grundrecht der Religionsfreiheit zusteht. Dieses Grundrecht erstrecke sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden, sagte der Richter. Hierzu gehöre insbesondere auch das Beten.

Hoher Stellenwert der Gebetszeiten

Da für einen gläubigen Muslim auch die Gebetszeiten einen hohen Stellenwert hätten, könne von einem strenggläubigen Schüler nicht erwartet werden, grundsätzlich nur außerhalb der Schulzeit zu beten, sagte der Richter. Der Schüler sei zudem bereit, für sein Gebet nur unterrichtsfreie Zeit in Anspruch zu nehmen. So träten keine konkreten und unzumutbaren Beeinträchtigungen des Schulbetriebes ein. Dem stünden auch die Neutralitätspflicht des Staates, eine mögliche Störung des Schulfriedens und die beschränkten räumlichen Kapazitäten der Schulen nicht entgegen, erklärte der Richter.

Der Sprecher des Verwaltungsgerichts, Stephan Groscurth, sagte: «Dies war eine Einzelfallentscheidung. Aber andere muslimische Schüler können sich darauf berufen.» Die Gerichte müssten dann aber jeweils den konkreten Fall beurteilen.

Schulleiterin Brigitte Burchardt zeigte sich enttäuscht. «Wenn es ein Präzedenzurteil ist, können wir den Bildungsbetrieb so nicht mehr aufrecht erhalten», sagte sie. Schon bei acht weiteren Schülern wüsste sie nicht, wie sie es umsetzen sollte. «Ich habe hier die Freiheit von 650 Schülern zu beachten», betonte sie und verwies darauf, dass davon bis zu 90 Prozent Migranten seien und alle großen Konfessionen der Welt in der Schule versammelt seien.

Der Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung, Jens Stiller, sagte: «Die Schule ist hier ein Stück allein gelassen worden.» Man überlege, in Berufung zu gehen. (ap)