Essen. Nieren oder Herz nach dem eigenen Tod schwerkranken Fremden zu schenken? Sicher, sagen 84 Prozent der Deutschen. Und tun nichts.
NRW-Gesundheitsminister Laumann hat heute im Bundesrat für die Widerspruchsregelung bei der Organspende geworben. Drei schwerkranke Menschen auf der Warteliste sind auch heute gestorben. Weil im Schnitt bundesweit an jedem Tag im Jahr drei Patienten sterben, während sie auf eine Transplantation hoffen. 8400 Schwerkranke brauchen dringend eine neue Lunge, eine Leber, ein Herz oder eine Niere – 965 Menschen spendeten 2023 (postmortal) Organe. Nicht jeder mag Organspender sein. Den eigenen Willen zu dokumentieren, ist indes nicht zu viel verlangt – und es würde helfen.
Furchtbare Gespräche am Bett eines Hirntoten
Ob jemand Ja oder Nein sagt zur Organspende, ist seine Sache. Transplantationsmediziner würden nie jemanden dazu drängen. Selbst sie betonen: Die einzig falsche Entscheidung ist die: keine zu treffen. 31 der 52 potenziellen Spender, die das Essener Universitätsklinikum nach ihrem Hirntod 2023 der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) gemeldet hatten, wurden mit ihren Organen beerdigt – weil keine Einwilligung zur Organentnahme vorlag. Diese Menschen hatten vielleicht nie über Organspende nachgedacht, ihren Willen jedenfalls nicht eindeutig dokumentiert – und es gelang den Ärzten im Gespräch mit den Angehörigen vor Ort nicht, ihn rechtzeitig herauszufinden. Obwohl sie sich nach Kräften darum bemühten, obwohl diese Gespräche am Bett eines Hirntoten auch für sie furchtbar und belastend sind.
Schlimmer noch sind sie – natürlich – für die Angehörigen, die dann stellvertretend „im Sinne des Toten“ die Frage beantworten müssen: Dürfen die Organe entnommen werden, und wenn ja, welche? Aber eine Mutter um eine solche Entscheidung zu bitten? Wenige Stunden nachdem sie erfahren hat, dass ihr Kind verunglückt ist, dass nur noch Maschinen sein Herz schlagen lassen? Und wie soll ein Ehemann im Schockzustand wissen, was seine Frau gewollt hätte – wenn man niemals darüber gesprochen hat? Von dem Aneurysma in ihrem Kopf, dass sie tötete, als es platzte, hatten beide ja nichts geahnt ... Wie auch immer Mutter oder Ehemann im Übrigen entscheiden, egal ob sie Ja soder Nein sagen: Ihre Entscheidung wird sie ein Leben lang verfolgen, erzählen Angehörigen-Betreuer der DSO: Weil sie sich nie sicher sein werden: War es richtig?
Verdrängen ist keine Lösung
Wer sich mit dem Thema Organspende befasst, wird zudem rasch lernen, dass an vielen Gründen, die vermeintlich dagegensprechen, wenig Wahres ist. Dass registrierte Spender nicht vorschnell für tot erklärt werden; dass Hirntote keine Schmerzen verspüren – und während der Entnahme-Operation auch keine Schmerzmittel erhalten; dass der Leichnam nach der OP nicht eingeäschert werden muss, sondern für eine offene Aufbahrung vorbereitet wird.
Verdrängen ist keine Lösung. Verdrängen hilft weder den Hinterbliebenen – noch denen, die auf ein Organ warten. Deshalb sollte jeder, so jung und gesund er auch ist, sich schlau machen, dann bewusst eine Entscheidung treffen - und sie dokumentieren. Im Organspendeausweis beispielsweise.