Essen. Zahlreiche Unis in NRW müssen dringend saniert werden. Bei einem Besuch der Uni Duisburg-Essen sieht man sofort, was alles im Argen liegt.

„Passgenauer, schneller und deutlich günstiger“ soll er werden, der Hochschulbau in NRW. Zu lesen ist dieses Versprechen auf der Homepage der Landesregierung, die dem seit Jahren länger werdenden Sanierungsstau jetzt beikommen will. Denn viele Hochschulen stammen noch aus Zeiten der großen Bildungsexpansion und die liegt rund 50 Jahre zurück. Allein deswegen muss vielerorts dringend saniert werden.

Die Zahl der Studierenden ist seit den 1970-er Jahren immens gewachsen, aber die Hörsäle sind weitgehend die gleichen geblieben. Labore sind veraltet, Seminarräume für digitales Arbeiten ungeeignet, Platz ist knapp. Drei Hochschulen im Land sollen nun vorangehen. Die größte davon ist die Universität Duisburg-Essen.

„Und wenn es geregnet hat, dann stinkt es“

Was man hier als erstes angehen sollte? Die beiden Asta-Vorsitzenden Berfin Celik und Frauke Pohlschmidt stehen auf dem Campus Essen unweit des Quartiers „Grüne Mitte“ und überlegen nicht lange: Die Aufenthaltsqualität müsse verbessert werden, mehr Lernplätze brauche es, und die Hörsäle müssten ordentlich ausgestattet werden.

Das plant die Landesregierung

Zehn, manchmal sogar 15 Jahre liegen in NRW zwischen Planung und Fertigstellung eines Hochschulgebäudes. Das dauere zu lange und sei viel zu teuer, moniert die Landesregierung. NRW-Wissenschaftsministerin Ina Brandes und NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (beide CDU) wollen den Hochschulbau beschleunigen und professionalisieren. Von einem Modellprojekt sollen zunächst die Universitäten Duisburg-Essen und Paderborn sowie die Hochschule Bielefeld profitieren.

Die Uni Duisburg-Essen gehört zusammen mit den Unis in Bochum und Dortmund zu den in die Jahre gekommenen Großuniversitäten, die dringend renoviert werden müssen. Insgesamt wird der Sanierungsstau an den NRW-Hochschulen auf zehn Milliarden Euro geschätzt.

Die Landesregierung möchte etwa 30 Prozent der Planungs- und Genehmigungszeiten einsparen. Während die bisherigen „Hochschulstandortentwicklungsplanungen“ nur vage Perspektiven über 20 Jahre skizzieren, umfassende Nachprüfungen nach sich ziehen und bei kleinen Änderungen schon nicht mehr finanzierungssicher sind, sollen nun „Masterpläne“ mit kurzfristigeren, dafür aber konkreteren Bauvorhaben erprobt werden.

Dazu sollen Verträge zwischen dem Wissenschaftsministerium und der Hochschule abgeschlossen werden. Innerhalb ihres Budgets haben die Hochschulen dann freie Hand, müssen aber von Beginn an auf die Expertise von Ingenieuren, zum Beispiel die des landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetriebes (BLB), zurückgreifen.

In die Verträge wird eine Kosten-Obergrenze eingebaut, jenseits derer das Land - anders als bisher - nicht mehr bezahlen wird. Damit steigt die Eigenverantwortung der Hochschule für neue Gebäude. (mit dpa)

Tritt man in einen von ihnen herein, öffnet sich das Tor zu einer anderen Zeit: Die Seitenwände sind in einen Farbton getaucht, der seinerzeit an Polizeiuniformen erinnert haben muss, eine dunkle Holzverkleidung überzieht die komplette Rückseite. Klappt man einen der betagten Holzsitze herunter und setzt sich darauf, knatscht es laut. Auf dem schräg geneigten Tisch davor: unzählige Spuren der Leidenschaft und Langeweile, die Gravuren etlicher Studierendengenerationen überziehen das dunkel gebeizte Holz. Auf besonders beliebten Stellen ist der Bodenbelag so stark ausgetreten, dass der darunter befindliche Terrazzoboden hervortritt.

Wer hier am Laptop arbeitet, muss gegen die Schräge antippen, beklagen die Studierendenvertreterinnen. Das ist ungünstig, aber verständlich: Mit Tausenden von mobilen Endgeräten an deutschen Universitäten hat in den 70er Jahre kein Architekturbüro der Republik rechnen können und genau aus dieser Zeit stammen die ältesten Gebäude auf dem Essener Uni-Campus. Steckdosen gibt es deswegen auch keine, außer vorne, wo die Dozenten stehen. Gebraucht werden die für den Overheadprojektor auf dem Pult, der hier neben dem Beamer durchaus noch zum Einsatz kommt, versichern Celik und Pohlschmidt.

Dieser Hörsaal atmet Geschichte, im Tagesbetrieb aber leider auch etwas anderes. „Weil es keine Fenster gibt, müsste die Lüftung funktionieren“, sagt Berfin Celik. Tut sie aber nicht immer, schiebt die Lehramtsstudentin nach. Deswegen werde es schnell stickig. „Und wenn es geregnet hat, dann stinkt es.“

Mehr Licht, mehr Bänke und viel mehr Fahrradbügel

Irgendwo auf dem wuseligen Campus wird eigentlich immer gebaut. Gerade werden Gartenanlagen auf Vordermann gebracht, hier und da stehen Baugerüste. Den Studierendenvertreterinnen fehlen hier noch ausreichend Sitzgelegenheiten und Fahrradstellplätze. Frauke Pohlschmidt weist auf eine kleine, recht neue Fahrradbox. „Die ist leider nur für Mitarbeitende“, sagt sie.

Das Wahrzeichen des Essener Universitätsstandorts ist ein bunter Turm, dessen Anstrich auf eine Sanierung von 2014 zurückgeht. Berfin Celik sagt über ihre Uni: „Von weitem sieht sie schön aus, wenn man näher kommt...“ Wie der Satz weitergeht, kann man sich denken.
Das Wahrzeichen des Essener Universitätsstandorts ist ein bunter Turm, dessen Anstrich auf eine Sanierung von 2014 zurückgeht. Berfin Celik sagt über ihre Uni: „Von weitem sieht sie schön aus, wenn man näher kommt...“ Wie der Satz weitergeht, kann man sich denken. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Zehn Jahre von der Idee zum Bau

David Wiegmann vom Landes-Asten-Treffen NRW beschreibt die derzeitige Lage so: „Wenn man mit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb etwas bauen möchte, dauert das zehn Jahre von der Idee bis ein Gebäudeda ist.“ Insofern sei es begrüßenswert, dass man die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen wolle, so Wiegmann, der dann aber auch sagt: „Ob das jetzt der große Wurf ist, da bin ich mir nicht sicher.“ Ihm seien die vorgestellten Pläne derzeit noch zu schwammig für eine genaue Einschätzung.

Der Sanierungsstau sei an vielen Standorten jedenfalls eklatant. Im Alltag habe das ganz konkrete Auswirkungen. Als Beispiel erwähnt Wiegmann schlecht isolierten Räume: „Das ist nicht nur für die Uni teuer, sondern im Winter ist es auch einfach kalt, gerade mit den Sparvorgaben, die wir die letzten zwei Winter hatten.“

Es räche sich jetzt, „dass nicht dauerhaft ein bisschen was in die Gebäude gesteckt wurde“, beklagt der Studierendenvertreter.

Die Universitätsbibliothek hat sich verwandelt

Der Campus habe durchaus schöne Ecken, sagt die Lehramtsstudentin; nach Einbruch der Dunkelheit fühl sie sich hier aber oft unsicher. „Bis 22 Uhr hat die Bibliothek auf, wenn man dann rausgeht, fühlt man sich als Frau allein schon unwohl.“ Celik nickt. Es müsste dringend eine bessere Beleuchtung geben, finden beide.

Wir betreten das Foyer der Uni-Bibliothek. Die wurde jüngst aufwendig renoviert und das vorbildlich, finden die Studentinnen. „Ich würde behaupten, dass das der schönste Ort an der Uni ist“, meint Pohlschmidt. „Als ich angefangen habe, hingen hier oben Kabel raus und die Tauben flogen durchs Gebäude“, sagt sie in der Lobby stehend, die jetzt zu einem hellen, lichtdurchfluteteren Raum geworden ist.

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Studieren mit Popcorn und Cola

Ein anderes Positivbeispiel: Die gelbe Cafeteria unweit der Asta-Büros. Die wurde 2021 neugestaltet und ist laut Celik „echt toll geworden“. Davon unberührt blieben zum großen Bedauern der beiden Studentinnen allerdings die Toiletten. „Die sind nicht vernünftig abschließbar und es gibt zu wenig Platz für Rollstuhlfahrer“, sagt Celik. Der Schließmechanismus funktioniere nicht mehr, man müsse sich wahlweise mit einer schweren Tasche oder einem gegen die Tür gedrückten Fuß behelfen.

Platzprobleme erwähnen die beiden Asta-Vorsitzenden mit keinem Wort. Die Studierendenzahlen sind zuletzt leicht zurückgegangen. „Dafür haben wir regelmäßig Vorlesungen im Cinemaxx“, erklärt Celik. Damit erfüllt sich, wenn auch ganz anders, ein Wunsch, den die Planer der Uni bei der Standortwahl im Sinn hatten: Die Vermischung von Stadtgesellschaft und Forschung. Im Multiplex-Kino am Berliner Platz ist sie nun Realität geworden.

Fachleute vorsichtig optimistisch

„Die Reformansätze in NRW gehen in die richtige Richtung“, lobt Frank Ziegele, Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), gegenüber dieser Redaktion. Die Hochschulgebäude, die jetzt gebaut werden, seien vor 2014 geplant worden.

„Seitdem ist an den Hochschulen eine ganze Menge passiert: Studierende lernen online oder hybrid, Lernkonzepte gehen weg von der klassischen Vorlesung hin zu interaktiveren Formaten. In einigen Fächern sind zuletzt die Zahlen der Erstsemester deutlich gesunken, in anderen steigen sie weiter. Nichts davon bildet sich in einer zehn Jahre alten Planung ab“, erklärt Ziegele. Man dürfe heute nicht mehr mit den Konzepten von gestern bauen.

Es sei „höchste Zeit“ für die Modernisierung der Unis und Fachhochschulen, betont auch Ayla Çelik, NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft und Wissenschaft (GEW). „Innovative Wissenschaft braucht Räume auf dem neuesten Stand der Technik - von den Hörsälen über die Büros bis in die Labore“, so Celik. Viele der heutigen Gebäude seien baufällig, entsprächen nicht den energetischen Standards, seien zu laut und zum Teil sogar noch mit Asbest verseucht. (mit dpa)