Düsseldorf. Die SPD-Landtagsabgeordneten aus dem Revier erhöhen mit Nachfragen zur Ruhrkonferenz den Druck auf die NRW-Landesregierung.
. Der parlamentarische Streit um den Erfolg oder Misserfolg der Ruhrkonferenz geht in die nächste Runde: Die 33 SPD-Landtagsabgeordneten aus dem Ruhrgebiet wollen von der schwarz-grünen Landesregierung wissen, warum sie ein erstes „Zwischenzeugnis“ der Ruhrkonferenz zunächst nicht veröffentlicht, ja nicht einmal erwähnt hatte.
Das Institut für Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule nennt in dieser Analyse einige Schwächen der Ruhrkonferenz. Darin steht zum Beispiel, dass das nördliche Ruhrgebiet von diesem regionalen Hilfsprogramm der Landesregierung kaum profitiere und dass viele der angestoßenen Projekte noch nicht abgeschlossen worden seien.
Kapteinat (SPD): „Gestörte Kommunikation zwischen Ministerin und Staatssekretär“
SPD-Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat sagte, es sei „absolut unverständlich und nicht nachzuvollziehen, dass NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) trotz Anwesenheit ihres Staatssekretärs in einer Fragestunde des Landtags von dem Gutachten keine Kenntnis gehabt haben will.“ Die SPD vermutet bei diesem Thema eine „gestörte Kommunikation“ zwischen Scharrenbach und dem für die Belange des Ruhrgebietes zuständigen Staatssekretär Josef Hovenjürgen (CDU). Das sei „kein gutes Signal für das Ruhrgebiet“, so Kapteinat.
Am Anfang stand ein Versprechen: Die frühere schwarz-gelbe Landesregierung von Armin Laschet (CDU) wollte sich ab 2018 mit einer innovativen „Ruhrkonferenz“ so intensiv um die Sorgen und Nöte des Reviers kümmern, wie es noch keine NRW-Regierung getan hatte. Knapp sechs Jahre später liegt eine erste Zwischenbewertung der Ruhrkonferenz vor. Wirklich gut schneidet sie im Expertenurteil nicht ab.
Ruhrkonferenz: Auf Zollverein ging das Projekt 2018 an den Start
„NRW kann nur stark sein, wenn das Ruhrgebiet stark ist“, sagte der damalige Ministerpräsident Laschet Ende August 2018 in der Zeche Zollverein. Der Ort war symbolträchtig, der Zeitpunkt auch, denn damals endete die Steinkohleförderung im Revier. Zum Start der Ruhrkonferenz gab sich das ganze Landeskabinett die Ehre. Die Ministerinnen und Minister wurden in die Pflicht genommen: Sie sollten sich persönlich und jahrelang um das Ruhrgebiet verdient machen.
„Ruhrkonferenzen“ gab es schon 1979 und 1988. Es waren klassische „Geberkonferenzen“, die zweite sogar mit Kanzler-Beteiligung. Laschets Ruhrkonferenz sollte erfrischend anders sein: eine dauerhafte „Ideenschmiede“ für alle Fragen, die den Revierbürgern wichtig sind, zum Beispiel Verkehr, Bildung, Sicherheit, Gesundheit, Umwelt und Energie.
Was ist daraus geworden? Würde man die Zwischenevaluation, geschrieben vom Institut für Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule, als Schulnote interpretieren, dann käme wohl ein schwaches „Befriedigend“ heraus. Licht und Schatten liegen über der Ruhrkonferenz. Ein großer Wurf scheint sie bisher nicht zu sein.
Ruhrkonferenz: Warum nimmt sie das nördliche Revier nicht in den Blick?
Ein zentraler Kritikpunkt: Die Ruhrkonferenz erreicht nur einen Teil des Reviers, nämlich nur seine Mitte. Die Projekte konzentrierten sich auf die Universitätsstädte Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund. Nur ein Projekt nehme das nördliche Ruhrgebiet in den Blick, also die Region, die Hilfe besonders nötig habe.
Die Expertinnen und Experten lassen auch durchblicken, dass die schiere Menge der Projekte die Konferenz überfordert habe. Von 73 Projekten, die zuerst auf den Weg gebracht werden sollten, befanden sich zum Zeitpunkt des Berichts 34 in der Umsetzung. 23 Projekte seien abgeschlossen, 13 gar nicht erst begonnen worden, drei würden noch geprüft. Es gebe zwar viele Themen, aber nur wenige „Schnittmengen“ und „Berührungspunkte“ zwischen diesen Themen.
Ruhrkonferenz: Geben Eliten und nicht die Bürger den Takt vor?
Die Bürgerinnen und Bürger des Reviers seien zudem kaum beteiligt worden, steht in dem Bericht. Die Ruhrkonferenz scheint vor allem eine Angelegenheit für Regierende, große Verbände und Forschende zu sein, weniger für den Durchschnitts-„Ruhri“.
Außerdem fehle der Ruhrkonferenz ein Leitbild. Im Bericht steht: „Die mangelnde Zielorientierung und Transparenz sowie der fehlende übergeordnete Rahmen führten in Teilen dazu, dass sowohl von Seiten einiger Fachressorts als auch einiger Projektverantwortlicher die Identifikation mit der Ruhrkonferenz bzw. die Wahrnehmung, Teil der Ruhrkonferenz zu sein, kaum noch vorhanden war.“
Schließlich bleibt die Frage „Wer bezahlt das eigentlich?“ offenbar oft unbeantwortet. Für manche Projekte habe schlicht das Geld gefehlt, die Konferenz habe zudem kein eigenes Budget, sei also von den immer leereren Kassen der Ministerien abhängig. Insider kritisieren zudem, dass die Konferenz fast komplett steuerfinanziert sei und sich die Wirtschaft bisher finanziell kaum beteiligt habe.
Ruhrkonferenz: Was erreicht wurde
In ihrem jüngsten „Fortschrittsbericht“ zur Ruhrkonferenz schmückt sich die Landesregierung unter anderem mit der Sicherheitskooperation zur Bekämpfung der Clankriminalität (SiKo Ruhr), mit der Bündelung der Spitzenforschung der Revier-Unis zu Zukunftsthemen (Research Alliance Ruhr) und mit Projekten, die die „Klimaresilienz“ des Ruhrgebietes stärken sollen. Auch der Aufbau eines schulscharfen Sozialindexes wird gewürdigt. Davon sollen „hochbelastete Schulen“ im Revier besonders profitieren.
Lob: Ruhrkonferenz hat offenbar Strahlkraft über das Revier hinaus
Dennoch ist der Zwischenbericht kein Totalverriss der Ruhrkonferenz. Es sei ihr gelungen, Akteure zu vernetzen, die sonst nie zusammengearbeitet hätten, heißt es. Die Ruhrkonferenz sei dazu genutzt, bereits vorhandene Ideen zu schärfen und zu vertiefen. Inzwischen häuften sich auch Anfragen zur Ruhrkonferenz aus anderen Teilen Deutschlands und Europas. Das Konferenz-Konzept einer „Ideenschmiede“ weckt demnach Neugier weit über das Ruhrgebiet hinaus.
Die Existenz des „Zwischenzeugnisses“ für die Ruhrkonferenz wurde erst nach WDR-Recherchen bekannt. Die Frage der SPD nach dem Stand der Konferenz beantwortete die zuständige Ministerin Ina Scharrenbach (CDU) zuletzt mit dem Hinweis auf den regelmäßig veröffentlichten „Fortschrittsbericht“ der Landesregierung. Kritik an der Konferenz sucht man darin allerdings vergebens.
SPD-Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat wittert hinter dem nicht veröffentlichten Zwischenzeugnis einen Streit zwischen Scharrenbach und dem Ruhr-Staatssekretär Josef Hovenjürgen (CDU), Die Regierung müsse nun Fragen beantworten: „Warum wurde die Evaluation nicht veröffentlicht oder dem Landtag zugänglich gemacht? Und warum hat die schwarz-grüne Landesregierung den Prozess fortgesetzt, obwohl offenbar erhebliche Mängel festgestellt wurden?“