Düsseldorf. Die Ausländerbehörden in NRW sind überlastet. Geflüchtete haben mit langen Wartezeiten zu kämpfen. Das führt zu weiteren Problemen.
Wer kennt es nicht? Der Gang zum Amt ist lästig und man ist froh, wenn es schnell wieder vorbei ist. Für Youssef Khodr ist es jedoch eine echte Belastungsprobe. „Wenn der Termin wieder ansteht, bin ich sehr deprimiert“, erklärt der 35-Jährige Essener mit libanesischen Wurzeln. Seit drei Jahren wartet er schon darauf, dass sein Antrag auf Aufenthaltserlaubnis bearbeitet wird. Aktuell ist er lediglich ein „Geduldeter“. Alle drei Monate muss er erneut zur Ausländerbehörde, um diesen Status zu verlängern.
In Deutschland lebt Khodr seit 34 Jahren, ist hier zur Schule gegangen und wollte anschließend eine Ausbildung zum Tischler machen. Davon berichtet er der Redaktion am Telefon – im perfekten Deutsch. Doch die Ausbildungsstelle habe seine Fiktionsbescheinigung, die ihm sein vorläufiges Aufenthaltsrecht bestätigte, nicht anerkannt. Auch mit anderen Unternehmen hatte er das Problem und fand eine Zeit lang keinen Job. Vor sechs Jahren hatte er dann das Glück, Arbeit in einem Callcenter zu finden.
Dennoch wäre das Leben für ihn einfacher, wenn er die Aufenthaltserlaubnis hätte. Ohne die darf Khodr weder das Land verlassen noch einen Führerschein machen oder standesamtlich Heiraten. Eine Erklärung, warum sein Antrag zur Aufenthaltsgenehmigung im Bearbeitungsstau steckt, bekommt er nicht. „Die Sachbearbeiter sind sehr nette Leute, die auch nur ihren Job machen. Allerdings stimmt etwas mit dem System nicht“, meint er.
Überlastete Ausländerbehörden: Betroffene bekommen Probleme auf Arbeitsmarkt
Diesen Eindruck bestätigt Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW, auf Nachfrage der Redaktion. Ähnlich wie Youssef Khodr geht es derzeit vielen Geflüchteten in NRW. Die Situation in den Ausländerbehörden und Ämtern für Einbürgerung sei angespannt, berichtet sie. „Die Wartezeiten sind nach wie vor lang. Das liegt vor allem an strukturellen Problemen.“
Denn die Ämter seien überlastet. Das hat unter anderem zur Folge, dass Betroffene keine Beschäftigungserlaubnis bekommen. Arbeitgeber seien bei Geflüchteten, deren Aufenthaltsgenehmigung bald ausläuft, häufig zögerlich, erklärt Naujoks. Aus ihrer Sicht hakt es in den Ausländerbehörden des Landes an mehreren Stellen. „Wir sehen die Schwierigkeiten, mit denen die Behörden zu kämpfen haben.“ Personalmangel und eine hohe Fluktuationsrate stellen sie vor Probleme. Und die Arbeit wird zunehmend komplexer.
Ausländerbehörden: Warum der Job belastend ist
Auch Serdar Yüksel (SPD), Vorsitzender des Landtags-Petitionsausschusses, kritisiert die Zustände in den Ausländerämtern. „Außerdem ist der Job belastend“, sagt er. Es geht um Schicksale, Abschiebungen und Ablehnung von Aufenthalten. Unter diesen Umständen müssten Mitarbeitende in den Ämtern deutlich besser bezahlt werden, fordert der SPD-Politiker.
Laut Yüksel geht die Stadt Bochum mit positivem Beispiel in der angespannten Situation voran. Dies bestätigt auch ein Stadtsprecher: Bochum besetze sowohl in der Ausländerbehörde als auch in der Einbürgerungsstelle zügig freie Stellen nach und habe Personal aufgestockt.
Andere nordrhein-westfälische Großstädte wie etwa Duisburg und Essen berichten auf Anfrage ebenfalls, zusätzliche Stellen geschaffen zu haben und dies auch weiterhin tun zu wollen. Doch damit ist das Problem nicht behoben. „Da die personelle Situation in der Ausländerbehörde über Jahre sehr angespannt war, hat sich ein hoher Bearbeitungsrückstand aufgebaut“, heißt es aus Duisburg.
Digitalisierung der Behörden bring derzeit keine Entlastung in NRW
Eine weitere Hürde ist laut Flüchtlingsrat NRW-Chefin Birgit Naujoks der schleppende Digitalisierungsprozess. Auf Anfrage der Redaktion bestätigt das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung (MHKBD), dass die 81 unteren Ausländerbehörden in NRW unterschiedlich weit digitalisiert seien.
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Ein Großteil der Behörden habe angefangen, Prozesse zu digitalisieren und elektronische Aktensysteme einzuführen, wie ein Sprecher des Ministeriums erklärt. Andere Behörden würden vor Herausforderungen stehen. Die Digitalisierung müsse schrittweise erfolgen, um den laufenden Betrieb der Behörden sicherzustellen, so der Sprecher. Daher soll die vollständige Digitalisierung bis Ende 2025 abgeschlossen sein.
SPD-Landtagsabgeordneter will Bundesamt in die Pflicht nehmen
Mit Blick auf die Zukunft sieht Landtagsabgeordneter Serdar Yüksel zunächst keine Besserung. Durch die Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts sind in NRW Hunderttausende Menschen mit Anspruch auf Einbürgerung hinzugekommen. Auch die Stadt Essen berichtet auf Anfrage von einem „deutlich größeren Kreis von Anspruchsberechtigten“.
Zur Entlastung der Ämter schlägt der SPD-Politiker vor, zusätzlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in den Außenstellen mit der Einbürgerung zu betrauen. „Man muss keine kommunale Anbindung dafür haben, da es ein Bundesrecht ist.“
Wüst: „Globales Problem wird nicht in Kreisausländerbehörden wegverwaltet“
Ministerpräsident Hendrik Wüst ist sich der Situation in den Ausländerbehörden bewusst. Problematisch seien die hohen Zahlen an geflüchteten Menschen, die kein dauerhaftes Bleiberecht haben. Dies betrifft mittlerweile knapp die Hälfte der Menschen. Seit über einem Jahr schrieben die Ämter der Landesregierung ins Stammbuch, dass sie „total überlastet“ seien, so Wüst. Daran könne man nicht vorbeisehen, wenn man weiterhin Menschen helfen möchte, die vor Krieg und Vertreibung fliehen, meint er.
Für ihn liegt die entscheidende Frage bei den globalen Migrationsströmen. „Dieses globale Problem, das nicht weggehen wird – nicht in diesem und nicht im nächsten Jahr – wird nicht in den Amtsstuben von Kreisausländerämtern wegverwaltet, wie man sich das in Berlin gelegentlich zu wünschen scheint.“