Washington. Der 81-Jährige soll Trump ein zweites Mal verhindern. Doch sein Alter bleibt ein Risikofaktor. Nun denken die Demokraten den Ernstfall.
Für die Demokraten sind die am 3. Februar in South Carolina beginnenden Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidatur 2024 eigentlich eine Formsache. Amtsinhaber Joe Biden ist die erneute Nominierung auf dem Parteitag im Sommer sicher, falls bis dahin keine gesundheitlichen Probleme auftauchen. Seine einzigen internen Konkurrenten, Marianne Williamson und Dean Phillips, gelten als chancenlos. Simpler Grund: Gegen einen amtierenden Präsidenten zu meutern, ist ein schwieriges und unbeliebtes Unterfangen, das am Ende meist nur der parteipolitischen Konkurrenz auf die Butterseite fällt.
Die Konstellation ändert aber nichts daran, dass weite Teile der Demokratischen Partei wie auch zwei Drittel ihrer Stammwähler einen anderen Kandidaten bevorzugen würden. Kern-Argument: Biden, mittlerweile 81, sei seit Amtsantritt 2021 rapide gealtert und habe nicht mehr die nötige physische wie mentale Kraft, eine zweite Amtszeit durchzustehen. An deren Ende wäre er 86.
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Das Argument ist alt. Trotzdem hat niemand von Rang und Statur in der Partei den Mut aufgebracht, Bidens Wiederwahl-Ambitionen offen anzugreifen, die an einem einzigen Detail hängen: Würde auf der anderen Seite nicht erneut Donald Trump antreten, so hat Biden es öffentlich angegeben, wäre er wahrscheinlich zum Abgang in den Ruhestand bereit gewesen.
Wäre Trump nicht, würde Biden wohl in Ruhestand gehen
Biden glaubt, wie 2020 der einzige Demokrat zu sein, der Trump verlässlich schlagen kann. Der Einschätzung widersprechen die Umfragen. Anders als vor vier Jahren genießt Biden diesmal keinen Vorsprung. Im Gegenteil. In mehreren Bundesstaaten, auf die es erfahrungsgemäß ankommt, liegen die „Oldies“ gleichauf oder Trump hat leicht die Nase vorn. Weil Biden mit vergleichsweise guten Wirtschaftsdaten nicht durchdringt – er hat die Arbeitslosigkeit gesenkt, die Rezessionsgefahr gebannt und die Inflation in den Griff bekommen – wächst unter demokratischen Strategen die Nervosität.
Dort weiß man, dass Bidens Zustimmungswerte in der politischen Nahtodzone liegen. Heißt: unter 40 Prozent in zentralen Themenfeldern wie Wirtschaft (37 Prozent), Inflationsbekämpfung (32 Prozent), Einwanderung (32 Prozent) und Außenpolitik/Ukraine/Israel (35 Prozent). Heißt: unter den Werten von Bill Clinton oder Barack Obama zum gleichen Zeitpunkt ihrer Präsidentschaft, die beide für eine zweite Amtszeit bestätigt wurden.
USA: Demokraten diskutieren mögliche Alternative zu Biden
Ob Biden allein mit der Verlegung darauf, Trump als massive Gefahr für die amerikanische Demokratie zu brandmarken, das Blatt substanziell wenden und die Anti-Trump-Koalition von 2020 intakt halten kann (Afroamerikaner, Latinos, gebildete Wähler, jüngere Wähler unter 30 und Frauen), wird offen angezweifelt. Vor allem unter parteiunabhängigen Wählern überwiegt die Sorge, dass Bidens Alter einer Fortsetzung seiner Arbeit im Weg steht.
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Weil kein amtierender US-Präsident der vergangenen 50 Jahre zu Beginn eines Wahljahres in Umfragen so miserabel dastand, läuft hinter den Kulissen der Partei eine rege Was-wäre-wenn-Diskussion. Was, wenn Biden doch nicht der Kandidat wird? In der Theorie könnten die Demokraten Biden noch durch eine Alternative ersetzen. In der Praxis würde es jedoch schwer, unmittelbar vor Beginn der demokratischen Vorwahlen am 3. Februar in South Carolina einen Konsens-Kandidaten aus dem Hut zu zaubern und mit Geld und Personal auszustatten, um die „Primaries“ zu überstehen.
Trotzdem wird weiter in Szenarien gedacht. Erste Option: Biden gewinnt erwartungsgemäß formal die Vorwahl, wird auf dem Parteitag im August in Chicago eindrucksvoll bestätigt, wird aber kurz danach plötzlich schwer krank oder hat einen Unfall, der ihm die Wahl am 5. November unmöglich macht. In diesem Fall müsste nach den Statuten das 435 Mitglieder starke „Democratic National Committee“, eine Art Parteirat, einen Ersatz benennen.
Nach jetziger Schau wäre das nicht Vize-Präsidentin Kamala Harris, die nach der Verfassung automatisch ins erste Glied rücken würde, falls Biden seine Amtsgeschäfte nicht mehr ausüben kann. Harris genießt im Volk noch weniger Zustimmung als Biden. Genannt werden in diesem Gedankenspiel Leute wie Transportminister Pete Buttigieg, Gavin Newsom – Gouverneur von Kalifornien, oder Gretchen Whitmer. Sie ist Gouverneurin von Michigan.
Was passiert, wenn Joe Biden auf die Kandidatur verzichtet?
Zweite Option: Biden erklärt nach Erreichen des nötigen Stimmen-Quorums in den Vorwahlen bis zum Frühsommer mit Verweis auf sein Alter und seinen gesundheitlichen Zustand freiwillig den Verzicht auf eine weitere Kandidatur. Dann könnte es in Chicago zu einer „contested convention“, einem hart umkämpften Parteikonvent, kommen, auf dem rund 4000 Delegierte – gebunden an den Mehrheitswillen ihrer Bundesstaaten – und etwa 700 ungebundene Super-Delegierte die Nachfolge Bidens bestimmen. Rund 2000 reichen zur Nominierung.
Aus Bidens Umfeld ist beständig zu hören, dass der Präsident nicht seinen vorzeitigen Ausstieg vorbereitet. Sondern, dass er darauf setzt, dass seine Landsleute trotz aller Vorbehalte am Ende lieber ihn als den zuletzt vermehrt autokratische Anwandlungen zeigenden Trump wählen würden.
Wie es um Bidens Rückhalt und Perspektiven bestellt ist, wird sich am „Super Tuesday“ (5. März) zeigen, wenn 15 Bundesstaaten ihre Vorwahlen abhalten. Am 7. März wird Biden auf Einladung des Sprechers des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, seine jährliche „Rede zur Lage der Nation“ vor beiden Kammern des Kongresses halten. Eine größere Bühne, als zur besten Sendezeit live zu Millionen Amerikanern sprechen zu können, gibt es nicht.
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