Washington. Nach dem TV-Duell-Flop will der Demokrat beweisen, dass die Nacht von Atlanta ein Ausreißer war. Doch eine Sache bleibt aufklärungsbedürftig.
Vier Tage nach seinem TV-Debatten-Flop mit Herausforderer Donald Trump, der ihm in den Medien massenhaft Rücktrittsforderungen einbrachte, zeigt sich bei US-Präsident Joe Biden eine Jetzt-erst-recht-Trotzreaktion.
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Nach der Vorstellung beim Sender CNN hat der 81-Jährige bei diversen Veranstaltungen am Wochenende reuig sein Versagen eingestanden und den festen Willen zur Wiedergutmachung bekundet. „Ich weiß, ich bin kein junger Mann“, sagte Biden. Er rede, debattiere und laufe nicht mehr so gut wie in der Vergangenheit. „Aber ich weiß, wie man die Wahrheit sagt.“ Ein Seitenhieb auf seinen republikanischen Konkurrenten Donald Trump, dem während des 90-minütigen Schlagabtauschs über 30 teils hanebüchene Falschbehauptungen nachgewiesen wurden.
Joe Biden nach TV-Duell: „Ich weiß, ich bin kein junger Mann“
Bidens Kampagnen-Spitze stellte klar: Offizielle Gespräche über einen Verzicht auf die Kandidatur (und die Suche nach einem Nachfolger/einer Nachfolgerin) sieben Wochen vor dem Nominierungsparteitag in Chicago „gibt es nicht“.
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Dahinter steht, jedenfalls vorläufig, prominenter Beistand. Demokratische Dickschiffe wie die Ex-Präsidenten Barack Obama („Schlechte Debattenabende kommen vor“) und Bill Clinton stellen sich hinter ihren Nachfolger. Ihr Argument: Verhältnismäßigkeit.
Sie versuchen, den Kontrast zu schärfen zwischen einer von Biden vergeigten Debatten-Nacht und einer präsidialen Leistungsbilanz seit 2021, die Historiker nicht nur unter ökonomischen Aspekten als beispiellos gut bezeichnen. Plus: Vor der Aussicht auf eine zweite Präsidentschaft Trumps, die Amerikas Demokratie beenden könnte, müsse alles andere verblassen.
Eine Bewertung, die im Wahlvolk nicht ganz fremd ist. Blitzumfragen spiegeln wider, dass Biden nicht substanziell eingebüßt hat; das kann sich ändern. Auch 27 Millionen Dollar Klein-Spenden-Einnahmen in den Stunden nach der Debatte sprechen nicht dafür, was für eine herdentriebige US-Presse unabdingbar erscheint. Leitartikler und Kolumnisten fast aller großen Zeitungen drängen Biden zur Aufgabe. Ausnahme: der „Philadelphia Inquirer“. Die wichtigste Zeitung im möglicherweise wahlentscheidenden Bundesstaat Pennsylvania fordert, dass Donald Trump „wegen völliger Uneignung“ aus dem Rennen aussteigen soll.
Gegen das Rumoren in Kreisen solventer Geldgeber, die Bidens Siegchancen im November offenbar teilweise abgeschrieben haben, lässt sich der milliardenschwere Großspender Reid Hoffman mit dem Aufruf vernehmen, die Demokraten müssten die Reihen schließen und mit vereinten Kräften für Joe Biden und gegen „Trumps Gewalt und Lügen“ kämpfen. Bei einem Spender-Treffen in New Jersey nahm der demokratische Gouverneur Phil Murphy den Ball auf. Er sagte voraus, dass der Präsident ein „Comeback-Kid“ sei und die Delle überwinden werde.
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Wie? Der frühere Kommunikationschef von Donald Trump, Anthony Scaramucci, rät zu wöchentlichen Pressekonferenzen im Weißen Haus. Zu unchoreografierten Live-Interviews mit großen Sendern und Zeitungen, wo kein Teleprompter Hilfestellung gibt. Das amerikanische Volk, sagt er, müsse mit eigenen Augen sehen können, ob Biden Tag für Tag mental und physisch in der Lage ist, den schwierigsten Job der freien Welt auszuüben. Nur so könne der Eindruck verwischt werden, dass der Atlanta-Biden der wahre Biden ist. Atlanta-Biden? Nach Worten von First Lady Jill Biden habe Biden nach der Debatte geklagt: „Ich weiß nicht, was passiert ist, ich habe mich nicht gut gefühlt.“
Mediziner wie der Yale-Professor Harlan Krumholz schließen nicht aus, dass Bidens teils geistesabwesende Debatten-Performance an den Nebenwirkungen von Erkältungsmitteln gelegen haben könnte. „Washington Post“-Watergate-Legende Bob Woodward vermutet, dass es in der Vorbereitungsphase womöglich einen Streit zwischen Biden und seinen Beratern gegeben haben könnte, der in Atlanta unselig fortgewirkt haben könnte. Bidens Vorstellung sei so unterirdisch gewesen, dass es dafür Gründe geben müsse. Dass Biden schon am Tag darauf bei einer Kundgebung in North Carolina ein völlig anderes Bild abgab, energisch, wach und kämpferisch, sei aufklärungsbedürftig.