Berlin. Angela Merkel hat sich ein letztes Mal im Wahlkampf aufgebäumt: Sie rief ihre Parteianhänger dazu auf, bis zur letzten Minute um jede Stimme zu kämpfen. Gleichzeitig warb sie nochmals für ein Bündnis mit der FDP.

Jetzt kann Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht mehr viel tun für ihre Wiederwahl. Die letzte große Wahlkundgebung ist vorbei, am Sonntag will Merkel versuchen, ein bisschen länger zu schlafen, schließlich frühstücken und wählen gehen. «Dann sitzt man und wartet», sagt die CDU-Vorsitzende.

Doch bis dahin sind es noch 20 Stunden, als Merkel kurz nach ihrer Landung vom G-20-Gipfel in Pittsburgh am Samstag zur Abschlusskundgebung ihrer Partei in der «Arena» in Berlin-Treptow eintrifft. Erleichtert zeigt sich die Kanzlerin über ihre Rückkehr nach Deutschland. Es wäre ein Alptraum gewesen, wenn das Regierungsflugzeug einen technischen Defekt gehabt hätte, vermutet Merkel.

Gerade verhandelte sie noch mit den Großen der Welt über die Weltfinanzen, nun sieht sich Merkel wieder einer Handvoll Leuten gegenüber, die ihre Ausführungen mit sinnfreien «Yeah»-Rufen zu stören versuchen. Die Kanzlerin nimmt es gelassen: «Meine Freunde sind wieder da, vereinzelt, herzlich willkommen», sagt Merkel.

Angie frenetisch gefeiert

Die rund 2500 CDU-Anhänger in der «Arena» muss Merkel nicht mehr überzeugen, sie feiern «Angie» frenetisch. Und auch aus München von der CSU gibt es kein Störfeuer mehr. Vom Münchner Marienplatz wird Horst Seehofer eingeblendet. Der CSU-Vorsitzende nennt Merkel eine «erstklassige Kanzlerin», lobt deren Führungskraft und sichert ihr ein «Höchstmaß» an Unterstützung zu. «Die Zeichen stehen auf Sieg», ruft Seehofer von München aus nach Berlin.

Doch Merkel weiß, dass es eng wird für ihr Wunschbündnis aus Union und FDP am Sonntag. Und so motiviert sie ihre Anhänger zum Kampf um Wählerstimmen bis zur letzten Minute. Es lohne sich, bis in die späten Abendstunden und noch am Sonntagmorgen mit Nachbarn und Freunden zu reden, sagt Merkel unter Hinweis auf den zuletzt noch immer hohen Anteil von unentschlossenen Wählern.

Merkel wirbt für Wunschbündnis mit der FDP

Von Müdigkeit ist in Merkels halbstündiger, kämpferischen Rede nichts zu spüren. Den G-20-Gipfel versucht Merkel für sich zu nutzen. Die G-20 hätten verabredet, gemeinsam Verantwortung für die Entwicklung der Weltwirtschaft zu tragen, das hätte sie vor einem Jahr nicht für möglich gehalten. Banken dürften «nie wieder in der Lage sein, Staaten zu erpressen», sagt Merkel und betont, die Bundesregierung habe nicht den Banken und Bankern an sich geholfen, sondern um die Spareinlagen der Menschen zu sichern. «Großartiges» habe Merkel in Pittsburgh erreicht, lobt Seehofer.

Aus dem Tal der Krise in Deutschland komme die Union am besten mit der FDP, bekräftigt Merkel. Das bedeute nicht, dass die große Koalition keine gute Arbeit geleistet hätte, jedoch könne die Union mit der FDP entschlossener handeln. Dabei müsse die Union möglichst stark sein, denn CDU und CSU seien die einzigen Parteien, die Wirtschaft mit Vernunft und Solidarität mit den Schwachen verwirklichen könnten: «Dafür brauchen wir Unternehmer genauso wie Arbeitnehmer.»

Kuschelrede statt Angriffslust

Mit Angriffen auf die SPD hält sich Merkel auch bei ihrem letzten großen Wahlkampfauftritt zurück. Sie kritisiert zwar die Bildungs- und Familienpolitik der Sozialdemokraten und warnt vor instabilen Verhältnissen, sollte die SPD regieren. Die SPD hoffe auf einen Wortbruch von FDP-Chef Guido Westerwelle in Bezug auf eine «Ampel»-Koalition, andere in der SPD setzten auf eine große Koalition, wiederum andere auf Rot-Rot. Stabilität gebe es nur mit einer «starken Union in einer Koalition mit der FDP». Dafür bitte sie um die Erst- und Zweitstimme für die Union, sagt Merkel und warnt vor «taktischen Spielchen».

Am Sonntagnachmittag wird Merkel mit CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla und Getreuen wieder in der Parteizentrale sitzen und warten. Sie ist nach den Erfahrungen der vorherigen beiden Bundestagswahlen gewarnt. 2002 drehte sich die Stimmung wenige Tage vor der Wahl in Richtung Rot-Grün, dem damaligen Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber (CSU) fehlten schließlich wenige Tausend Stimmen zur Regierungsbildung. Und 2005 reichte es nach guten Umfragewerten für die Union letztlich nur knapp zum Wahlsieg der Union und zur Kanzlerschaft Merkels. (ddp)