Essen. Angela Merkel braucht eine Koalition mit der FDP, will sie Deutschland die nächsten vier Jahre weiter regieren. Sollte dieser Plan jedoch scheitern und Merkel wieder Kanzlerin einer Großen Koalition werden, dann beginnt ihr Autoritätsverfall am Sonntag, 18 Uhr.
Angela Merkel wird Bundeskanzlerin bleiben. Bleibt sie nur mit einer Fortsetzung der Großen Koalition im Kanzleramt, dramatisiert sich die Verfallsgeschwindigkeit der neuen Bundesregierung. Bundeskanzler scheitern weniger am Wähler durch direkte Abwahl, sondern vor allem an der eigenen Partei.
Die Machtposition von Angela Merkel ist innerhalb der CDU fragil – trotz ihrer hohen Popularität in der Bevölkerung. Sollte es nicht für Schwarz-Gelb reichen, trägt sie alleine mit ihrer präsidialen Prägung des Wahlkampfes dafür die Verantwortung. Ihr Autoritätsverfall würde am Sonntag um 18 Uhr beginnen.
Kein Signal für einen Aufbruch
Ein Schub durch einen gezielten Wählerauftrag wäre bei der Großen Koalition auch in den nächsten Monaten sicher nicht messbar. Ein Neustart hätte kein Mandat für einen Aufbruch. Dass aus den ehemaligen Großparteien mittelgroße Volkspartei-Ruinen geworden sind, würde Merkel als Parteivorsitzende ebenso angelastet wie die Verunklarung des Markenkerns der Union.
Weitere Machterosionen drohten der Koalition auch vom Bundesrat, in dem sie in den zurückliegenden Jahren ihre Zweidrittel-Mehrheit verloren hat. Politikstau aufgrund von Steuerungsverlusten könnten die Folge sein. Spektakuläre Wahlniederlagen in den Bundesländern könnten das Bild ergänzen: Die Stärke eines Kanzlers hängt direkt von der Unterstützung in der eigenen Partei ab.
Merkel droht das gleiche Schicksal wie Schröder
Am Ende bliebe für die Kanzlerin eine Offensivstrategie à la Schröder: Auflösung des Bundestages und Neuwahlen aufgrund der mangelnden Kontrolle über die eigene Partei. Aber auch dann wäre es möglich, dass eine geschwächte Union einen anderen Kandidaten ins Rennen schicken würde, um für einen Neuanfang zu werben.
Das Finale der Großen Koalition könnte somit bereits am Sonntag eingeläutet werden: aus der Erfolgsfalle des strategischen Bündnisses der Wahlverlierer heraus, die sich vermeintlich noch einmal für vier Jahre zusammenschließen müssten. Die Geschichte der Kanzler-, Koalitions- und Regierungswechsel lehrt jedoch, dass wir unseren Blick weniger auf die Arithmetik der Mehrheiten, als auf die innerparteiliche Machtkonstellation richten sollten. Kanzlermacht ist in Deutschland Parteimacht. Diese kann Merkel nur halten, wenn ihr eine Koalition mit der FDP gelingt.
Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte ist Direktor der NRW School of Governance der Uni Duisburg-Essen