Kabul. Acht US-Soldaten und mehrere afghanische Sicherheitskräfte wurde bei einem Angriff auf zwei Stützpunkte in Nordafghanistan getötet. Mit Schusswaffen und Granaten attackierten rund 300 Kämpfer die militärischen Posten. NATO-Generalsekretär Rasmussen fordert Strategiewechsel in Afghanistan.

Kabul (AP) Hunderte Aufständische haben im Osten Afghanistans zwei von einheimischen und amerikanischen Soldaten besetzte Stützpunkte überfallen und eines der schwersten Gefechte seit Beginn des internationalen Einsatzes ausgelöst. Acht US-Soldaten und mehrere afghanische Sicherheitskräfte wurden nach NATO-Angaben vom Sonntag bei den Kämpfen in der Provinz Nuristan, nahe der Grenze zu Pakistan, getötet.

Etwa 300 mit Schusswaffen und Granaten bewaffnete Kämpfer hätten am Samstag im Morgengrauen von zwei Seiten aus zunächst den afghanischen Stützpunkt am Fuß eines Bergs angegriffen, sagte der Polizeichef von Nuristan, Mohammad Kasim Dschangulbagh. Danach attackierten sie den Posten am Gipfel, der von US-Truppen gesichert wurde. An dem Angriff waren nach NATO-Angaben verschiedene Stammesmilizen, Taliban-Kämpfer und dem Al-Kaida-Sympathisanten Siradschudin Hakkani nahe stehende Kämpfer beteiligt. Auch Extremisten, die aus dem pakistanischen Swat-Tal vertrieben wurden, seien dabei gewesen, erklärten die afghanischen Behörden.

Die US-Luftwaffe griff mehrfach mit Luftschlägen in die Kämpfe ein. In einer Erklärung der US-Streitkräfte hieß es, der Angriff sei zurückgeschlagen worden, dem Gegner seien schwere Verluste zugefügt worden.

Die Angreifer nahmen nach afghanischen Angaben auch mehr als 20 einheimische Sicherheitskräfte gefangen, darunter den örtlichen Polizeichef und seinen Stellvertreter. Über ihr Schicksal werde ein Rat entscheiden, sagte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid. Die Nordostprovinzen Nuristan und Kunar gelten als Hochburg der Terrororganisation Al Kaida.

Obamas Sicherheitsberater sieht keine Rückkehr der Taliban

Der Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, James Jones, geht dennoch nicht davon aus, dass die Taliban Afghanistan unter ihre Kontrolle bringen. «Ich sehe keine Rückkehr der Taliban», sagte er in Fernsehinterviews am Sonntag. «Afghanistan ist nicht unmittelbar gefährdet, zu fallen.» Auch die Präsenz Al Kaidas gehe zurück. Jones verwies weiter auf die jüngste pakistanische Offensive gegen Extremisten in der Grenzregion. Die afghanische Regierung von Präsident Hamid Karsai rief er auf, mit wirtschaftlichen Fortschritten zu punkten und dem Volk Hoffnung zu geben. US-Oberbefehlshaber Stanley McChrystal hat im Gegensatz zu Jones vor einem Vormarsch der Taliban gewarnt und weitere Truppen gefordert.

Anschlag in Kundus

Auf einem Markt in der Nordprovinz Kundus kamen am Samstag drei Menschen bei einem Bombenanschlag ums Leben. Der auf einem Motorrad platzierte Sprengsatz wurde ferngezündet. Kundus ist Haupteinsatzgebiet der in Afghanistan stationierten Bundeswehrsoldaten. In der ebenfalls im Norden gelegenen Provinz Balch fuhr ein finnischer Militärkonvoi auf eine Straßenbombe. Vier Soldaten wurden verletzt.

NATO-Generalsekretär fordert Strategiewechsel in Afghanistan

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat einen Strategiewechsel für den Einsatz in Afghanistan gefordert. Der neue Ansatz müsse die einheimische Bevölkerung in den Mittelpunkt stellen, sagte Rasmussen am Sonntag im britischen Fernsehsender Sky News. Außerdem müsse sich die NATO stärker auf die Ausbildung der einheimischen Sicherheitskräfte konzentrieren. Ziel sei eine 130.000 Mann starke afghanische Armee sowie eine Polizeitruppe im Umfang von 80.000 Mann, sagte Rasmussen. Dafür seien rund 17.000 Ausbilder nötig.

Rasmussen wollte sich nicht darauf festlegen, wie viele zusätzliche NATO-Soldaten in Afghanistan gebraucht würden. «Ich denke, wir müssen mehr tun, aber es ist noch zu früh um genau zu sagen, wieviel», sagte der frühere dänische Ministerpräsident. Auch zu einem konkreten Zeitplan für einen Abzug der internationalen Truppen vom Hindukusch wollte sich der NATO-Generalsekretär nicht äußern.

Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, James Jones, sieht in der gestiegenen Gewalt in Afghanistan nicht die Gefahr einer Rückkehr der Taliban an die Macht. «Afghanistan steht nicht vor dem Scheitern», sagte James dem Nachrichtensender CNN. Beim blutigsten Angriff der Taliban seit mehr als einem Jahr wurden am Sonntag acht US-Soldaten und zwei afghanische Sicherheitskräfte getötet.

Vermehrt Rufe nach Truppenaufstockung in Afghanistan

Angesichts des Vormarsches der aufständischen Taliban in Afghanistan mehren sich die Rufe nach einer Aufstockung der internationalen Truppen. Der britische Generalstabschef David Richards schloss sich am Wochenende einer entsprechenden Forderung des ISAF-Oberkommandierenden Stanley McChrystal an. Beim blutigsten Angriff der Taliban seit mehr als einem Jahr wurden acht US-Soldaten und zwei afghanische Sicherheitskräfte getötet.

Sollte es der NATO nicht gelingen, das Land zu stabilisieren, sei das Risiko für den Westen «enorm», sagte Generalstabschef Richards der britischen Zeitung «Sunday Telegraph». Ein Sieg über die internationalen Truppen in Afghanistan würde radikalislamische Aufständische in der Region und auf der ganzen Welt «mitreißen». Schon allein wegen der pakistanischen Atombomben sei das Nachbarland für sie ein «verlockendes Ziel», erklärte Richards. Dies sei ein «schreckenerregender Ausblick». Eine Truppenaufstockung könne der NATO helfen, den «psychologischen Kampf» zu gewinnen. Zuvor hatte bereits McChrystal als Oberkommandierender der US-Truppen in Afghanistan und der NATO-Truppe ISAF vor einer Niederlage gewarnt, sollten nicht rasch mehr Truppen entsandt werden.

Die zusätzlichen Truppen würden nach Angaben eines US-Militärvertreters vor allem im Norden und Westen des Landes zum Einsatz kommen. «Dort haben wir die wenigsten Truppen», sagte der Militärvertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte, am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Der Norden und Westen Afghanistans galt bis Anfang dieses Jahres als verhältnismäßig ruhig, vor den Präsidentenwahlen im August nahmen die Angriffe von radikalislamischen Aufständischen jedoch im ganzen Land zu. In Nordafghanistan ist auch das Einsatzgebiet der Bundeswehr. (ap/afp)