Oblast Donezk. Deutschland will dieses Jahr weitere Panzerhaubitzen an die Ukraine liefern. Ein Frontbesuch offenbart, wie präzise das Geschütz ist.
- Deutschland unterstützt die Ukraine mit Panzerhaubitzen
- Nun hat Verteidigungsminister Pistorius die Lieferung weiterer Waffen zugesagt
- Ein Besuch an der Front zeigt, wie sie eingesetzt werden
Das stählerne Ungetüm kriecht langsam und rasselnd aus der Deckung in die Schussposition. Der Turm schwenkt Richtung Süden, die Kanone richtet sich auf. Ein infernalisch lauter Knall, ein Feuerstoß, es rüttelt die Maschine durch, Qualm wabert um sie. In 23 Kilometer Entfernung schlägt ein 155-Millimeter-Geschoss in feindlichen Stellungen ein. Wo genau, beobachtet eine Drohne. Die Besatzung der Panzerhaubitze 2000 bekommt neue Zielkoordinaten. Sie bereitet den nächsten Schuss vor.
Die Panzerhaubitze 2000 ist eine der mächtigsten Waffen, die Deutschland der bedrängten Ukraine bislang geliefert hat. Am Freitag gab Verteidigungsminister Boris Pistorius auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein bekannt, dass Deutschland dem kriegsgeplagten Land zwölf weitere davon liefern möchte. Sechs Panzerhaubitzen sollen sogar noch in diesem Jahr eintreffen. 150 Millionen Euro kostet die gesamte Lieferung der modernen Artilleriegeschütze.
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Das Beispiel der Panzerhaubitze zeigt aber auch, welche Probleme im Kampf auftreten können. Die Maschine ist anfällig.
Ukraine-Krieg: Der lange Weg bis zur Panzerhaubitze an der Front
Wer die Panzerhaubitze als Journalist im Einsatz sehen will, braucht Geduld. Es dauert Wochen, manchmal Monate, ehe eine Genehmigung erteilt ist. Die Kanone ist im Dauereinsatz nahe der Front. An diesem eiskalten Januarmorgen steht ein Militärfahrzeug ohne Kennzeichen an einer Kreuzung in der umkämpften Oblast Donezk nördlich der gleichnamigen und russisch besetzten Regionalhauptstadt. Der genaue Ort darf aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden.
Roman steigt aus, ein junger Mann Anfang dreißig, schlank, kräftiger Händedruck. Er ist der Kommandeur der Artillerie-Batterie, die hier in der Nähe stationiert ist. Die Fahrt führt durch Dörfer, in denen kaum noch Menschen zu leben scheinen, Siedlungen, die im Grau dieses Wintertages versinken. Nur ab und an sind Autos zu sehen, die über die kaputten Straßen rumpeln.
Die Panzerhaubitze wartet unter einem Tarnnetz
An einem kleinen Waldstück hält Roman auf einem Parkplatz, bittet, in sein Auto umzusteigen. Der Fahrer steuert den robusten Geländewagen über einen vereisten Acker, auf dem es nur im Schritttempo vorwärts geht. Vor einem kleinen Waldstück steht eine mobile Flugabwehrkanone des Typs Strela 10 aus sowjetischer Produktion, sie soll die Panzerhaubitze vor Luftangriffen schützen.
Dann erreichen wir die Panzerhaubitze. Sie wartet unter einem Tarnnetz auf ihren Einsatz, die fünfköpfige Besatzung hat sich daneben eine provisorische Unterkunft gebaut. Manchmal wechseln sie täglich die Position. Bei anderen Missionen verbringen sie eine Woche und länger im Dreck.
Die Soldaten sagen: Die Panzerhaubitze präzise, schneller und hochmobil
Seit September 2022 kämpfen sie hier mit den deutschen Haubitzen. „Das ist eine sehr, sehr gute Maschine“, sagt Roman. Früher haben sie mit 2S7 Pion-System aus sowjetischer Bauart geschossen. Das deutsche Kettenfahrzeug sei präziser, schieße schneller und sei hochmobil.
Die modernen Artilleriesysteme, die der Westen geliefert hat, allen voran das amerikanische HIMARS, haben in der Vergangenheit entscheidend dazu beigetragen, dass die ukrainischen Streitkräfte erfolgreiche Gegenoffensiven im Nordosten und Süden durchführen konnten. Die punktgenaue Zerstörung von Nachschublinien, Kommandoposten und Munitionslagern hat die russischen Streitkräfte im November zum Rückzug aus Cherson gezwungen.
Das Beste an der Haubitze: Sie schützt die Besatzung
Das größte Plus sei der deutschen Haubitze die Panzerung, sagt Roman: „Die Besatzung kann im Warmen arbeiten und ist gut vor feindlichem Beschuss geschützt. Diese Maschine ist sehr wertvoll für uns.“ Der junge Kommandeur der Batterie, in der sie mit insgesamt vier Haubitzen operieren, räumt aber auch ein: „Es gibt auch einige Nachteile. Sie bestehen darin, dass die Artilleriekomponenten dieser Waffe mehrere Nuancen aufweisen, die bei intensivem Einsatz versagen können.“ Das ist sehr diplomatisch ausgedrückt.
Die Männer, die die Panzerhaubitze bedienen, drücken sich weniger diplomatisch aus. Alexej ist der Kommandant der Maschine, Andrej der Fahrer und Mechaniker. Beide Männer haben schwarze Vollbärte, tragen ölverschmierte Tarnfleck-Jacken, haben Dreck unter den Fingernägeln. Alexej trägt klobige Gummistiefel. Sie sind in Idar-Oberstein trainiert worden. „Uns ist gesagt worden, die Bedienung ist ganz einfach. Einfach reinsetzen und schießen“, sagt der Kommandant. Andrej lacht.
Land | Ukraine |
Kontinent | Europa |
Hauptstadt | Kiew |
Fläche | 603.700 Quadratkilometer (inklusive Ostukraine und Krim) |
Einwohner | ca. 41 Millionen |
Staatsoberhaupt | Präsident Wolodymyr Selenskyj |
Regierungschef | Ministerpräsident Denys Schmyhal |
Unabhängigkeit | 24. August 1991 (von der Sowjetunion) |
Sprache | Ukrainisch |
Währung | Hrywnja |
1073 Schüsse abgefeuert - doch dieser Dauereinsatz hat Folgen
Es ist nicht so einfach, wie es ihnen in Deutschland erzählt worden ist. Sie haben bis zu diesem Vormittag mit ihrer Haubitze 1073 Schüsse abgefeuert. Der Dauereinsatz hat Folgen. „Durch den Rückstoß lösen sich immer wieder Schrauben und Kabel. Vor allem der Lademechanismus leidet, den müssen wir ständig auswechseln“, erklärt Mechaniker Andrej. „Leider ist es ein Problem, an Ersatzteile zu kommen.“ Die Folge: Manche der insgesamt 14 von Deutschland gelieferten Panzerhaubitzen dienen mittlerweile als Ersatzteillager.
Der Kommandant klettert durch die Luke im Heck in die Haubitze hinein. Drinnen riecht ölig und muffig. Links sind die Plätze für die beiden Munitionskanoniere. Einer überwacht die Ladeautomatik, falls sie ausfällt, muss er die Geschosse selbst in die Transportschiene hieven. „Die Geschosse sind viel leichter als die in unserem alten System“, erklärt Alexej. Ein weiterer Vorteil. Insbesondere, weil die Ladeautomatik häufig nicht funktioniert. Der Kommandant sitzt rechts vor einem Monitor, der Richtkanonier vor ihm, der Fahrer ganz vorne. „Wenn alles okay ist, ist die Maschine perfekt“, sagt Alexej. „Dann muss man eigentlich nur drei Knöpfe drücken. Laden. Zielen. Schießen. Fertig.“
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Was springt, wenn die Haubitze feuert, haben sie mit einem Seil befestigt
Alexej zeigt auf verschiedene Teile, die Probleme bereiten. Es sind viele. im Detail dürfen sie nicht genannt werden. Der Kommandant nimmt es sportlich. „Mit jeder Fehlfunktion weiß ich mehr über die Maschine.“ Er lacht. „Das Arbeiten mit diesem Gerät ist wie eine Goldgrube an neuen Erfahrungen.“ Auf seinem Mobiltelefon zeigt er ein Video, auf dem zu sehen ist, wie sich ein wichtiges Teil löst, als die Haubitze schießt. „Ich habe mir angewöhnt, diese Videos zu machen, weil unsere Kontaktleute in Deutschland uns sonst unsere Fehlfunktions-Meldungen nicht glauben.“
Die Besatzung geht pragmatisch mit den Problemen um. Was unkontrolliert springt, wenn die Haubitze feuert, haben sie mit einem Seil befestigt. „Wir mussten einiges modifizieren“, sagt Alexej. Er muss wieder lachen. Dann knarzt das Funkgerät. Ein Ziel ist ausgemacht worden.
Einer der Munitionskanoniere trägt Badeschlappen
Die anderen Mitglieder der Besatzung kommen zur Haubitze, sie haben es nicht sonderlich eilig, haben Zeit für eine lässige Begrüßung per Handschlag. Einer der Munitionskanoniere trägt Badeschlappen. Sie steigen in das Fahrzeug. Der Motor dröhnt auf. Die Haubitze setzt sich auf ihren Ketten in Bewegung, fährt Richtung Schussposition. Wenige Minuten später knallt der erste Schuss auf. Trocken, beißend, hell, ohrenbetäubend laut.
Theoretisch könnten sie jetzt in schneller Folge weiterschießen. Sie warten aber auf die neuen Koordinaten. Knapp zehn Minuten jagen sie das nächste Geschoss durch das lange Kanonenrohr. Sie warten. Dann setzt sich die Panzerhaubitze wieder in Bewegung. „Wenn sie nicht weiterschießen, heißt es, dass sie ihr Ziel getroffen haben“, sagt Roman. Irgendwo in 23 Kilometer entfernt hat die deutsche Waffe Tod und Zerstörung gebracht.
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Dieser Text wurde erstmals im Januar 2023 veröffentlicht.