Düsseldorf. In NRW sahen bei Umweltministerin Heinen-Esser viele Potenzial für Höheres. Jetzt bringt sie die Regierung Wüst kurz vor der Wahl ins Trudeln.

Als große politische Hoffnungsträgerin kam Ursula-Heinen-Esser (CDU) im Mai 2018 in die nordrhein-westfälische Landespolitik. Nach einer teils grotesk anmutenden Affäre um einen angeblichen Hacker-Angriff auf das TV-Netzwerk ihrer infolge dessen zurückgetretenen Amtsvorgängerin Christina Schulze Föcking wollte der damalige Ministerpräsident Armin Laschet (alle CDU) mit der Berufung Heinen-Essers zur neuen Umweltministerin wieder Ruhe ins Kabinett bringen.

In derselben Wahlperiode ist es nun aber erneut eine Umweltministerin im NRW-Kabinett, die die schwarz-gelbe Landesregierung heftig unter Druck bringt - knapp sechs Wochen vor der Landtagswahl für den neuen Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) zur absoluten Unzeit. Seit Wochen produziert die 56-jährige Volkswirtin Negativ-Schlagzeilen mit einer „Mallorca-Affäre“. Die SPD forderte längst schon ihren Rücktritt, weil die Ministerin trotz der Jahrhundert-Flut im Juli 2021 ihren Urlaub dort zwar kurzfristig unterbrochen, dann aber wie geplant fortgesetzt hatte.

Heinen-Esser lehnt erst Rücktritt ab - und muss dann doch gehen

Dem wollte die zähe Politikerin zuerst aber nicht nachkommen und lehnte einen Rücktritt ab. Sie werde die Folgen der Hochwasserkatastrophe weiter abarbeiten, kündigte sie noch am Donnerstagmittag im Landtag NRW an. Eine derart skandal-belastete Ministerin im Amt wäre allerdings eine so offene Flanke im Wahlkamp gewesen, dass Regierungschef Wüst handeln musste: Am Abend dann trat Heinen-Esser zurück.

Heinen-Esser hatte anderthalb Wochen nach Beginn der Flutkatastrophe auf Mallorca den Geburtstag ihres Mannes gefeiert - zusammen mit Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU), Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) und der damaligen Staatssekretärin Serap Güler (CDU). Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte die Feier am Donnerstag enthüllt.

Opposition hält Umweltministerin in Mallorca-Affäre „Salami-Taktik“ vor

Ihre Einlassungen zur „Mallorca-Affäre“ im Untersuchungsausschuss kamen aus Sicht der Opposition nur auf Druck in „Salami-Taktik“. Jetzt musszte die Ministerin auch noch eingestehen, dass sie dort kurz nach der Flut zusammen mit anderen eingeflogenen Kabinettsmitgliedern eine Geburtstagsparty feierte, während viele Menschen in NRW gegen die verheerenden Folgen des Hochwassers ankämpften. Allein in NRW hatte die Flut 49 Todesopfer gefordert. Von der Feier für ihren Ehemann hatte die Umweltministerin dem Ausschuss nichts mitgeteilt.

Zum entscheidenden Sprung in eine hoffnungsvolle Politiker-Karriere hatte die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) der Kölner Historiker-Tochter verholfen, als sie Heinen-Esser 2007 zur Parlamentarischen Staatssekretärin ins Bundesagrarministerium berief. Bis 2013 arbeitete die Diplom-Volkswirtin in dieser Funktion zunächst im Bundesagrar- und später im Bundesumweltministerium. Sie war auch Aufsichtsratschefin der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit und von 2016 bis 2018 Geschäftsführerin der Bundesgesellschaft für Endlagerung.

Seit fast 40 Jahren in der CDU

Lange schlug das Herz der ehrgeizigen Kölnerin, die sich seit ihrem Eintritt in die CDU 1983 auch in diversen politischen Gremien ihrer Partei sehr stark vernetzt hat, vor allem für die Bundespolitik. Dem Bundestag gehörte sie von 1998 bis 2013 an und verzichtete 2012 auch auf ein errungenes Landtagsmandat in NRW, um Bundestagsabgeordnete zu bleiben.

Nachdem sie im Herbst 2012 an Brustkrebs erkrankt war, kündigte die mit einem Rechtsanwalt verheiratete Mutter einer Tochter aber an, bei der Bundestagswahl 2013 nicht erneut anzutreten. Heinen-Esser konnte die Krankheit überwinden und hat danach öffentlich für Vorsorge-Untersuchungen geworben.

Heinen-Esser wurde als Laschet-Nachfolgerin gehandelt

Nach ihrer Berufung in Laschets Kabinett kündigte Heinen-Esser an, für nachhaltigen Umwelt- und Naturschutz, gute Rahmenbedingungen für eine moderne Agrarwirtschaft und einen starken Verbraucherschutz anzutreten. Auf ihr Konto geht das bundesweit erste Landesgesetz, das die Kommunen in NRW bei allen politischen Entscheidungen und Planungsvorhaben zu einem „Klima-Anpassungscheck“ verpflichtet.

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Vor allem im Vergleich zum Grünen-Umweltminister der rot-grünen Vorgängerregierung, Johannes Remmel, ist es Heinen-Esser aber nicht gelungen, ihr Ressort in der Öffentlichkeit als ein Herzstück der Regierungsarbeit zu präsentieren. Auch im Vergleich zu Mitgliedern ihres Kabinetts - etwa Innenminister Herbert Reul (CDU) - blieb die stets sehr verbindlich und ruhig auftretende Politikerin meist aber eher blass - trotz großer Themen wie etwa den Auseinandersetzungen um Waldbesetzer im Hambacher Forst oder „Diesel-Fahrverbote“.

Da Heinen-Esser aktuell kein Landtagsmandat hat, kam sie nach Laschets Wechsel in den Bundestags im vergangenen Herbst wegen der entsprechenden Verfassungsvorgabe nicht als Ministerpräsidentin in NRW infrage. Viele hatten anfangs allerdings Potenzial in ihr gesehen für höhere Ämter. Ihr Lavieren in der „Mallorca-Affäre“ war auch für viele in der Regierungskoalition eine bittere Enttäuschung. Die Jungen Liberalen hatten ihr Verhalten jüngst als „unwürdig“ bezeichnet. (dpa)