Jerusalem/Düsseldorf. NRW-Ministerpräsident Wüst ist während seines Besuchs in Israel positiv auf Corona getestet worden. Unklar ist, wie lange er in Quarantäne muss.

  • NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ist während seines Besuchs in Israel positiv auf Corona getestet worden
  • Auch ein zweiter PCR-Test am Montag in Jerusalem ist laut Düsseldorfer Staatskanzlei positiv ausgefallen
  • Wüst muss zunächst in Israel in Quarantäne bleiben – unklar ist derzeit, wie lange
  • Für Donnerstag geplante Ministerpräsidenten-Konferenz wird digital abgehalten

Als er sich nach einer kraftraubenden Führung durch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem im Gästebuch verewigt, schreibt Hendrik Wüst (CDU) am Montagmorgen ohne Spickzettel flüssig eine ganze Seite voll. „Dieser Ort und das Erinnern jedes einzelnen Opfers berühren im Herzen“, hinterlässt er dort etwa.

Nordrhein-Westfalens neuer Ministerpräsident war nie Außenpolitiker. Er war auch nie zuvor in Israel. Anders als sein geschichtsbewusster Amtsvorgänger Armin Laschet, der schon als Jugendlicher durchs heilige Land pilgerte und nächtelang über den Nahost-Konflikt debattieren konnte, wirkt Wüst eher in parteiinternen Kämpfen in Münsterland und Umgebung gestählt. Dabei hat der 46-Jährige jedoch eines gelernt: wie wichtig Kontrolle in der Berufspolitik ist. Über die Worte, über die Fotos, über den Terminkalender, über die eigenen Emotionen.

Erste große Auslandsreise seit dem Aufstieg zum Ministerpräsidenten

Wüst lässt sich vom Grauen in Yad Vashem durchaus anfassen. Er hört geduldig zu, knetet konzentriert die Hände, muss erkennbar schlucken. Er wusste, was auf ihn zukommt. Wüst wirkt auf seiner ersten großen Auslandsreise seit seinem Aufstieg zum Ministerpräsidenten vor einem halben Jahr insgesamt gut vorbereitet. Er lässt sich briefen, liest die Akten, findet die richtigen Worte, trägt dem Anlass gerechte Kleidung, wählt gemessene Gesten.

Von einem Erzbischof, den er privat kennt, lässt er sich schon vor dem Frühstück allein zur Klagemauer führen - und verbreitet Selfies davon bei Social Media. Als er auf den geliehenen protzigen Maybach angesprochen wird, der ihn ansonsten durch das Programm chauffiert, flüchtet er sich in leise Ironie. Er weiß um die Macht der Bilder. Ein folgenschweres Lachen in der Flut wie Laschet würde einem Profi wie Wüst wohl nie passieren.

Hendrik Wüst wird positiv auf Corona getestet

Doch am Montagnachmittag erlebt der Kontrollierte den unvermittelten Kontrollverlust. Wüst wird positiv auf Corona getestet. Er hatte einen PCR-Test vor dem Abflug gemacht – negativ. Einen nach der Ankunft am Flughafen Ben Gurion – negativ. Einen weiteren – negativ. Da jedoch eine seiner Personenschützerinnen vom Landeskriminalamt positiv ist, unterzieht er sich am Montagmittag einem weiteren freiwilligen Abstrich.

Das positive Ergebnis wirft die gesamte Reiseplanung über den Haufen. Wüst wird sofort in seinem Hotelzimmer im Jerusalemer Hotel „King David“ isoliert. Er macht einen weiteren PCR-Test. Am Abend dann die Gewissheit: Auch dieser ist positiv. Derweil muss Staatssekretär Mark Speich die weiteren Termine mit der Delegation in Tel Aviv wahrnehmen. Ob weitere positive Fälle in Wüsts Umfeld aufgetreten sind, wird zunächst nicht bekannt.

Deutsche Botschaft ermittelt bei den israelischen Behörden

Die deutsche Botschaft versucht sofort bei den israelischen Behörden zu ermitteln, ob für Wüst im Fall der Fälle die normalen Quarantäne greifen würde. Unklar ist derzeit, wie lange genau Wüst in Quarantäne muss – es könnten bis zu acht Tage sein. Vorsichtshalber wird die Ministerpräsidenten-Konferenz, deren Vorsitzender Wüst ist, auf ein komplettes Digital-Format umgestellt. Mitten im Landtagswahlkampf und angesichts der sich anbahnenden Ukraine-Flüchtlingskrise zu Hause ein echter Schlag ins Kontor. Eigentlich rechnete er sich zum „Team Vorsicht“, das der Ampel-Bundesregierung Fahrlässigkeit im Umgang mit der Pandemie vorwirft. Und jetzt?

Wüst kannte das Risiko. Angesichts galoppierender Corona-Zahlen und der strengen Infektions-Bestimmungen in Israel flog die Gefahr einer Ansteckung immer mit. Er nahm es in Kauf, weil die enge Verbindung beider Länder „Staatsräson“ sei, wie der Ministerpräsident morgens in die Mikrofone spricht. Noch so ein Zitat von Angela Merkel, das sich Wüst nach dem „Wir schaffen das“ zu eigen macht. Gewiss wäre es in normalen Zeiten auch eine Reise gewesen, bei der man zwei Monate vor der Landtagswahl diplomatische Parkettsicherheit demonstrieren kann. So bleibt die bittere Erkenntnis: „Corona hält sich nicht an politische Terminkalender.“ Das hatte Wüst selbst einmal so ähnlich formuliert.