Düsseldorf. In wenigen Tagen sollen neue Lockerungen der Corona-Maßnahmen greifen. NRW-Ministerpräsident Wüst kritisiert Gefahr für Flickenteppich an Regeln.
Die NRW-SPD warnt davor, angesichts erneut hoher Corona-Fallzahlen schon in wenigen Tagen neue Lockerungen einzuführen. "Das Virus richtet sich nicht nach dem Terminkalender. Auch nach dem 19. März müssen wir deshalb weiterhin mit Vorsicht unterwegs sein“, sagte NRW-SPD-Chef Thomas Kutschaty dieser Redaktion.
Mit Ablauf des 19. März fallen die bundesgesetzlichen Grundlagen für eine Vielzahl der derzeit bestehenden Maßnahmen weg. Der Bund plant, ab dem 20. März ein geändertes Infektionsschutzgesetz in Kraft zu setzen, mit dem die Corona-Regeln stark eingeschränkt werden. Die Länder sollen allerdings eine „Hotspot“-Regelung bekommen, die es ihnen zum Beispiel erlaubt, Vorschriften für das Tragen von Schutzmasken zu machen. Was das für NRW bedeutet, ist noch unklar. Das NRW-Gesundheitsministerium „beobachtet“ aber mit Sorge die angespannte Pandemielage und kritisiert die Pläne des Bundes. Gegenwärtig sei damit „kein effektiver Basisschutz“ sichergestellt.
Neues Infektionsschutzgesetz: NRW-Ministerpräsident Wüst sieht Corona-Schutz gefährdet
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes in der Corona-Pandemie am Freitag scharf kritisiert. „Weitgehend flächendeckend verabredete Basisschutzmaßnahmen und bewährte Instrumente der Pandemiebekämpfung werden abgeschafft, stattdessen zeichnet der Entwurf einen Flickenteppich an Regeln vor, den die Menschen kaum verstehen werden“, sagte Wüst der Zeitung „Welt“.
Wüst sagte, mit den geplanten Gesetzesänderungen lasse die Bundesregierung die Länder allein und ignoriere ihren eigenen Expertenrat. „Dessen jüngste Stellungnahme ist glasklar: Zur Pandemiebekämpfung braucht es kurze Reaktionszeiten“, sagte Wüst. „Der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung birgt die Gefahr des exakten Gegenteils: lange Verfahren statt schnellem und rechtssicherem Handeln“, sagte Wüst, der derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist. Mehrere Bundesländer hatten den Entwurf bereits kritisiert.
Stark steigende Infektionszahlen auch in NRW
„Ein gut funktionierender Basisschutz ist das Mindeste, was wir brauchen“, sagt auch SPD-Politiker Kutschaty. Die hierfür vorgesehenen Maßnahmen würden diesen Mindestschutz leider nicht bieten. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir auch weiterhin eine allgemeine Maskenpflicht nicht nur als Hotspot-Regelung, sondern als Basisschutz-Maßnahme beibehalten, also auch in Schulen. Aber das war mit der FDP nicht möglich“, so Kutschaty weiter.
Die Lage ist ernst. Die hohe Zahl von gut 50.000 Corona-Neuinfektionen auch am Freitag haben die Gesundheitsämter Nordrhein-Westfalens dem Robert Koch-Institut (RKI) innerhalb eines Tages gemeldet. Die am Donnerstag für NRW veröffentlichte Zahl von 50.016 neuen Fällen bedeutete einen Anstieg zum Donnerstag der Vorwoche um 12.842 Fälle und gegenüber dem Vortag um 7785 Fälle. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg am Freitag ebenfalls deutlich auf 1355,5 nach 981,0 vor einer Woche.
Bundesgesundheitsminister Lauterbach: "Die Lage ist viel schlechter als die Stimmung"
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rechtfertigte am Freitag das von ihm maßgeblich mitgeschriebene neue Bundes-Infektionsschutzgesetz. Das bisherige Gesetz habe nicht verlängert werden können, weil die Omikron-Variante die Lage deutlich verändert habe, da etwa Infektionen oftmals milder verlaufen; gleichwohl warnte Lauterbach, dass Omikron nach wie vor für bestimmte Bevölkerungsgruppen sehr gefährlich bis tödlich sein könnte, etwa für Ungeimpfte.
Lauterbach warnte zudem vor Sorglosigkeit im Umgang mit Corona: „Die Lage ist objektiv viel schlechter als die Stimmung“, sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin mit Blick auf wieder stark steigende Infektionszahlen. Der Bundesgesundheitsminister verteidigte jedoch die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Neuregelungen zu weiter möglichen Schutzmaßnahmen über den Frühling hinaus. Nach einem Entwurf für eine neue Rechtsgrundlage sollen allgemeine Basismaßnahmen möglich sein und weitergehende Eingriffsmöglichkeiten in „Hotspots“ mit kritischer Infektionslage. Hintergrund ist ein Beschluss von Bund und Ländern, dass zum 20. März alle weitgehenden Alltagsbeschränkungen wegfallen sollen.
Corona: Lauterbach plädiert weiterhin für allgemeine Impfpflicht
Lauterbach sagte, er erwarte wegen der Infektionslage solche „Hotspots“ in zahlreichen Bundesländern. Bereits in wenigen Tagen würden die künftig vorgesehenen Maßnahmen daher sehr schnell eingesetzt werden müssen. Er forderte die Landesregierungen auf, sich nicht mit Kritik an dem Gesetz aufzuhalten, sondern nun die Nutzung vorzubereiten. Mehrere Länder fordern mehr Schutzinstrumente.
Der Minister rechtfertigte es, dass weitergehende Beschränkungen an eine hohe Klinikbelastung oder gefährlichere Virusvarianten in einer Region geknüpft werden sollen. Solche Freiheitseingriffe müssten gerechtfertigt werden, um eine rechtssichere Regelung zu haben. Lauterbach betonte erneut, dass die allgemeine Impfpflicht unbedingt nötig sei, um neue breite Beschränkungen im Herbst zu vermeiden.
(mit dpa)