Peking. Präsident Xi Jinping fehlt beim Klimagipfel in Glasgow, sein Land steigert sogar die Kohleproduktion. Dabei hat Peking große Pläne.

Die UN-Klimakonferenz in Glasgow hielt viele Enttäuschungen bereit, doch die am heftigsten debattierte war das Fernbleiben von Xi Jinping. Der Staatschef des mit Abstand größten Klimasünders der Welt ließ nur eine schriftliche Stellungnahme verlesen.

Die Begründung aus dem Pekinger Außenministerium von Donnerstag wirkt unfreiwillig komisch: „Die Gastgeber der Konferenz haben nicht die Möglichkeit bereitgestellt, per Videokonferenz teilzunehmen“, heißt es. Als ob es am fehlenden Zoom-Link gescheitert wäre.

Xi Jinping fehlt bei der Klimakonferenz in Glasgow

Die Angelegenheit hat sich seither zur regelrechten Fehde zwischen den zwei Weltmächten entwickelt. US-Präsident Joe Biden bezeichnete die Abstinenz seines Amtskollegen aus China als „großen Fehler“. Pekings UN-Botschafter Zhang Jun hingegen holte auf Twitter zum Gegenschlag aus: „Was wir brauchen, sind Verpflichtungen und kontinuierliche Handlungen – und keine luxuriösen Autokolonnen, oder dass wir Menschen einem unnötigen Infektionsrisiko aussetzen“, schrieb der Diplomat. Lesen Sie dazu:Sauberer Strom bis 2035: Ist Joe Biden ein Klima-Präsident?

Dass Xi Jinping nicht nach Glasgow reiste, hat zwar vorrangig mit der Corona-Pandemie zu tun. Seit zwei Jahren hat das Oberhaupt der Kommunistischen Partei das eigene Land nicht mehr verlassen. Doch natürlich sendet der 68-Jährige damit ein Signal – dass Peking dem internationalen Politparkett immer weniger Bedeutung beimisst.

Chinas CO2-Ausstoß ist sogar 2020 noch gestiegen

Doch ohne China kann die internationale Staatengemeinschaft die globale Klimakrise nicht meistern. Seit über einem Jahrzehnt bereits konsumiert die Volksrepublik so viel Kohle wie der Rest der Welt zusammen.

Und die jüngsten Entwicklungen sind alarmierend: Während die weltweiten CO2-Emissionen aus fossilen Energien wegen der Corona-Maßnahmen im Jahr 2020 um 5,4 Prozent gesunken sind, ist Chinas Anteil sogar noch deutlich gestiegen. Das Reich der Mitte war für 31 Prozent des globalen Ausstoßes von Treibhausgasen verantwortlich, berichtete der Forschungsverbund Global Carbon Projects am Donnerstag. 2019 waren es 27 Prozent.

China gilt als weltweit größter Klimasünder. Präsident Xi Jinping blieb der Konferenz in Glasgow dennoch fern – oder gerade deshalb.
China gilt als weltweit größter Klimasünder. Präsident Xi Jinping blieb der Konferenz in Glasgow dennoch fern – oder gerade deshalb. © imago images/Xinhua | Li Xueren via www.imago-images.de

Peking zieht sich in die Opferrolle zurück

Natürlich ist dies nur eine Seite der Medaille: China hat eine Bevölkerung von 1,4 Milliarden, pro Kopf ist der Energieverbrauch noch deutlich geringer als etwa in den Vereinigten Staaten. Zudem liegt das Wohlstandsniveau der Volksrepublik nur bei etwa einem Drittel im Vergleich zur Europäischen Union.

Und doch ist es enttäuschend, dass sich China scheinbar aus der Verantwortung zieht und in die Opferrolle schlüpft. In der Parteizeitung „Global Times“ heißt es am Donnerstag: „Die Bürger der entwickelten Länder haben die Vorteile der Industrialisierung auf Kosten der Umwelt genossen.“ Nun würden diese jedoch von Entwicklungsländern verlangen, ihre industrielle Entwicklung zu stoppen, um die Klimaziele zu erreichen.

Bis 2060 will China CO2-neutral sein

Dabei hat Chinas Regierung ambitionierte Ziele verkündet: Bis 2030 will Peking seinen Höchststand an CO2-Emissionen erreicht haben, bis 2060 vollkommen schadstoffneutral sein. Das bedeutet: Jede Emission, die ab diesem Zeitpunkt in China ausgestoßen wird, muss anderswo kompensiert werden.

Wie schwierig dies wird, lässt sich im Norden Chinas beobachten. In den 900 Kohleminen der Provinz Shanxi sind Hunderttausende Bergleute beschäftigt, rund sechs Prozent der Bevölkerung hängt von der Industrie ab. Mittelfristig stehen die Kumpel vor einer ungewissen Zukunft, doch noch müssen sie sich nicht sorgen: Denn inmitten der größten Energiekrise seit über einem Jahrzehnt hat Chinas Vizepremier Han Zheng nun angeordnet, die Kohleproduktion bis zum Anschlag anzukurbeln.

Erneuerbare Energien machen nur zehn Prozent aus

Erneuerbare Energien sind zwar zweifelsohne ein großes Thema in China, aber noch machen die nicht mehr als neun oder zehn Prozent des gesamten Energie-Mix aus. Kohle dominiert nach wie vor“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking. Bis auf Weiteres werden über 60 Prozent des Energiebedarfs mit Kohle gedeckt.

Dies wird sich erst ändern, wenn die Kapazitäten für erneuerbare Energien den Kohleausstieg abfedern können. Tatsächlich investiert China massiv in Solarzellen, Windturbinen und Wasserkraftanlagen. Die Summen, die Peking bereitstellt, stellen auch die Beiträge der EU deutlich in den Schatten. Und doch ist das Tempo zu langsam, denn parallel zum Ausbau nachhaltiger Energien wächst der Stromverbrauch. Lesen Sie dazu:Kampf gegen Klimawandel: Welche Länder Vorbild sind

Muss China sein Wirtschaftsmodell ändern?

Mittelfristig wird es China auf seinem Pfad zur Nachhaltigkeit schwer haben, wenn es nicht sein Wirtschaftsmodell ändert. Fast 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden im Bausektor oder in Industriebranchen generiert. Dies hat dem Land auch im Corona-Jahr eine rasche Erholung beschert: Die Fabriken produzierten Waren für den Export, die Arbeiter wurden mit dem Bau von Infrastruktur und Wohnhäusern beschäftigt.

Doch immer mehr wird klar, dass diese Art von Wachstum Raubbau an der Natur ist. Nirgendwo ist das deutlicher zu beobachten als dieser Tage in Peking: Wer dort aus dem Fenster blickt, kann vor lauter Smog kaum mehr die Novembersonne ausmachen.