Berlin. Amerikas Staatschef hat hochfliegende Pläne für den Klimaschutz. Doch der Kongress blockiert. Vor allem ein Demokrat schießt quer.
Gäbe es einen „Oscar“ für grüne Politik, US-Präsident Joe Biden hätte ihn im April bekommen. Der Nachfolger des Klimawandel-Leugners Donald Trump hatte einen Premium-Plan für ökologisches Wirtschaften vorgelegt. Die Welt horchte auf.
Biden kündigte im Frühjahr an, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 50 bis 52 Prozent gegenüber 2005 zu verringern. Der Stromsektor sollte bis 2035 CO2-frei werden – für den Industrie-Giganten Amerika eine Klimaschutz-Revolution. Zudem hatte sich Biden auf die Fahnen geschrieben, den Spritverbrauch von Autos zu senken und viel Geld in neue Infrastruktur zu pumpen.
Lob von Klimaschützern: Biden macht „wichtigen Schritt vorwärts“
Klimaschützer lobten die US-Initiative. Der „Climate Action Tracker“, der von den Denkfabriken New Climate Institute und Climate Analytics betrieben wird, sprach von einem „wichtigen Schritt vorwärts“. Der Atmosphäre würden bis 2030 pro Jahr bis zu 2,4 Milliarden Tonnen CO2 erspart. Das sei zwar noch nicht genug, um den US-Beitrag zur Deckelung des weltweiten Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad zu erfüllen – aber immerhin.
Der Fanfarenstoß aus Washington riss andere Länder mit, ihre Klimaziele zu erhöhen. Großbritannien hatte bereits zuvor angekündigt, die Kohlendioxid-Emissionen bis 2035 um 78 Prozent zu senken. Japan peilte die Reduzierung von 46 Prozent gegenüber 2005 an. Kanadas Premier Justin Trudeau versprach, sein Land werde bis 2030 nicht nur 30, sondern 40 bis 45 Prozent weniger CO2 verursachen.
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Biden stand beim Klimagipfel in Glasgow mit leeren Händen da
Amerika, so schien es, wird mit Biden ein neuer Pionier der Nachhaltigkeit. Der 78-Jährige war mit seinen hochfliegenden Plänen auf dem besten Wege, als Klima-Präsident in die Geschichte einzugehen. Und heute? In den Mühen der Ebene sind die Blütenträume des Staatschefs ziemlich angewelkt.
Bidens Klima- und Sozialpaket hängt seit Wochen im Kongress. Zum Auftakt des COP26-Gipfels in Glasgow stand der US-Staatschef mit leeren Händen da. Widerstand kommt nicht nur von den oppositionellen Republikanern, sondern auch von einigen konservativen Demokraten.
Innenpolitischer Streit: Regierung hat Klimapaket auf 1,75 Billionen Dollar halbiert
Ihnen war das anvisierte Gesamtvolumen von 3,5 Billionen Dollar viel zu teuer. Im innenpolitischen Streit hat der Präsident sein Programm bereits auf 1,75 Billionen Dollar zusammengestrichen. Trotzdem liegt das Vorhaben in den Parlamentskammern auf Eis.
Zur Finanzierung seines Vorhabens beabsichtigte Biden eigentlich, die Unternehmensteuer von 21 auf 28 Prozent zu erhöhen. Doch dafür gab es keine Mehrheit im Kongress. Nun will der Präsident eine Mindestbesteuerungvon Konzernen sicherstellen – so wie es 136 Staaten unter dem Dach der Industrieländerorganisation OECD beschlossen haben.
Ausgerechnet ein demokratischer Senator kämpft für die Kohle
Zudem sollen Multimillionäre und Milliardäre höher besteuert und Steuerschlupflöcher geschlossen werden. In der Summe würde dies nach Schätzungen des Weißen Hauses knapp zwei Billionen Dollar einbringen – mehr, als für das Sozial- und Klimapaket gebraucht würde.
Bei der Front gegen das Klimapaket des Präsidenten spielt ausgerechnet ein Mann aus Bidens eigener Partei eine Schlüsselrolle. Der demokratische Senator Joe Manchin aus dem Bergbau-Bundesstaat West Virginia kämpft für die Kohle. Ohne Manchin, erzkonservativer Katholik und stolzer Waffenbesitzer, haben die Demokraten im Senat keine Mehrheit.
150 Milliarden Dollar schweres Anreizprogramm für die Wirtschaft vor dem Aus
Die rund 20.000 Bergarbeiter in West Virginia, zweitgrößter Kohleproduzent der USA, liegen Manchin besonders am Herzen. Deshalb läuft er Sturm gegen ein zentrales Element von Bidens Klimapolitik. Ein 150 Milliarden Dollar schweres Anreizprogramm für die Wirtschaft lehnt Manchin rundweg ab. Damit sollten Energieversorger ermuntert werden, die Stromproduktion aus Sonne, Wind und Kernkraft umzustellen.
Begründung des 74-Jährigen: Private Versorgungsunternehmen müssten nicht mit Steuergeldern zum Ausbau erneuerbarer Energien gebracht werden, weil sie diesen Weg ohnehin gingen. Eine Marktgläubigkeit, die durch die Wirklichkeit nicht gestützt wird.
USA: Ist Biden ein guter Klimapräsident?
Manchin, der auch Vorsitzender des Energieausschusses im Senat ist, verfolgt mit seiner Torpedierung von Bidens Klimakurs offenbar auch eigene Interessen. Im vergangenen Jahr erhielt er knapp eine halbe Million Dollar Dividenden von der Kohlefirma Enersystems – ein Betrieb, den er einst gegründet und später an seinen Sohn übergeben hatte. Die britische Zeitung „Guardian“ verpasste dem widerspenstigen Senator das Etikett eines „Kohlebarons“.
Ist Biden ein guter Klima-Präsident? Die Antwort fällt gemischt aus: Im Prinzip ja, aber. Er hat hehre Ziele, die jedoch in den Mühlen des innenpolitischen Räderwerks zum Teil zerpflückt werden. Die USA, so scheint es, bleiben ihrer Hü-hott-Tradition in der Umweltpolitik treu.
„Die USA sind wie eine Wetterfahne – seit 30 Jahren bläst ständig ein anderer Wind“
Präsident George W. Bush war 2001 aus dem Kyoto-Protokoll ausgestiegen. Sein Nachfolger Barack Obama legte die erste ehrgeizige Klimaagenda des Landes auf, wurde danach aber ausgebremst. Biden droht mit seinem Vorstoß ein ähnliches Schicksal. „Die USA sind wie eine Wetterfahne – seit 30 Jahren bläst ständig ein anderer Wind“, resümiert der Energieexperte Alden Meyer.
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