Brüssel. Europa soll klimaneutral werden – und die EU-Kommission bereitet ein großes Gesetzespaket vor. Autofahren und Fliegen werden teurer.
Jetzt kommt eine dicke Rechnung für den Klimaschutz: Fliegen wird in der EU teurer, Tanken auch, der Verbrennungsmotor steht vor dem Aus, für die Industrie gibt es kostspielige Auflagen.
So sehen es die Brüsseler Pläne vor, mit denen Europa die ehrgeizigen Klimaziele umsetzen soll – und die nicht nur die deutsche Autoindustrie in Aufregung versetzen. Die EU-Kommission entscheidet am Mittwoch über das Paket mit zwölf Gesetzesentwürfen. Unsere Redaktion hat diese vorab eingesehen.
Fazit: Es wird ein Kraftakt. Schärfere Klimaziele zu beschließen, war noch einfach – 2050 soll das vereinte Europa klimaneutral sein, dafür soll bis 2030 der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden. Aber die Umsetzung wird schwer. Zentrale Vorhaben:
Das Ende des Benzin-Autos
Ab 2035 sollen alle Neuwagen ohne jeden CO-Ausstoß angetrieben werden, so das Konzept des verantwortlichen Klimakommissars Frans Timmermans. Für Benzin und Diesel ist dann Schluss, auch für Plug-in-Hybride; höchstens teure synthetische Kraftstoffe, hergestellt mit Ökostrom, wären dann in Verbrennungsmotoren erlaubt.
In der Praxis bedeutet der Plan den fast vollständigen Umstieg auf Elektroautos. „Das ist quasi das Verbot des Verbrennungsmotors“, sagt die Präsidentin des Verbands der deutschen Autoindustrie (VDA), Hildegard Müller. „So werden Innovationspotenziale abgeschnitten und die Wahlfreiheit der Verbraucher beschränkt.“ Auch interessant: So dramatisch ändert sich das Wetter in Ihrer Region
Als Zwischenschritt soll bis 2030 der CO2-Ausstoß bei neuen Pkw bereits um 60 Prozent gegenüber 2021 reduziert werden. Für Deutschland bedeutet das, dass 2030 „fast nur noch E-Autos“ auf den Markt kommen könnten, warnt Müller.
Kritiker hoffen, dass die Kommission in letzter Minute das Nullemissionsziel für 2035 aufweicht. Unwahrscheinlich: Neuwagen, die 2035 zugelassen werden, sind im Schnitt mindestens bis 2050 im Einsatz – dem Jahr, in dem die EU klimaneutral sein will.
Erst wird Benzin teurer
Die Kommission plant die strengen Vorgaben, obwohl gleichzeitig auch für den Verkehrs- und Gebäudebereich der Emissionshandel eingeführt werden soll. Dies wird unter anderem die Benzin- und Gaspreise zügig erhöhen. Das lässt sich in Deutschland beobachten, wo Verkehr und Gebäude bereits seit Jahresanfang in den Emissionshandel einbezogen sind.
Ladesäulen-Pflicht: Alle EU-Staaten müssen eine ausreichende Ladesäulen-Versorgung für E-Autos aufbauen. Damit folgt Brüssel Forderungen der Autobauer.
Kerosinsteuer kommt: Auf umweltschädliches Kerosin wird bei innereuropäischen Flügen ab 2023 stufenweise eine Steuer erhoben. Das dürfte Flugtickets bei Reisen in Europa in vielen Fällen verteuern. Die Luftfahrtbranche ist auf den Barrikaden, warnt vor massiven Wettbewerbsverzerrungen. Lesen Sie auch:So umweltschädlich ist Fliegen wirklich
Industrie zahlt mehr für CO2
Die Wirtschaft muss vor allem rasch steigende Kosten für ihren CO-Ausstoß fürchten. Die Emissionsrechte, die rund 12.000 Unternehmen der Industrie, Energieversorger und Luftfahrt schon jetzt pro Tonne CO-Ausstoß benötigen, gibt es zum Teil noch umsonst, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Die EU will die Unternehmen zu mehr Klimaschutz zwingen und dafür das Angebot an Emissionsrechten schneller verringern; kostenlose Zertifikate werden schrittweise abgeschafft werden, spätestens im Jahr 2035 wäre endgültig Schluss. Es wird also teurer. Mehr zum Thema: Die größten CO2-Sünder auf der Erde
Der Verband der Chemischen Industrie warnt: „Die Kluft zu anderen Industrieregionen bei den Klimaschutzkosten wird noch größer. So droht ein klimaneutrales Europa ohne Industrie.“ Auch die Stahlindustrie ist hoch besorgt. Allerdings will die EU mit einer Art Klimazoll Importe verteuern, die ohne solche Auflagen hergestellt werden – zunächst für Stahl, Aluminium, Strom und Düngemittel.
Die EU setzt auf erneuerbare Energien
Der Anteil an erneuerbarer Energie soll massiv ausgebaut werden, das Ziel für 2030 wird von 32 Prozent auf 38 bis 40 Prozent erhöht – doppelt so viel wie heute. Vor allem beim Heizen und Kühlen sollen Erneuerbare viel größere Bedeutung bekommen.