Berlin. Auf der Ministeriums-Liste stehen Politiker, die Masken-Deals vermittelt haben sollen. Doch viele haben wohl nur Hinweise gegeben.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sein Versprechen wahr gemacht: Am Dienstagmittag sandte sein Ministerium dem Gesundheitsausschuss des Bundestags eine Liste mit den Namen von insgesamt 40 Abgeordneten, die 2020 Hinweise zu Produzenten von medizinischer Schutzkleidung gegeben hatten, mit denen das Ministerium Verträge abschloss. Die Liste sagt nichts darüber aus, ob die Vermittlung ohne oder mit Provision zu Stande kam – und ob der Kontakt vor oder erst nach dem Vertragsabschluss entstand. Letzteres sorgt jetzt für Ärger.

Im Frühjahr 2020 hatte der Ausbruch der Pandemie in Deutschland zu einem dramatischen Mangel an Schutzausrüstung geführt. Krankenhäuser und Labore schlugen Alarm: Ohne Ausrüstung würde bald bei ihnen der Betrieb zusammenbrechen. Das Bundesgesundheitsministerium erreichten damals Tausende von Hinweise aus der ganzen Welt, wie und wo trotz des Notstands noch Masken verfügbar seien.

Masken-Verträge: 150 Hinweise von Bundestagsabgeordneten

Rund 150 solcher Meldungen kamen aus dem Bundestag. Viele Abgeordnete leiteten die Adressen von Firmen aus ihrem Wahlkreis weiter, die sich bei ihnen gemeldet und angeboten hatten, Masken zu produzieren. Das ist zunächst ein normaler Vorgang.

Doch vor ein paar Wochen kam dann heraus, dass mehrere Abgeordnete der Union für die Vermittlung solcher Maskendeals offenbar hohe Provisionen erhalten hatten. So soll der inzwischen aus der Partei ausgetretene frühere CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein rund 660.000 Euro Provision für die Vermittlung von Aufträgen mit medizinischer Schutzkleidung bekommen haben. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt.

Folge der Masken-Affäre: Spahn veröffentlicht Liste mit Namen

Spahn hatte daraufhin angekündigt, die Namen transparent machen zu wollen – auch um den Verdacht auszuräumen, hier sollten Geschäfte vertuscht werden. Für die Aufarbeitung zog das Ministerium einen unabhängigen Sachverständigen heran, Matthias Rossi, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Augsburg. Er gab Empfehlungen zur Aufarbeitung und Veröffentlichung der Liste. Auf dieser sind jetzt nicht nur alle Abgeordnete genannt, sondern ihnen auch die Firmen zugeordnet, die Verträge mit dem Ministerium über die Lieferung von Schutzkleidung unterhielten.

Alle Abgeordneten wurden vor der Veröffentlichung kontaktiert. Die meisten sollen damit einverstanden gewesen sein, zwei lehnten ab, mehrere andere nannten Bedingungen für eine Veröffentlichung. Aus dem Ministerium heißt es, man habe zwischen dem Informationsrecht der Medien, den Rechten der Abgeordneten und auch dem Anspruch auf Wahrung des Geschäftsgeheimnisses seitens der Unternehmen sorgfältig abgewogen und sich schließlich für die Veröffentlichung entschieden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) spricht im Bundestag.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) spricht im Bundestag. © Kay Nietfeld/dpa | Kay Nietfeld/dpa

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Nüßlein steht auf der Liste – aber auch Christian Lindner und Peter Altmaier

Nüßleins Name steht auf der Spahn-Liste (mit insgesamt vier Firmen), aber auch FDP-Chef Christian Lindner und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Mit den meisten Firmen ist dort aber Bundesgesundheitsminister Spahn selbst verzeichnet. Denn bei ihm trafen die meisten Hinweise zu Masken ein. Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß taucht mit sechs Firmen in der Liste auf.

Er sei im Rahmen seiner Unternehmersprechstunde im Wahlkreis darauf hingewiesen worden, „dass Maskenrechnungen des Gesundheitsministeriums nicht beglichen wurden“, sagte Ploß auf Anfrage dieser Redaktion: „Da hier Arbeitsplätze und Existenzen betroffen waren, habe ich auf diesen Umstand gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium hingewiesen. Selbstverständlich habe ich für die Nachfrage beim Ministerium keinerlei Gegenleistung erhalten.“ Mit der vorherigen Auftragsvergabe habe er nichts zu tun gehabt.

Liste zu Masken-Vermittlung: Auf Missverständnisse angelegt?

Ploß zählte deshalb zu jenen Abgeordneten, die dem Ministerium vorgeschlagen hatten, bei einer Veröffentlichung zu vermerken, ob sich der Kontakt auf die Vermittlung eines Auftrags oder auf eine Nachfrage wegen einer unbezahlten Rechnung bezog. Dass sich das Ministerium dagegen entschied, hat ihn gewundert.

In einer der Liste vorangestellten Erklärung wird lediglich darauf hingewiesen, dass „überwiegend Kontakte nach Vertragsabschluss zu verzeichnen waren“. Auch lägen dem BMG „keine Anhaltspunkte vor für ein Fehlverhalten, Provisionszahlungen oder die Gewährungen anderer Vorteile sowie eine illegitime Einflussnahme auf das Handeln des Ministeriums“.

Spahns Liste löst Empörung im Parlament aus

Andere Parlamentarier machen aus ihrer Empörung keinen Hehl. „Es ist traurig, dass das Bundesgesundheitsministerium nicht in der Lage ist, differenzierter zu arbeiten. Diese plumpe Liste des Bundesgesundheitsministeriums erweckt missverständliche Eindrücke, weil dort stumpf Name unter Name gesetzt wird, ohne im geringsten auf die Einzelfälle einzugehen“, sagte die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz, die ebenfalls auf der Liste steht, dieser Redaktion.

Lindholz hat nach eigenen Angaben wie Ploß „lange nach Vertragsabschluss, der ohne meine Beteiligung zustande gekommen war, auf Bitten eines mittelständischen Unternehmens aus meinem Wahlkreis“ beim Ministerium wegen nicht erfüllter Zahlungsverpflichtungen nachgefragt. Das sei „ein himmelweiter Unterschied zu den unsäglichen Fällen, in denen sich Abgeordnete unter dem Druck einer akuten Notlage bei der Vertragsanbahnung bereichert haben“, sagte Lindholz.

Besonders befremdet ist mancher in der Unionsfraktion, weil Berichten zufolge Spahn selbst in einer Fraktionssitzung dazu aufgefordert haben soll, sich beim Ministerium zu melden, wenn Abgeordnete von Unternehmen wüssten, die für ihre Lieferungen noch kein Geld erhalten hätten. Nun fände man sich auch mit solchen Hinweisen in der Liste wieder.

Bundesgesundheitsministerium wollte für „größtmögliche Transparenz“ sorgen

Auch der gelistete SPD-Bundestagspolitiker Johannes Fechner übte scharfe Kritik an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Es ist ein Unding von Minister Spahn, mich und andere Abgeordnete auf eine Liste zu stellen mit Politikern der Union, die offenbar mit Masken-Deals Geschäfte gemacht haben und womöglich Straftaten begangen haben“, sagte SPD-Politiker Fechner dieser Redaktion.

Missverständnisse hätte man „sehr leicht umgehen“ können, indem die Liste aufzeige, „wer sich erst nach Vertragsschluss als Abgeordneter für eine Firma eingesetzt hat. Leider ist das nicht passiert“, so Fechner. Auch er habe erst nach Vertragsabschluss auf Bitten einer Firma Kontakt zum Ministerium aufgenommen, weil Rechnungen offen waren: „Das alles natürlich ohne Geld oder andere Leistungen erhalten zu haben.“

Aus dem Ministerium heißt es, man habe mit der Liste „größtmögliche Transparenz“ schaffen wollen.

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