Berlin. Die Maskenaffäre um die Abgeordneten Löbel und Nüßlein zieht die Union herunter - und all das zum Auftakt des Superwahljahres 2021.

Diese Woche verbringt Ralph Brinkhaus damit, nach Dealern in den eigenen Reihen zu suchen. „Zweifelsfälle“ nennt er sie. Der Chef der Unions-Fraktion im Bundestag will wissen, ob sich neben Georg Nüßlein (CSU) und Nikolaus Löbel (CDU) weitere Abgeordnete am Corona-Krisenmanagement bereichert haben. „Wir führen nicht nur Gespräche, sondern wir verlangen auch entsprechende Auskünfte“, beteuert er.

Zu Beginn der Pandemie vor einem Jahr, als Masken Mangelware und zu überhöhten Preise verkauft wurden, ließ sich viel Geld verdienen. Nüßlein soll über 600.000 Euro und Löbel 250.000 Euro an Provisionen kassiert haben.

Maskenaffäre: Findet Brinkhaus weitere Zweifelsfälle in der Fraktion?

Der „Spiegel“ weiß von fast zwei Dutzend Volksvertretern, die bei Deals hilfreich waren. Wie aus einem lecken Wasserhahn kann das Magazin einen Fall nach dem anderen tröpfeln lassen. Brinkhaus aber will wieder Herr des Geschehens werden.

In einem Brief an die Abgeordneten kündigen er und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt Konsequenzen an: Neben der Aufklärung strengere Pflichten zur Offenlegung von Nebentätigkeiten- und Einkünften und einen Verhaltenskodex. Ein Compliance-Beauftragter soll die Einhaltung der Maßnahmen sicherstellen.

Die Fraktion will einen Compliance-Beauftragten installieren

Wer Abgeordneter sei, „muss sich dabei allein am Nutzen für das Gemeinwohl orientieren“. Weiter schreiben Brinkhaus und Dobrindt, „zur Wahrheit gehört aber auch, dass einige Mitglieder unserer Fraktion diesem moralisch-ethischen Anspruch nicht gerecht geworden sind“. Der geschäftsführende Vorstand wolle sicherstellen, „dass sich Vorgänge, wie wir sie in den letzten Wochen erfahren mussten, zukünftig nicht mehr ereignen können“.

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Zum Verhaltenskodex werden keine Details genannt. Er solle „deutlich“ über das hinausgehen, „was rein rechtlich von Mitgliedern des Deutschen Bundestages erwartet wird“. Beide kündigen ein „Anforderungs- und Sanktionsregime“ an, das klar definiere, welches Verhalten mit der Fraktionsmitgliedschaft vereinbar sei. Auszuschließen seien für Abgeordnete entgeltliche Beratungs- und Vermittlungstätigkeiten, die in einem direkten Zusammenhang mit dem Aufgabengebiet stünden, das in der Fraktion betreut werde. Man werde „umgehend Vorschläge unterbreiten, mit denen wir die Transparenz von Nebentätigkeiten erhöhen.“

Eine Belastung für die Wahlkämpfer in zwei Ländern

Darin enthalten seien so genannte wesentliche Unternehmensbeteiligungen. Darüber hinaus wolle man den Grenzwert von 10.000 Euro, ab dem Parteispenden in Rechenschaftsberichten aufgeführt werden, „deutlich absenken.“

Brinkhaus empfindet die Aufräumarbeiten als Bringschuld, gegenüber der Mehrheit der Abgeordneten wie gegenüber der eigenen Partei. Sie führt in zwei Bundesländern Wahlkampf. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wird am Sonntag gewählt.

Im Ländle sah es für die CDU schon vor der Affäre düster aus. Zuletzt lag sie laut „Forschungsgruppe Wahlen“ elf Prozentpunkte hinter den Grünen. Löbel kommt aus Mannheim. Die Partei ist hat erreicht, dass er austritt und das Mandat niederlegt.

Für ihn ist es auch eine Bringschuld, gegenüber der Mehrheit der Abgeordneten wie gegenüber der eigenen Partei. Sie führt in zwei Bundesländern Wahlkampf. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wird am Sonntag gewählt. Im Ländle sah es für die CDU schon vor der Affäre düster aus. Zuletzt lag sie laut „Forschungsgruppe Wahlen“ elf Prozentpunkte hinter den Grünen. Löbel kommt aus Mannheim. Die Partei ist direkt gefordert und erreicht, dass er austritt und das Mandat niederlegt.

„Höchst unanständig, beschämend und moralisch verwerflich“

In Rheinland-Pfalz, wo die Christdemokraten noch Ende Februar vor der regierenden SPD lagen, zuletzt aber ins Hintertreffen geraten waren, könnte die Affäre wahlentscheidend sein. Schon bei der letzten Wahl brachte ein Ereignis in Berlin, die Flüchtlingskrise, die Landes-CDU von der Siegerstraße ab. Spitzenkandidat Christian Baldauf ist angefasst, die Geschäfte seien „höchst unanständig, beschämend und moralisch verwerflich“, klagt er.

Für den Wahlforscher Matthias Jung geht von der Affäre „ein ganz verheerendes Signal“ aus, zumal in einer Situation, „in der die Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement durch Mangelerscheinungen gekennzeichnet ist“, analysiert er im „Mannheimer Morgen“. Wenn Abgeordnete ihre Beziehungen für private Profite nutzten, seien die Grundlagen der demokratischen „erschüttert“, meint Jung.

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Bei der Maskenaffäre geht es um politische Hygiene

Die Masken Gefordert sind auch die Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten Markus Söder (Bayern) und Armin Laschet (Nordrhein-Westfalen). Söder führt die CSU seit zwei Jahren an, Laschet die CDU seit etwa zwei Monaten. Mit ihnen Namen verbindet sich ein Dualismus. Bisher ging es um das Corona-Krisenmanagement und eine Kanzlerkandidatur. Unversehens kommt eine dritte Prüffrage hinzu: Wer räumt am besten auf?

Laschet argumentiert moralisch. Man dürfe „nicht einen einzigen Cent“ an der Krise verdienen. Es geht ihm um Vertrauen, politische Hygiene. In Verlegenheiten gerät er auch, weil ein wichtiger Partner Teil des Problems werden könnte: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Er hatte die Masken erst unterbewertet, um sie dann in aller Eile zu beschaffen, im Nachhinein betrachtet: fast um jeden Preis.

Eine unglückliche Figur: Gesundheitsminister Jens Spahn

Zu spät bei den Masken, bei den Impfungen und bei den Schnelltests. Das ist der Vorwurf, der an Spahn festgemacht wird. Sein Ministerium musste Beschaffungen in Milliardenhöhe stemmen, schnell, pragmatisch, unbürokratisch. Dass sich viele Glücksritter auf den Plan gerufen fühlten, darf man annehmen; ebenso, dass Spahns eines Tages viel zu erklären haben würde.

Söder muss weniger Rücksichten als Laschet nehmen. Wie er auf dem Tennisplatz spielt, so agiert er auch in der Politik, er geht in die Offensive, in die Vorhand. Er hat Nüßlein „parteiliche Konsequenzen“ angedroht. Reinen Tisch könnte der Parteifreund machen, wenn er die Provisionen spendet und sein Mandat abgibt.

Abgeordneten versilberten die Nähe zur Regierung

Bislang will Nüßlein nur die Fraktion verlassen, aber im Parlament bleiben. Er folgte aber Löbels Beispiel und trat aus seiner Partei aus, der CSU. Fraktionschef Brinkhaus hat „keine Handhabe, wer Mitglied im Deutschen Bundestag ist“. Das sei „eine moralische Frage“. Die Entscheidung liege ausschließlich bei Nüßlein, sagt auch Söder, fügt aber hinzu: „ja, ich fände eine Mandatsaufgabe jetzt besser“.

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Provisionen sind für Vermittler von Geschäften in der Wirtschaft üblich; ebenso, dass Abgeordnete Türen öffnen und sich für ihre Wahlkreise engagieren. Krisen bringen oft Gewinner hervor. Eine rote Linie haben Nüßlein und Löbel nach dem Geschmack ihrer Kollegen übertreten, weil sie sich persönlich bereichert und ihre Nähe zu den Schaltstellen der Macht versilbert haben.

Transparency fordert Konsequenzen

Die „Nähe“ ist bei der Union der wunde Punkt und der Grund, warum die Grünen-Fraktionsmanagerin Britta Haßelmann sagt, das Ganze hat System. Die Häufung von Fällen hat Brinkhaus „auch überrascht – und zwar sehr, sehr negativ“.

Überraschend sollte es nicht sein. Die Union regiert seit 16 Jahren, seit acht Jahren stellt sie den Gesundheitsminister; naturgemäß haben die „eigenen“ Abgeordneten einen privilegierten Zugang, der sich als ausgesprochen profitabel herausstellen kannt. Das heißt für Brinkhaus, „dass wir noch sorgfältiger damit umgehen müssen als andere, die nicht in der Regierung sind. Und das muss jetzt unser Anspruch sein.“

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Verquickung von Lobby und Mandat

in Für den Vorsitzenden von „Transparency International“, Hartmut Bäumer, verdeutlichen die Fälle, „dass es hinsichtlich der Nebentätigkeiten von Abgeordneten an einer wirklichen Transparenz und nötigenfalls Sanktionsmöglichkeit fehlt.“ Die vorteilhafte Verquickung von Lobby und Mandat wie bei Nüßlein und Löbel sei „ein besonders krasser Fall von Missbrauch anvertrauter Macht“, sagt er unserer Redaktion.

Nebenverdienste müssen in nach Einnahmehöhe gestaffelten Kategorien angegeben werden, erläuterte er. Nur: Wenn die Gegenleistung für Lobbyismus an eine dritte Firma läuft, „fehlt es an einer transparenten Offenlegungspflicht ganz“. Nebenverdienste von Abgeordneten für ein Produkt, das von Ministerien gekauft werde, sollten unterbunden werden.

Geschäftemacherei mit der Krise schließt die SPD aus

Linken-Manager Jan Korte will nun die Gelegenheit nutzen, alle seine Abgeordneten „abzufragen“. Diese Redaktion hat auch bei seinen Amtskollegen nachgefragt. Bei Haßelmann heißt es, „unsere Abgeordneten kennen die Regeln“, die Grünen wüssten, „dass sie keine Vermögensvorteile für die Vertretung bestimmter Interessen entgegennehmen dürfen“.

Für ihren liberalen Kollegen Florian Toncar gibt es „keinerlei Hinweise darauf, dass es in der FDP-Fraktion Fälle unethischen Verhaltens wie in der Union oder auch nur Zweifelsfälle gibt.“ Carsten Schneider von der SPD mahnt, die Geschäftemacherei mit der Krise beschädige Politik und Parlament. Schneider legt sich fest: „Für die SPD-Fraktion kann ich das ausschließen.“