Essen. Ob Schwarz-Gelb oder Große Koalition: Die künftige Regierung hat ein Geldproblem. Dass wir auf Liebgewonnenes verzichten müssen, wie Wirtschaftsminister Guttenberg prophezeit, ist klar. Doch was kommt auf Bürger und Unternehmen nach der Wahl zu? Ein Blick in die Steuer-Glaskugel.

Was wohl dabei herauskommt, wenn zwei Herren, die die „wirtschaftliche Vernunft" qua Amt zu ihrer Ressortzuständigkeit zählen, über die Zeit nach der Bundestagswahl reden? „Sparen", „harte Einschnitte" und „Verzicht" – kurzum: Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ließen Sonntagabend in der ARD erstmals erahnen, dass angesichts der Neuververschuldung von 100 Milliarden Euro 2010 Grausamkeiten nicht ausbleiben werden – ganz gleich, ob Große Koalition oder Schwarz-Gelb künftig die Regierung stellen.

Tacheles geredet hat allerdings keiner von beiden, allenfalls im Ausschlussverfahren. So schloss Steinbrück eine Änderung des „Regelsatzes" der Mehrwertsteuer, der von der Großen Koalition auf 19 Prozent angehoben worden war, aus. Guttenberg kündigte den Verzicht auf „Liebgewonnenes" an. Es kommt also was auf Bürger und Unternehmen zu, aber was? Die WAZ schaut in die Glaskugel – ohne Gewähr für die Prognosesicherheit.

Mehrwertsteuer

Prophezeien harte Zeiten: Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (r.) und Bundesfinanzminister Peer Steinbrueck. Foto: ap
Prophezeien harte Zeiten: Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (r.) und Bundesfinanzminister Peer Steinbrueck. Foto: ap © AP

Die Anhebung der Verbrauchssteuer gilt nach der letzten Bundestagswahl als politischer Sündenfall – für die SPD, weil sie zuvor die Anhebung ausgeschlossen, dann aber zugestimmt hat; für die Union, weil sie mit dem Wahrheitswahlkampf um die Anhebung 2005 auf die Nase gefallen war. Was aber ist mit der Angleichung des ermäßigten Steuersatzes – der bei sieben Prozent liegt – auf den Regelsatz von 19 Prozent? Der ermäßigte Satz soll sicherstellen, dass sich alle Menschen bestimmte Dinge des täglichen Bedarfes leisten können. Inzwischen ist die Liste von Lobbygruppen auf über 50 Ausnahmetatbestände verlängert worden. Manche historische Begründung des niedrigeren Satzes ist heute schlicht lächerlich (Grafik). Rund 30 Milliarden Euro im Jahr machen die Vergünstigungen aus.

Wie heiß das Eisen ist, bekam Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) zu spüren. Im Juli hatte er vorgeschlagen, den ermäßigten Satz auf die Hälfte des regulären, also 9,5 Prozent, anzuheben – und war ebenso zurückgepfiffen worden wie der CDU-Finanzexperte Otto Bernhard, der sich eine Angleichung auf 18 Prozent vorstellen konnte.

Man darf gespannt sein, ob sich Rot-Schwarz an den reduzierten Satz wagt; auch bei Schwarz-Gelb ist eine Erhöhung nicht ausgeschlossen, schließlich handelt es sich bei den Ausnahmen um Subventionen – also auch Steuersubventionen, die die FDP bekämpft.

Kernbrennstoff-Steuer

Diese Steuer ist von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgeschlagen worden, sie brächte bei einem Cent je Kilowattstunde 1,6 Milliarden Euro im Jahr. Die CDU wies den Vorschlag zwar zurück, in der Energiebranche rechnet man im Falle einer Großen Koalition dennoch mit dieser Steuer: Es ist nicht gerade populär, sich für die Energiewirtschaft oder Atomkraftwerke einzusetzen. Das könnte auch Schwarz-Gelb zu denken geben.

Börsensumsatzsteuer

Diese Steuer ist von Schwarz-Rot quasi vorbereitet. Nachdem die SPD die Steuer vorgeschlagen hatte unter Verweis darauf, dass diejenigen, die zur Finanzmarktkrise beigetragen hätten, einen gesamtgesellschaftlichen Beitrag leisten sollten, zog die CDU nach: Eine solche Steuer solle international eingeführt werden. Sollte das aber misslingen – der Schritt zur nationalen Einführung ist jedenfalls nicht mehr groß. Die SPD hatte einen Satz zwischen 0,5 und 1,5 Prozent der Börsenumsätze ab 1000 Euro vorgeschlagen und erhofft sich daraus Einnahmen von bis zu drei Milliarden Euro pro Jahr. Im Falle von Schwarz-Gelb ist allerdings mit dem Widerstand der FDP zu rechnen.

Früherer Kohleausstieg

Im Jahr 2012 muss die Bundesregierung überprüfen, ob der Steinkohlebergbau spätestens 2018 auslaufen soll oder nicht. Beobachter erwarten im Falle von Schwarz-Gelb einen Ausstieg bereits im Jahr 2014 – unter der Bedingung, dass es zu keinen Kündigungen kommt. Das Geld dafür, so die Spekulationen, könnte durch den Verkauf von Evonik-Töchtern wie Steag und Immobilien in die Kasse kommen. Damit würden etwa zehn Milliarden Euro Subventionen für die Restlaufzeit des Bergbaus gespart. Unter einer Großen Koalition ist mit Widerstand der SPD zu rechnen.