Berlin. Der US-Präsident greift die demokratischen Institutionen an. Das ist brandgefährlich, findet Politik-Korrespondent Michael Backfisch.
Ja, man muss sich Sorgen machen um Amerika. Bei allen Kampagnen, die Präsident Donald Trump bislang gegen die Briefwahl gefahren hat, konnte man noch beschwichtigen: Der Chef des Weißen Hauses, der in den Umfragen hinten liegt, wollte aus taktischem Kalkül Zweifel säen. Sein demokratischer Herausforderer Joe Biden sollte geschwächt werden. Dessen Anhängern, von denen in Corona-Zeiten viele lieber per Brief abstimmen würden, wollte Trump die Motivation verhageln.
Vorbei! Diese Erklärungsversuche ziehen jetzt nicht mehr. Der Präsident hat es auf Nachfrage klipp und klar gesagt: Ein friedlicher Machtwechsel nach der Wahl am 3. November könne nicht garantiert werden. „Wir müssen abwarten, was passiert.“ Dahinter steckt nicht weniger als ein Frontalangriff gegen die Demokratie.
Trump offenbart diktatorische Allüren
Die Demokratie beruht auf dem heiligen Grundsatz, dass jedwede politische Macht geborgt und auf Zeit verliehen ist. Der höchste Souverän, der Wähler, entscheidet. Von seinem Votum hängt in der Demokratie alles ab. Trump tritt dieses Prinzip mit Füßen. Er hat sich eine Logik zurechtgebogen, die nur dem egoistischen Zweck des Machterhalts dient. Sie besteht aus zwei einfachen Gleichungen.
Erstens: Briefwahl ist Manipulation – obwohl es hierfür keinerlei Belege gibt. Einige US-Bundesstaaten wie Washington und Oregon haben seit vielen Jahren komplett auf Abstimmung per Post umgestellt. Zweitens: Ohne Briefwahl ist Trumps Macht in Erz gegossen. O-Ton des Präsidenten: „Es wird, offen gesagt, keinen Wechsel geben. Es wird eine Fortsetzung geben.“
Der amerikanische Staatschef offenbart damit diktatorische Allüren. Von Diktatur kann man nicht sprechen, solange die demokratischen Institutionen (noch) intakt sind. Es gibt nach wie vor zwei Parlamentskammern mit unterschiedlichen Mehrheiten. Die freie Presse mit Flaggschiff-Medien wie „New York Times“ oder „Washington Post“ nimmt immer noch ihren ureigensten Auftrag wahr: Sagen, was ist, und den Mächtigen auf die Finger schauen.
Das Schweigen der Republikaner ist gefährlich
Man darf sich allerdings nicht über Trumps Absichten täuschen. Er verachtet die demokratischen Institutionen, er will sie mit seinen Dauerangriffen weichklopfen. Es ist eben kein Zufall, dass der Präsident sich von den Autokraten der Welt angezogen fühlt: Wladimir Putin (Russland), Xi Jinping (China) oder Recep Tayyip Erdogan (Türkei).
Als sich Xi vom chinesischen Volkskongress 2018 eine Herrschaft auf Lebenszeit absegnen ließ, meinte Trump bei einer nicht öffentlichen Rede augenzwinkernd, aber keineswegs nur als Witz: „Vielleicht sollten wir das auch eines Tages versuchen.“
Die Zementierung seiner Macht begreift der Präsident als Prozess. Ein Hebel hierzu ist das US-Verfassungsgericht. Die im Eilverfahren durchgeboxte Nachbesetzung der Stelle für die Liberalen-Ikone Ruth Bader Ginsburg passt ins Bild. Trump will die oberste Kammer mit einer konservativen Kandidatin für viele Jahre auf Rechtskurs trimmen. Der Supreme Court wird so bei vielen gesellschaftspolitisch aufgeladenen Fragen wie Abtreibung, Einwanderung, Waffenrecht oder Rassismus zur entscheidenden Instanz.
Die harschen Töne Trumps haben das eigene Lager am Ende wohl aufgeschreckt. Der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, versicherte: „Es wird einen geordneten Übergang geben, so wie alle vier Jahre seit 1792.“ Und die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, schob nach, der Präsident werde „die Ergebnisse einer fairen und freien Wahl akzeptieren“. Ob das mehr ist als Begriffs-Kosmetik und ob sich Trump davon im Zweifelsfall beeindrucken lässt, bleibt allerdings die große Frage.
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