Washington. Das „Lincoln Project“ kritisiert Präsident Donald Trump in populären Videos. Das Besondere: Die Gruppe besteht aus Republikanern.

US-Präsident Donald Trump ist dafür bekannt, sich morgens in sein Twitter-Konto einzuloggen und seinen Gefühlen über das freien Lauf zu lassen, was ihm gerade auf die Nerven geht. Einen Ausbruch wie jenen, den er in der Nacht zum 5. Mai hingelegt hat, hatte es bis dahin jedoch selten gegeben.

Tags zuvor war ein Spot im Internet aufgetaucht, der Trumps Versagen im Angesicht des Coronavirus bloßlegte. Das Video gab dem Präsidenten die Schuld für den Tod Zehntausender Menschen sowie die Implosion der US-Wirtschaft. Sollte Trump im November wiedergewählt werden, so endete der Clip, könnte das das Ende von Amerika bedeuten.

An Trump-Kritik mangelt es bekanntlich nicht. Was den US-Präsidenten an jenem speziellen Werk jedoch besonders störte, war, dass es aus dem vermeintlich eigenen Lager kam: Urheber des Clips war das „Lincoln Project“, eine Gruppierung republikanischer Politiker, die sich Ende 2019 zusammengetan haben, um Trump zu stoppen.

„Lincoln Project“: Kritik an Donald Trump aus den eigenen Reihen

„Patriotismus und das Überleben unserer Nation sind eine höhere Berufung als Parteipolitik“, schrieb die Gruppe in einem Manifest, das die „New York Times“ veröffentlichte. „Als Amerikaner müssen wir uns gegen den Schaden stemmen, den Trump und seine Anhänger an der Rechtsstaatlichkeit, der Verfassung und am Charakter der Nation anrichten.“

Hinter dem Manifest stehen verdiente Anhänger aus Trumps eigener Partei. Der New Yorker Anwalt George Conway ist der Ehemann von Trumps Beraterin Kellyanne Conway. Steve Schmidt ist ein republikanischer Polit-Stratege, der die Kampagnen von George Bush, Arnold Schwarzenegger und John McCain mitgestaltet hat. John Weaver war ein Berater des ersten Präsidenten Bush, und Rick Wilson ist ein republikanischer Medienstratege.

Mehr zum Wahlkampf:

Bislang bestehen die Aktivitäten des Lincoln Projekts in erster Linie in der Produktion hocheffektiver Videos wie jenem zu Trumps Reaktion auf die Corona-Krise. Sie sind aktuell und schaffen es regelmäßig, Trump unter die Haut zu fahren – wie zuletzt der Clip in der vergangenen Woche, der fragt, was Ghislaine Maxwell wohl über Donald Trump weiß. Der Clip zeigt Bilder von Trump mit der Partnerin von Jeffrey Epstein, die über Jahre geholfen hatte, Prominente mit jugendlichen Sexsklavinnen zu versorgen.

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Das Ziel: Die Rettung der amerikanischen Demokratie

Für die amerikanische Linke sind die Clips besonders befriedigend, weil sie aus Trumps eigenem Lager stammen. Sie werden hunderttausendfach geteilt. Bislang war die Nibelungentreue der repu­blikanischen Partei zu Trump eine Quelle tiefster Frustration für die amerikanische Linke. Die konservative Partei scheint ungeachtet Trumps offener Missachtung der Verfassung, seiner Gesetzlosigkeit und seiner Inkompetenz hinter ihm zu stehen. Lesen Sie hier: Enthüllungsbuch: Donald Trumps Nichte startet Frontalangriff

„Die Republikaner im Kongress“, schrieben die Gründer des Lincoln Project in ihrem Manifest, „kopieren Trumps Grausamkeit und adaptieren seine Korruption. Sie haben den Konservatismus und die Prinzipien der republikanischen Partei verraten und durch den Trumpismus ersetzt, einem leeren Glauben angeführt von einem falschen Propheten.“ Lesen Sie hier: Krieg in Amerikas Städten – Lage in den USA spitzt sich zu

Demokraten sind noch unsicher, was sie von „Lincoln Project“ halten

Aus diesem Glauben heraus haben die Protagonisten des Lincoln Project angekündigt, bei der Wahl im November ihr Gewicht für Joe Biden in die Waagschale zu werfen. Um die amerikanische Demokratie zu retten, so heißt es, ist es geboten, traditionelle Parteipolitik hinter sich zu lassen. Lesen Sie hier: Trump gegen Biden: Was man über die US-Wahl 2020 wissen muss

Die Demokraten sind noch etwas unsicher, was sie von den neuen Verbündeten aus dem konservativen Lager halten sollen. Insbesondere bei Steve Schmidt hat man Vorbehalte. Als Berater von John McCain hat Schmidt seinerzeit Sarah Palin als Kandidatin für das Vizepräsidentenamt ins Spiel gebracht und somit den Weg für Figuren wie Trump in der US-Politik geebnet.

Man begrüßt auf der Linken die Absichten des Lincoln Project, Millionen von Dollar dafür auszugeben, in entscheidenden Staaten Trump Wähler der demokratschen Partei zuzuführen. Andererseits macht man sich Sorgen darüber, was das Projekt mit seiner Macht anstellen wird, wenn es tatsächlich entscheidend zu einem Wahlsieg von Biden beitragen kann.