Berlin. Die nachgelagerte Besteuerung von Renten ist seit Jahren umstritten. Nun soll ein Gericht noch vor dem Jahresende Klarheit schaffen.
- Wegen der sogenannten nachgelagerten Rentenbesteuerung wird bei einigen Menschen die Rente teils doppelt besteuert
- Ob Rentner in Deutschland zu viele Steuern zahlen, will nun der Bundesfinanzhof überprüfen und in diesem Jahr eine Entscheidung zu dieser Frage treffen
- Müssen Rentner in Zukunft eventuell weniger Abgaben zahlen? Und ist die nachgelagerte Rentenbestuerung möglicherweise verfassungswidrig?
Für Millionen Rentner ist es ein großes und wachsendes Ärgernis. Seit die damalige große Koalition auf Druck von Karlsruhe 2005 die nachgelagerte Besteuerung von Renten einführte, werden die Alterseinkünfte vieler Bürger geschmälert.
Der Frust vieler Rentner darüber ist groß. Weil der steuerfreie Anteil über die Jahre immer kleiner wird, kann es zu einer Doppelbesteuerung der Rente kommen, was das Bundesverfassungsgericht 2002 verboten hatte. Aktualisierung vom 24. Juli: Der Bundesfinanzhof hat eine Entscheidung in der Frage angekündigt, ob die Doppelbesteuerung bei Renten gerechtfertigt ist.
Rente: Bundesfinanzhof soll Klarheit bringen
Nun kündigte der Bundesfinanzhof (BFH) an, dass es noch in diesem Jahr Klarheit geben soll. Das sagte BFH-Sprecher Volker Pfirrmann der „Süddeutschen Zeitung“. Wahrscheinlich werde es am BFH in München eine mündliche Verhandlung geben, anschließend eine Entscheidung. Gegen die Rentenbesteuerung hat ein Ruheständler geklagt.
Welcher Anteil der Rente besteuert wird, hängt vom Jahr des Rentenbeginns ab.
- Bei Rentnern, die 2005 oder vorher in Rente gegangen sind, sind 50 Prozent der Bezüge steuerpflichtig
- Der steuerfreie Anteil der Rente schrumpft über die Jahre
- Ab 2040 sollen dann die gesetzlichen Renten komplett besteuert werden
Große Hoffnung setzen viele Rentner in den BFH-Richter Egmont Kulosa. Er hatte Ende 2019 in einem juristischen Kommentar die Ansicht vertreten, dass die Rentenbesteuerung teilweise verfassungswidrig sei.
Demnach bedürfe es „keiner komplizierten mathematischen Übungen, um bei Angehörigen der heute mittleren Generation, die um das Jahr 2040 in den Rentenbezug eintreten werden, eine Zweifachbesteuerung nachzuweisen“, schrieb er.
Denn diese Personen würden ihre Rentenbezüge in vollem Umfang versteuern müssen, könnten ihre Beiträge aber nur 15 Jahre lang – von 2025 bis 2039 und nur bis zu einem Höchstbetrag – ohne prozentuale Beschränkung abziehen.
„Die Verfassungswidrigkeit einer solchen doppelten Besteuerung, die vom Einzelnen angesichts der gesetzlichen Pflicht zur Leistung laufender Rentenversicherungsbeiträge nicht vermieden werden kann, erscheint evident“, lautete Kulosas Fazit. Sein Wort hat Gewicht. Er ist stellvertretender Vorsitzender des X. Senats, der für die Besteuerung von Alterseinkünften zuständig ist.
• Mehr zum Thema Rente und Finanzen:
- Geldanlage: ETFs: Wie Menschen über 50 von Indexfonds profitieren können
- Wichtige Infos: Das ändert sich alles bei der Steuererklärung
- Alterssicherung: Grundrente beschlossen: Antworten auf die wichtigsten Fragen
- Prognose: Rente: In Westdeutschland 2021 womöglich keine Erhöhung
- Rezession: Das bedeutet die Corona-Krise für die Rente
Olaf Scholz verteidigte nachgelagerte Besteuerung
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) verteidigte zuletzt die nachgelagerte Besteuerung. Ende Januar erklärte sein Ministerium auf eine FDP-Anfrage, es sei unstreitig, dass eine „Doppelbesteuerung“ nicht verfassungskonform wäre und im Einzelfall vermieden werden müsse.
Die von Kulosa vertretene Auffassung, dass es bereits jetzt evident und klar sei, dass es zu einem späteren Zeitpunkt dazu kommen werde, treffe jedoch nicht zu. „Sie spiegelt auch nicht die bisherige Positionierung des zuständigen X. Senats des BFH wider“, schrieben Scholz’ Beamte. In ein paar Monaten wird sich zeigen, wer Recht hat.