Washington. Nach George Floyds Tod trennt sich Mississippi von seiner umstrittenen Flagge. Für viele Afroamerikaner war sie ein Symbol des Hasses.

Es ist das letzte parlamentarische Kapitel in einem Kulturkampf, der seit Jahrzehnten schwelt. Als letzter US-Bundesstaat hat Mississippi am Sonntag das umstrittenste Stück Stoff Amerikas eingeholt:

Die auch bei Rechtsextremisten, Rassisten, Neonazis und Ku-Klux-Klan-Anhängern beliebte Kriegsflagge der Südstaaten (Konföderierte), die im Bürgerkrieg von 1816 bis 1865 die Sklaverei bewahren wollten und von den Unionisten im Norden geschlagen wurden.

Seit 1894 wehte die Fahne mit dem Emblem der 13 Sterne und den schräg gekreuzten blauen Balken auf rotem Grund über dem Kapitol der Hauptstadt Jackson. Nachdem beide Kammern des Parlaments mit 37 zu 14 Stimmen bzw. 91 zu 23 Stimmen für die Entfernung der Südstaaten-Symbolik votiert hatten und Gouverneur Tate Reeves, ein Republikaner, bereits vorher sein Okay zu einem entsprechenden Gesetz gegeben hatte, wurde die Fahne noch am Nachmittag offiziell eingeholt.

Sie soll durch eine neue Flagge ersetzt werden, über die die Wähler im Südstaat parallel zur Präsidentenwahl am 3. November entscheiden sollen. Ein neuer Entwurf liegt noch nicht vor.

Historischer Schritt in Mississippi – Tod von George Floyd der Auslöser

Die Konföderierten-Flagge wird eingeholt.
Die Konföderierten-Flagge wird eingeholt. © AFP | Rory Doyle

Dass sich Mississippi parteiübergreifend zu diesem historischen Schritt aufraffte, geht letztlich auf den Ende Mai von Polizisten getöteten Schwarzen George Floyd in Minneapolis zurück. Danach entwickelte sich eine überdurchschnittlich heftige und breit geführte Debatte über Rassismus in Amerika, die immer noch andauert.

Landesweit wurden, zum Verdruss von Präsident Donald Trump, der „Tätern“ mit zehnjährigen Haftstrafen droht, bis heute fast 70 Statuen vom Sockel geholt, die vielfach an Südstaaten-Militärs erinnerten, die im Bürgerkrieg das Recht auf Sklavenhaltung verteidigt hatten.

Dazu kam abermals die Erinnerungskultur auf den Prüfstand. In ihr gilt aus Sicht vieler Afroamerikaner die „Konföderierten-Flagge“ als Verewigung der Ideologie der weißen Vorherrschaft. Verteidiger der Flagge, die gerade im Süden der USA in vielen Alltagssituationen – Aufkleber auf Stoßstangen etc. – als Ausdruck von „südlichem Stolz“ überlebt hat, sehen in dem Tuch einen Teil ihrer Identität, den es zu bewahren gelte; trotz der klaren Beziehung zur Sklaverei.

Schwarze Kinder sollten nicht in Gefahr leben

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    Konföderierten-Flagge für viele US-Amerikaner ein Symbol des Hasses

    Dass Mississippi gegen programmierten Protest nennenswerter Teile seiner konservativen Bevölkerung die Wende jetzt einleitet und seine Flagge „bereinigt“, spricht für die Wucht der aktuellen Debatte. Vor fünf Jahren, als der Bundesstaat North Carolina die Südstaaten-Flagge einmottete, nachdem der weiße Rassist und Neonazi Dylan Roof in einer schwarzen Kirche in Charleston neun Menschen erschossen hatte, hielt sich die Politik in Mississippi noch bedeckt.

    Auch 2017, als in New Orleans/Louisiana auf Geheiß des damaligen Bürgermeisters Mitch Landrieu mehrere Statuen entfernt wurden, darunter die des konföderierten Oberkommandierenden General Robert Lee und des konföderierten Präsidenten Jefferson Davies, herrschte in Jackson Funkstille.

    Dabei war es Landrieu, der in bis heute in Amerika bewunderter Manier das Kern-Argument gegen Denkmäler und Flagge vorgelegt hatte: Danach seien besagte Denkmäler weit nach Ende des Bürgerkriegs mit dem Vorsatz aufgestellt worden, die Versklavung als Wesenskern der Konföderation zu leugnen und die Geschichte zu frisieren; hin zu der wahrheitswidrigen Rebellen-Saga, in der der Süden für die „gerechte Sache“ gekämpft habe.

    Tod von George Floyd – Fotos der Unruhen

    Es sind erschreckende Bilder aus den USA, die derzeit um die Welt gehen: ausgebrannte Autowracks, Tränengas, zerstörte Gebäude. Das ganze Land ist in Aufruhr, seit der unbewaffnete Schwarze George Floyd von einem weißen Polizisten in Minneapolis minutenlang zu Boden gedrückt wurde und starb.
    Es sind erschreckende Bilder aus den USA, die derzeit um die Welt gehen: ausgebrannte Autowracks, Tränengas, zerstörte Gebäude. Das ganze Land ist in Aufruhr, seit der unbewaffnete Schwarze George Floyd von einem weißen Polizisten in Minneapolis minutenlang zu Boden gedrückt wurde und starb. © AFP | Stephen Maturen
    Der 46-jährige Afroamerikaner George Floyd starb am 25. Mai nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis. Der 44-jährige Polizist Derek Chauvin drückt Floyd minutenlang sein Knie in den Nacken und ignoriert dabei Bitten von Floyd, ihn atmen zu lassen. Die vier beteiligten Beamten wurden mittlerweile entlassen. Polizist Chauvin wurde wegen Mordes angeklagt.
    Der 46-jährige Afroamerikaner George Floyd starb am 25. Mai nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis. Der 44-jährige Polizist Derek Chauvin drückt Floyd minutenlang sein Knie in den Nacken und ignoriert dabei Bitten von Floyd, ihn atmen zu lassen. Die vier beteiligten Beamten wurden mittlerweile entlassen. Polizist Chauvin wurde wegen Mordes angeklagt. © AFP | DARNELLA FRAZIER
    Nach dem Tod von George Floyd legten Menschen in Minneapolis Blumen nieder. In den darauffolgenden Tagen kam es zu immer größeren Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt.
    Nach dem Tod von George Floyd legten Menschen in Minneapolis Blumen nieder. In den darauffolgenden Tagen kam es zu immer größeren Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt. © AFP | KEREM YUCEL
    Am 26. Mai protestierten Demonstranten auf der Hiawatha Avenue in Minneapolis. Die Proteste eskalierten zunehmend.
    Am 26. Mai protestierten Demonstranten auf der Hiawatha Avenue in Minneapolis. Die Proteste eskalierten zunehmend. © AFP | Stephen Maturen
    Am 27. Mai versammelten sich Demonstranten zu einer zweiten Nacht der Proteste in der US-Stadt Minneapolis. Am Abend bildet die Polizei eine menschliche Barrikade um den Dritten Bezirk. Dort hatten die Beamten gearbeitet, die beschuldigt werden, George Floyd getötet zu haben.
    Am 27. Mai versammelten sich Demonstranten zu einer zweiten Nacht der Proteste in der US-Stadt Minneapolis. Am Abend bildet die Polizei eine menschliche Barrikade um den Dritten Bezirk. Dort hatten die Beamten gearbeitet, die beschuldigt werden, George Floyd getötet zu haben. © AFP | KEREM YUCEL
    Die Proteste in Minneapolis schlugen in Gewalt um. Autos und Mülltonnen brannten, Geschäfte wurden geplündert, Häuser beschädigt.
    Die Proteste in Minneapolis schlugen in Gewalt um. Autos und Mülltonnen brannten, Geschäfte wurden geplündert, Häuser beschädigt. © AFP | Jose Luis Magana
    Auch in anderen US-Städten wie hier in Los Angeles protestierten Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt.
    Auch in anderen US-Städten wie hier in Los Angeles protestierten Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt. © AFP | AGUSTIN PAULLIER
    In Las Vegas gingen die Menschen in den vergangenen Tagen auch auf die Straße. Truppen der Nationalgarde patrouillierten nach mehreren Nächten voller Proteste, in denen es auch zu Brandstiftung und Plünderungen kam. In Las Vegas schwebte ein Beamter in Lebensgefahr, nachdem ein Angreifer ihm in den Kopf geschossen hatte.
    In Las Vegas gingen die Menschen in den vergangenen Tagen auch auf die Straße. Truppen der Nationalgarde patrouillierten nach mehreren Nächten voller Proteste, in denen es auch zu Brandstiftung und Plünderungen kam. In Las Vegas schwebte ein Beamter in Lebensgefahr, nachdem ein Angreifer ihm in den Kopf geschossen hatte. © AFP | BRIDGET BENNETT
    Wasser und Milch half Demonstranten, die während eines Protestes am 1. Juni in der Innenstadt von Washington DC, Pfefferspray in die Augen bekommen hatten.
    Wasser und Milch half Demonstranten, die während eines Protestes am 1. Juni in der Innenstadt von Washington DC, Pfefferspray in die Augen bekommen hatten. © AFP | Drew Angerer
    Auch Anfang Juni gingen die Proteste weiter – während es mancherorts zu weiteren Ausschreitungen kam, blieben viele Demonstrationen friedlich. So auch direkt vor dem Amtssitz des US-Präsidenten Donald Trump. Doch dies hinderte Trump nicht daran, bei einem öffentlichen Auftritt Tränengas gegen die Demonstranten einsetzen zu lassen.
    Auch Anfang Juni gingen die Proteste weiter – während es mancherorts zu weiteren Ausschreitungen kam, blieben viele Demonstrationen friedlich. So auch direkt vor dem Amtssitz des US-Präsidenten Donald Trump. Doch dies hinderte Trump nicht daran, bei einem öffentlichen Auftritt Tränengas gegen die Demonstranten einsetzen zu lassen. © AFP | ROBERTO SCHMIDT
    Auf dem Weg zu einem Fototermin setzten vor ihm gehende Sicherheitskräfte Tränengas gegen friedlich Demonstrierende ein – um ihm dem Weg zum Fototermin freizuräumen.
    Auf dem Weg zu einem Fototermin setzten vor ihm gehende Sicherheitskräfte Tränengas gegen friedlich Demonstrierende ein – um ihm dem Weg zum Fototermin freizuräumen. © AFP | BRENDAN SMIALOWSKI
    Danach ließ sich Trump medienwirksam – mit einer Bibel in der Hand – vor einer von Protestierenden mit Graffiti beschmierten Kapelle ablichten.
    Danach ließ sich Trump medienwirksam – mit einer Bibel in der Hand – vor einer von Protestierenden mit Graffiti beschmierten Kapelle ablichten. © dpa | Patrick Semansky
    Auch außerhalb der USA wurde mittlerweile protestiert. Vor der US-Botschaft in Paris zeigen Demonstranten Plakate mit der Aufschrift „Wir sind alle George Floyd“.
    Auch außerhalb der USA wurde mittlerweile protestiert. Vor der US-Botschaft in Paris zeigen Demonstranten Plakate mit der Aufschrift „Wir sind alle George Floyd“. © AFP | BERTRAND GUAY
    Undauch junge Mitglieder der griechischen Kommunistischen Partei protestierten in Athen vor der US-Botschaft nach dem Tod von George Floyd.
    Undauch junge Mitglieder der griechischen Kommunistischen Partei protestierten in Athen vor der US-Botschaft nach dem Tod von George Floyd. © AFP | ARIS MESSINIS
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    Die Konföderierten-Flagge sei eindeutig ein Symbol des Hasses – gegen den Norden, gegen den Sieger, gegen Amerika. Und ein Symbol der Einschüchterung der schwarzen Bevölkerung.

    Philipp Gunn, der Sprecher des Repräsentantenhauses in Jackson, ein weißer Republikaner, nahm den Ball in gewisser Weise auf. Im Beisein der Abgeordneten, von denen viele Tränen der Erleichterung vergossen, sagte er. „Heute können wir und der Rest der Nation auf unseren Staat mit neuen Augen, Stolz und Hoffnung sehen. Wir haben unser Erbe nicht verraten. Wir werden ihm gerecht.“

    Die Hintergründe zum Tod von George Floyd und der aktuellen Rassismus-Debatte