Oberhausen/Witten. Befördern die Großrazzien in Shisha-Bars die Vorurteile gegenüber Ausländern? Was Bar-Betreibern nach dem Terror von Hanau durch den Kopf geht.
Sein Café wird Marten Marcus die nächsten Tage mit einem „ungemütlichen Gefühl“ betreten, sagt er. Die rechtsterroristischen Attacken auf zwei Shisha-Bars im hessischen Hanau – „sie hätten uns alle treffen können.“ Für den 25-jährigen gebürtigen Iraker und Betreiber der Wittener „Daud Lounge“ ist die Bluttat von Hanau ein „unglaublich trauriges Massaker“ – aber auch der Höhepunkt von wachsenden Ressentiments, die er als Shisha-Café-Inhaber zunehmend spürt. „Eine ganze Branche wird immer mehr durch den Dreck gezogen,“ sagt er. „Und das befördert den Rassismus.“
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Marcus’ Café ist in der Nachbarschaft nicht unumstritten. Oft gab es Streit mit Anwohnern, vor allem wegen Lärmbelästigung. Und auch ist die „Daud Lounge“ immer mal wieder Ziel der landesweiten Großrazzien, die Markenzeichen von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) geworden sind. Zuletzt wurde Marcus Ende November 2019 überrascht. „Die stürmen mit über 50 Männern hier rein, brüllen uns an – und gehen mit leeren Händen wieder raus“, erinnert er sich. Tatsächlich wurde vor drei Monaten nicht mehr beanstandet als etwas Schimmel in der Eismaschine.
Nicht nur Schwarzarbeit, Clans und Geldwäsche
Nicht alle lassen Kontrollen in Shisha-Bars einfach so über sich ergehen – in Essen wurden Beamte dabei bereits verprügelt und verletzt. Marten Marcus hält die Razzien dennoch für „unverhältnismäßig“ und „indiskret.“ Durch sie werde vor allem eines gestärkt: Das „Klischee“ der Shisha-Bar als Wurzel der Ausländerkriminalität. „Viele Leute setzten die Bars nur mit Clans, Schwarzarbeit und Geldwäsche in Verbindung“, sagt er. „Bei uns gibt es nicht mal Alkohol und keine Spielautomaten.“
Auch Emil Tagiyev (29), Betreiber der Shisha-Bar „El Dorado“ im Oberhausener Zentrum, erinnert sich noch gut an die letzte Razzia. „Halloween 2018 war’s“, sagt er. „15 Beamte traten hier ein, es sah wirklich brutal aus.“ Gefunden worden sei damals nichts – aber bei Gästen und Anwohnern habe der Einsatz trotzdem Spuren hinterlassen. „Wenn Leute so etwas mitansehen, wirkt das nach“, sagt Tagiyer. „Die sehen diese heftigen Einsätze und werden in ihren Vorurteilen über Ausländer bestärkt.“
Ein Gefühl von Ohnmacht
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Auch im „El Dorado“ - von außen unscheinbar, von innen explosiv lilapink – fühlt man sich nun nach der Bluttat von Hanau unsicherer. „Ich bin schockiert“, sagt Inhaber Emil Tagiyev. Nicht ausmalen will er sich, was ein mutmaßlich psychisch kranker und rechtsradikaler Täter wie Tobias R. in der Oberhausener Altstadt hätte ausrichten können. „Hier liegen die meisten Shisha-Bars direkt nebeneinander und der Ausländeranteil ist hier sehr hoch - viele Rumänen, Bulgaren, Araber.“ In den Shisha-Bars würden sie alle zusammenkommen – für einen Rechtsradikalen deshalb „das perfekte Ziel“.
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Die Sicherheitsvorkehrungen will Emil Tagiyev, selbst Deutsch-Ukrainer, allerdings erst einmal nicht verschärfen. „Natürlich könnten wir jetzt Sicherheitskräfte am Eingang aufstellen, aber das ist teuer und vergrault die Gäste“, sagt er. Außerdem sei fraglich, was eine Security-Kraft im Falle einer terroristischen Attacke überhaupt anrichten könne. „Mir wurde schon mal eine Pistole an den Kopf gehalten, bei einem Raubüberfall in einem Casino“, erzählt Tagiyer. „In dem Moment willst und kannst du nicht mehr den Helden spielen. Dann fühlst du dich ohnmächtig.“