Bochum. Nach der Bluttat in Hanau herrscht im Bochumer Bermudadreieck Entsetzen. Hier gibt es eine der besucherstärksten Shisha-Meilen im Revier.
Nach der Bluttat von Hanau herrschen im Bochumer Bermudadreieck Entsetzen und Fassungslosigkeit. Die Partymeile verfügt auf der Brüderstraße über einen der größten und beliebtesten, zugleich aber auch umstrittensten Shisha-Bar-Treffs im Revier. Zum Geschäftsstart am Donnerstag waren Sorge und Trauer deutlich spürbar.
Nach ersten Informationen der Polizei waren in der hessischen Stadt Hanau die meisten der elf Todesopfer in zwei Shisha-Bars erschossen worden. Bei dem mutmaßlichen Täter (43), der sich das Leben genommen hat, vermuten die Ermittler fremdenfeindliche Motive.
Bochum nach dem Anschlag von Hanau: Shisha-Bars öffnen regulär
Auf der Brüderstraße haben in den vergangenen Jahren immer mehr Shisha-Bars geöffnet. Aktuell sind es fünf große Betriebe mit mehreren hundert Sitzplätzen innen und außen. Der Zuspruch beim vorwiegend jungen Publikum, darunter viele Besucher mit Migrationshintergrund, ist sowohl während der Woche als auch an den Wochenenden groß.
„Unfassbar, was in Hanau geschehen ist“, sagen am Donnerstagmittag drei junge türkischstämmige Männer in der „Class Lounge“ auf der Brüderstraße. Noch ist das Ausgehviertel weitgehend verwaist. Die meisten Shisha-Bars öffnen erst am Nachmittag. Daran werde sich am Donnerstag trotz der Anschläge von Hanau nichts ändern, betonen die Mitarbeiter. „Wir machen ganz normal auf.“
Gäste betonen: Wir fühlen uns sicher
Die Betroffenheit ist groß. „Aber Angst haben wir nicht“, betonen die drei „Class“-Gäste. Regelmäßig sitzen sie rauchend auf den Außenplätzen. „Hier kennt jeder jeden. Wir fühlen uns sicher. Ausländerfeindliche Sprüche und Bedrohungen haben wir zum Glück noch nicht gehört“, sagen sie. Was nicht heiße, dass in Bochum nichts passieren könne. „Wahnsinnige und Rechtsradikale gibt’s überall. Die Tat hätte genauso auch hier geschehen können.“
Seit 2018/19 hält die Polizei ein waches Auge auf die Bochumer Shisha-Meile. Immer wieder finden Razzien statt, an denen sich u.a. auch die Zollbehörden beteiligen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) spricht von einer „Strategie der Nadelstiche“ und bekräftigt immer wieder seine Null-Toleranz-Haltung gegen Clan-Kriminalität.
Letzte Razzia vor zwei Wochen
Zuletzt hatte es vor zwei Wochen eine Schwerpunktkontrolle in Bochum gegeben. In einem Betrieb sei unverzollter Tabak festgestellt worden, teilte die Polizei anschließend mit. Die Lebensmittelkontrolle habe mehrere Berichte gefertigt. Zeitgleich überprüfte die Polizei Fahrzeuge auf der Viktoriastraße, um sogenannte Car-Poser aus dem Verkehr zu ziehen.
Für die Polizei in Bochum habe der Anschlag in Hanau „keine Auswirkungen“. Das erklärte sie auf die WAZ-Anfrage, ob sie jetzt vor Shisha-Bars in Bochum, etwa im Bermudadreieck, eine verstärkte Präsenz zeigt. Dasselbe gilt für jüdische Objekte wie zum Beispiel die Synagoge am Planetarium. Sie wird ohnehin täglich bestreift.
Stadt will Ausweitung verhindern
Auch bei der Stadtverwaltung hat man die Shisha-Bars verstärkt auf dem Schirm. Dafür wurden bislang zwar keine Sicherheitsgründe angeführt. Vielmehr gelte es, das originäre Bermudadreieck zu bewahren und die Ansiedlung weiterer Wasserpfeifen-Bars zu unterbinden. Das soll mit einer Änderung der für das Szeneviertel gültigen drei Bebauungspläne gelingen.
Das begrüßt auch die Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) Bermudadreieck. Sie wendet sich zwar nicht explizit gegen die Shisha-Bars. Es sei aber wichtig, den Branchenmix und das Gleichgewicht im Dreieck mit seinen jährlich drei Millionen Besuchern aufrecht zu erhalten.
Moschee-Sprecher ruft zum Zusammenhalt auf
Ob nun auch die Sicherheit zum Thema wird? Die Polizei sei im Dreieck sehr aktiv – auch für die Besucher „unsichtbar“, also mit Zivilbeamten, bestätigt ISG-Sprecher Dirk Steinbrecher. Regelmäßig sei man im Austausch mit Stadt und Polizei. „Wir werden nun besprechen, ob und was nach Hanau zu tun ist.“
Dringenden Handlungsbedarf weit über die Shisha-Bars hinaus erkennt Ahmed Aweimer, Sprecher der Bochumer Moscheen. „Bei den Anschlägen von Hanau ging es nicht um die Bars, sondern um die Menschen, die gezielt umgebracht werden sollten. Das ist terroristischer Rassismus!“, so Aweimer zur WAZ. Mehr denn je müsse sich die Gesellschaft den braunen Verbrechern und Brandstiftern entgegenstellen. „In den muslimischen Gemeinden herrscht tiefe Verunsicherung. Wir alle müssen spätestens jetzt aufstehen und rufen: Es reicht! Wir lassen uns nicht spalten!“
Yüksel warnt vor rechter Terrorwelle
Der Wattenscheider SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel warnt unterdessen: „Wir stehen womöglich vor einer rechtsradikalen Terrorwelle.“ Während sich die Sicherheitsbehörden auf Shisha-Bars, Clans und Barber-Shops konzentrierten, bleibe der Rechtsextremismus ein „völlig unterschätztes Phänomen“, so Yüksel im WAZ-Gespräch.
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