An Rhein und Ruhr. Seit einem halben Jahr ist in einem Hochhaus in Duisburg-Rheinhausen der Aufzug defekt. Extrem, aber kein Einzelfall, sagen Mieterschützer.
Wenn Monika Hedrich einkaufen geht, was in letzter Zeit nicht mehr so häufig vorkommt, dann schnallt sie sich ihre Krücken und die Einkaufstasche auf den Rücken und schleppt sich die drei Stockwerke runter. Zehn Minuten dauert es bis unten, sie ist nicht mehr ganz so gut zu Fuß. „Die alten Damen oben haben es noch schwerer“, sagt die 68-Jährige. Die kämen so gut wie gar nicht mehr raus. So ist das, wenn man seit sechs Monaten in einem Hochhaus ohne Aufzug leben muss.
Was Frau Hedrich und ihre Mitbewohner in Duisburg-Rheinhausen erleben ist kein Einzelfall, sagen Mieterschützer.
Haus ist mehrfach veräußert worden
Der siebenstöckige Bau an der Lindenallee hat schon einige Jahre auf dem Buckel, das sieht man ihm an. 1973 wurde das Haus von der „Krupp Stahl Wohnungsbau GmbH“ hochgezogen, und war damals eine gute Adresse. Krupp sorgte für seine Mieter, wer in eine Krupp-Immobilie einziehen konnte, durfte sich glücklich schätzen.
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In den vergangenen Jahren hat das Haus mehrfach den Besitzer gewechselt. Heute gehört die Lindenallee 15 der „Adler Real Estate AG“ mit Sitz in Berlin, die in ihrem Bestand bundesweit rund 60.000 Mietwohnungen hat. 6500 frühere Krupp-Wohnungen haben in Rheinhausen in den vergangenen Jahren nach Angaben des örtlichen Mieterschutzbundes den Besitzer gewechselt.
Die Probleme haben zugenommen
Frau Hedrich wohnt erst seit acht Jahren in dem Hochhaus. Die ersten sechs mit ihrem Mann in der zweiten Etage, als er starb, zog sie in die dritte. Als die Hedrichs einzogen, firmierte als Besitzerin des Hauses noch die „Immeo Wohnungsbau GmbH“. „Bei denen ging es. Jetzt haben die Probleme zugenommen“, sagt sie. Verwaltet wird das Haus jetzt von der „Adler Wohnen Service GmbH“, einer Tochter der „Adler Real Estate AG“. Die Verwaltungsgesellschaft sitzt auch in Berlin, hat aber ein Büro in Rheinhausen.
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Nützt wenig, sagt Özgül Duman, 33, alleinerziehende Mutter und Nachbarin aus der vierten Etage. Wie Frau Hedrich klagt auch sie darüber, dass die Hausverwaltung Beschwerden verschleppt und schwer erreichbar ist. „Wenn man die Hotline anruft, sagen die, dass sie von nichts wissen.“ Der kaputte Aufzug belastet die Hausgemeinschaft.
Feuerwehr musste Patientin heruntertragen
Die beiden Frauen sitzen in der Wohnung von Frau Hedrich, erzählen von der alten türkischen Dame im siebten Stock, die von der Feuerwehr die Treppen hinuntergetragen werden musste, weil sie einen epileptischen Anfall hatte. Oder von Frau K. aus dem vierten Stock, die nach einem Krankenhausaufenthalt einfach vor der Tür abgesetzt wurde. Oder davon, dass der Bote die Pakete nicht mehr abliefert.
Die Hausverwaltung hat einen Personentragedienst angeboten, und einen Service, der beim Tragen der Einkäufe hilft. „Die sollen endlich den Aufzug reparieren“, ärgert sich Duman.
Die „Adler Real Estate“ begründet die lange Wartedauer damit, dass sie den Schaden erst analysieren, dann die Arbeiten ausschreiben habe müssen; zudem seien die Auftragsbücher der Firmen voll. Jetzt sei der Beginn der Arbeiten für Ende Juli geplant. Wenn alles nach Plan laufe, werde der Aufzug Mitte August wieder in Betrieb sein.
Kaputte Aufzüge, Schimmel, Müll und andere Probleme
Mit ihren Problemen sind die Mieter in der Lindenallee 15 allerdings nicht allein. Kaputte Aufzüge, Schimmel, Müll in den Kellern und Anlagen, abgestelltes Wasser wegen nicht bezahlter Rechnungen. Davon berichten Mietervereine vom Niederrhein, aus dem Ruhrgebiet und dem Rheinland, betroffen sind Immobilien, die unterschiedlichen Unternehmen gehören.
„Der Fall in Rheinhausen ist sicherlich ein Extrembeispiel. Das nimmt aber generell zu“, sagt Peter Heß vom Mieterbund Niederrhein. Eine Folge der Privatisierungswelle auf dem Immobilienmarkt.
Häufig, sagt Heß, hätten aus der Ferne operierende Hausverwaltungsgesellschaften keinen Bezug mehr zu ihren Mietern. „Immobilien wechseln in rasantem Tempo die Besitzer.“ Unternehmen firmieren unter immer neuen Namen, in ihren Internetauftritten versprechen sie wunderschöne Wohnwelten und traumhafte Profite für Anleger.
Kurzfristige Rendite-Maximimierung
Es ginge ganz oft nur noch um die die kurzfristige Rendite-Maximierung, so Mieterschützer Heß. „Da werden abgewirtschaftete Hütten aufgekauft, aufgehübscht und in die Bilanz eingestellt, um an neue Darlehen zu kommen.“ Leidtragende seien die Mieter, weil häufig kostspielige Reparaturen, die nicht auf die Miete umgelegt werden könnten, auf die lange Bank geschoben würden. „Bei Gesellschaften in kommunaler Trägerschaft läuft das wesentlich besser."
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Zu zweifelhafter Berühmtheit unter den in NRW operierenden Immobilienunternehmen hat es die „Altro Mondo GmbH“ geschafft. Sie verwaltet Immobilien der in Hannover sitzenden „Deutsche Grundbesitz AG“, unter anderem in Castrop-Rauxel, Dortmund, Dorsten, Duisburg oder Herne.
Drei Anfragen an die Landesregierung
Örtliche Landtagsabgeordnete der SPD wiesen in den vergangenen Monaten in drei Anfragen an die Landesregierung auf erhebliche Missstände in den von „Altro Mondo“ verwalteten Immobilien hin, von schimmelbefallenen Wohnungen bis hin zu Wassersperren des örtlichen Versorgers. Die letzte Anfrage datiert aus Juni.
Die Landesregierung erklärt in ihrer Antwort, es seien im Gespräch mit den betroffenen Kommunen „vergleichbare Auffälligkeiten“ festgestellt worden. Den Kommunen stehe mit dem Wohnungsaufsichtsgesetz ein „breiter Instrumentenkasten“ zur Verfügung, um einzugreifen.
SPD fordert: Im Zweifel enteignen
Dem Duisburger SPD-Landtagsabgeordneten Frank Börner reicht das nicht: „Wenn Eigentümer so unverantwortlich mit Wohnungen umgehen und Mieter im Stich lassen, dann müssen sie im Zweifel enteignet werden. Das bringt zwar keine neuen Wohnungen, zeigt aber, dass wir so etwas nicht akzeptieren“, sagte er unserer Redaktion.
Frau Duman und Frau Hedrich haben die Miete gekürzt. Richtig, findet Mieterschützer Peter Heß. „Mieter sollten Wohnungsmängeln per Einschreiben melden und sich Mietminderungen vorbehalten. Unternehmen wie ‚Altro Mondo‘ und anderen kommt man nur über das Geld bei.“
Warum Frau Hedrich nicht einfach auszieht? „Ich habe mit dem Gedanken gespielt. Aber da weiß ich ja nicht, welche Nachbarn ich bekomme. Hier gibt sehr nette Nachbarn. Wir helfen uns gegenseitig.“
Altro Mondo hat bis Redaktionsschluss nicht auf Anfrage unserer Redaktion reagiert.