Oberhausen. . Einst Vorzeigeimmobilie und nun Bruchbude? Die Mieter des Oberhausener Europahauses sind sauer. Sie fordern mehr Einsatz von ihrem Vermieter.

„Worunter sie leiden, ist inzwischen normal geworden“, sagt Peter Heß. Manche pusten bei dem Einstieg des Rechtsanwalts erstmal durch, einige verschränken die Arme, andere setzen ein schiefes Lächeln auf. Peter Heß, Geschäftsführer des Mieterschutzbundes Niederrhein, kennt solche Reaktionen.

Für den Anwalt sind die Sorgen und Nöte wie die der Mieter im Europahaus leider Alltag geworden. Es könne sogar schlimmer sein, sagt er den Bewohnern des Hauses, die zum Treffen der Mietergemeinschaft ins Linke Zentrum gekommen sind. „Ihr Vermieter ist noch nicht berüchtigt.“

Vermieter hat keinen schlechten Ruf

Und genau da liegt wohl das Problem: Die ZBVV (Zentral Boden Vermietung und Verwaltung) hat als Verwalter des prestigeträchtigen Europahauses in der Branche bisher keinen schlechten Ruf. Trotzdem seien die geschilderten Probleme der Bewohner normal, meint Peter Heß.

Er erklärt den Mietern wie die Firma denke: „Verwalter in der Größenordnung wollen maximalen Gewinn bei minimalem Aufwand. Denken sie also nicht, dass ihre Probleme jemanden in Duisburg stören.“

In der Nachbarstadt sitzt nämlich die Verwaltung für ihr Haus. Dort gehen seit der Übernahme 2017 die Beschwerden der Europahaus-Mieter ein — und wie sich bereits beim ersten Treffen Ende Februar herausstellte: Die Liste der Mängel ist ellenlang.

Telefonate sind keine rechtliche Absicherung

So klagen viele Mieter über hohe Nebenkosten, einen Hausmeister, der nur auf dem Papier erscheine, kaputte Aufzüge, Klingeln, Türen, Wasserschäden, und, und, und. Doch die Hauptkritik ist eine andere.

Niemand gehe ans Telefon und wenn, werde etwas versprochen und nie eingehalten, erzählen die Mieter dem Experten. Der runzelt die Stirn, weil er vom Anruf nur abraten kann: „Telefongespräche sind keine rechtliche Absicherung und kaum bindend. Sie müssen immer persönlich schreiben, auch mit Fehlern ist der Brief vor Gericht dann noch gültig.“

Weil die Miete bei so manchem Mieter oft vom Amt kommt, sei das sicherste Mittel, um selbst Druck auszuüben, stets das Kürzen der Miete. „Wer brav weiter zahlt, der zwingt seinen Vermieter nie zum Handeln.“ Dennoch wirken einige Mieter resigniert und wenig kampfeslustig, um ihre Interessen durchzuboxen.

Aus Angst die Miete nicht gekürzt

Denise de Haas wohnt seit anderthalb Jahren im Europahaus. Beim Einzug wird sie stutzig. „Ich musste drei Monate aufs Internet warten, weil die Klingel nicht repariert wurde und der Servicetechniker mich nicht angerufen hat.“ Noch viel schlimmer allerdings sei ihre kaputte Heizung. „Ich kann nur in einem Raum heizen, weil zwei von drei Heizkörpern nicht funktionieren.“

Trotzdem habe die 26-jährige Studentin die Miete nicht gekürzt. „Aus Angst“, wie sie selbst zugibt. „Man weiß ja nie wie viel richtig ist und wenn ich zu viel kürze, muss ich hinterher zurückzahlen.“

Doch Anwalt Peter Heß versucht die Mieter zu erinnern: „Nutzen Sie ihre Rechte! Auch wenn es mühsam ist, Zeit, Geld und vor allem Nerven kostet — geben Sie nicht klein bei.“ Jeder Mieter müsse im Einzelfall eben Konsequenzen aus der Tatenlosigkeit seines Vermieters ziehen und handeln — oder es sein lassen.

Rauchmelder? Fehlanzeige

Carsten Kupka (49) hat es irgendwann aufgegeben — für die Rauchmelder in seiner Wohnung ist nun mal der Vermieter zuständig. „Ich habe mir zu zwei Terminen freigenommen. Einmal kam niemand und einmal war der Techniker krank. Seitdem habe ich nie wieder etwas dazu vom Vermieter gehört.“

Defekte Aufzüge oder Klingeln sind das eine — fehlende Sicherheitsgeräte in Mietwohnungen aber gefährden Menschenleben.

Viele Mieter im Europahaus sind genervt, wütend und sauer, dass die einstige Vorzeigeimmobilie am Friedensplatz von innen verfällt. Ein offener Brief sei geplant, aber manche Mieter erwarten auch die Unterstützung von anderer Seite.

Denkmalschutz betrifft nur die Fassade, nicht die Wohnungen

„Wieso hilft die Stadt nicht, wir stehen doch unter Denkmalschutz“, sagt ein erröteter Anwohner in Richtung Anwalt Peter Heß. Der entgegnet trocken: „Richtig, hilft ihnen aber nicht weiter, weil damit nur die Fassade gemeint ist und nicht ihre Wohnungen.“

Für den Experten ist die fehlende lokale Nähe und der Bezug der Mitarbeiter der wesentliche Knackpunkt: „Solange die Bindung zu den Häusern und den Menschen fehlt, bleiben die Verhältnisse leider, wie sie jetzt sind.“

>>> Info: Das sagt der Vermieter zu den Vorwürfen

Herr Dick, wieso fehlen in einigen Wohnungen Rauchmelder?

Christian Dick: Es besteht ein bundesweiter Rahmenvertrag mit einem Dienstleister. Die Abstimmung erfolgt jährlich durch Wartungsprotokolle. Sollten also während der Wartung Rauchmelder als defekt oder fehlend deklariert werden, so wird automatisch ausgetauscht und neu installiert.

Auf welcher Grundlage fußt die Nebenkosten-Abrechnung?

Gemäß den vom Voreigentümer übermittelten Mieterlisten hatten die Mieter eine Gesamtvorauszahlung für Betriebs- und Heizkosten entrichtet. Dies wurde bei der ersten Umlagen-Abrechnung übernommen. Unser System berechnet die Betriebskosten- und Heizkostenvorauszahlungen gesondert — und führt diese somit transparent erst bei der Abrechnung zusammen. Aufgrund der Unterschiede sind womöglich Verständnisprobleme entstanden, die wir aber gern aufnehmen — den Mietern wird der Zusammenhang dann erläutert.

Die Europahaus-Mieter kritisieren außerdem nicht behobene Mängel und unbeantwortete Mails.

Die an uns heran getragene Zahl an angeblich ausstehenden Mängelbeseitigungen überrascht uns sehr. Bei der Behebung handelt es sich um einen gewöhnlichen und permanent laufenden Prozess. Dafür benötigen wir die konkreten Wohnungen und Mängel. Außerdem weisen wir darauf hin, dass wir seit Übernahme des Europahauses nachweislich bereits circa 600 Aufträge mit einem Volumen von fast 200.000 Euro für die Instandsetzung investiert haben. Das bezieht sich nicht auf Wohnungssanierungen oder größere Maßnahmen, sondern auf Mängel bei Mietern und in den gemeinschaftlichen Bereichen wie Treppenhäusern, Kellern und so weiter.

Viele Mieter vermissen einen „echten“ Hausmeister vor Ort...

Der Hausmeister war regelmäßig zweimal in der Woche am Europahaus. Der Turnus wird auf dreimal pro Woche erhöht.

>>> Info: Nächstes Treffen am 26. März

Das „Linke Zentrum“ lädt alle Mieter des Europahauses am 26. März um 18 Uhr in die Elsässer Straße 19 ein, um sich auszutauschen und die nächsten Schritte zu planen.

Zur Geschichte: Das Europahaus wurde von 1955 bis 1957 von den Architekten Hans Schwippert und Erich Schöllgen gebaut. Es steht seit 2010 unter Denkmalschutz und hat derzeit 205 Mietparteien.