Berlin. Die Ankündigung von US-Präsident Barack Obama nach deutlich mehr Truppen für Afghanistan setzt Deutschland unter Druck. Zur Diskussion steht die Zahl der Bundeswehrsoldaten im Einsatz. Das Thema trifft in Deutschland auf geteiltes Echo.
Die Ankündigung von US-Präsident Barack Obama nach deutlich mehr Truppen für Afghanistan setzt Deutschland unter Zugzwang. Bis zu 2500 Bundeswehrsoldaten mehr sind in NATO-Kreisen im Gespräch und damit etwa die Hälfte mehr, als bislang entsandt werden kann. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm bezeichnete dies am Mittwoch als «Spekulation». Alles, was derzeit genannt werde, seien «keinerlei bindende Zahlen» oder feste «politische Erwartungen» an die Bundesregierung.
Am 7. Dezember wollen die NATO-Staaten bereits über den zusätzlichen militärischen Beitrag einzelner Länder für Afghanistan beraten. Doch stellte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) klar, dass sich die Bundesregierung bei der Truppenaufstockung nicht unter Zeitdruck setzen lasse. «Vor der Afghanistan-Konferenz und den strategischen Diskussionen auf dieser Konferenz ist eine Debatte über Truppenstärken und deutsche Beteiligung aus unserer Sicht weder sinnvoll noch angebracht.» Nötig sei eine politische Lösung, die militärisch unterstützt werde.
Neue Impulse
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte unterdessen die Mitglieder des Bündnisses auf, nach der Ankündigung der USA nun ebenfalls weitere Truppen nach Afghanistan zu entsenden. «Das ist keine US-Mission allein», unterstrich Rasmussen. Im kommenden Jahr müsse der Entwicklung am Hindukusch mit weiteren Soldaten und einem grundlegenden Afghanistan-Konzept ein neuer Impuls gegeben werden.
Zuvor hatte US-Präsident Obama angekündigt, bis Mitte 2010 rund weitere 30 000 Soldaten nach Afghanistan schicken zu wollen. Rasmussen zeigte sich zuversichtlich, dass auch andere NATO-Verbündete eine «substanzielle Erhöhung» vornehmen werden. Mit dieser Aufstockung soll es möglich sein, ab 2011 die internationalen Truppen schrittweise vom Hindukusch abzuziehen.
Ausstiegsszenario erwünscht
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin begrüßte diesen Teil der neuen Afghanistan-Strategie von Obama. Es gehe darum, jetzt einen Abzugsplan auch mit einer Zeitankündigung vorzulegen und ein Ende dieses Einsatzes vorzubereiten. Das sei das Richtige an dem Plan des US-Präsidenten. «Die USA tun heute das, wovor sich die Bundesregierung drückt», sagte Trittin.
Auch die SPD verlangte ein Ausstiegsszenario. Zu den verbindlichen Zielen gehöre auch «ein Zieldatum zu nennen, auch was den Punkt Einstieg in den Ausstieg angeht», sagte der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt, Günter Gloser (SPD). Der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold warnte davor, die Afghanistan-Debatte auf die Truppenstärke zu verengen.
Keine Zahlenspiele
Für die Linke kommt nur ein vollständiger Abzug in Betracht. «Mehr Soldaten bedeuten mehr Krieg», sagte Fraktionsvize Jan van Aken, der zugleich für eine massive Erhöhung der Entwicklungshilfe plädierte. Ähnlich äußerte sich die Ärzteorganisation IPPNW, die für einen Abzug statt Mandatsverlängerung eintrat.
Die Union begrüßte die Pläne Obamas. Die «vorübergehende Aufstockung» der US-Truppen bringe den Zeitrahmen für eine Wende hin zu einer nachhaltigen Stabilisierung, betonten Unions-Außenexperte Philipp Mißfelder und Wehrexperte Ernst-Reinhard Beck (beide CDU). Beck fügte mit Blick auf die Truppendebatte hinzu, man beteilige sich «im Moment nicht an Zahlenspielen».
Rückendeckung für eine ruhige deutsche Gangart kam vom Bundeswehrverband. Verbandschef Ulrich Kirsch sagte, auch nach der Obama-Rede blieben «noch viele Fragen offen». Ein neues strategisches Konzept der USA könne er derzeit nicht erkennen: «Um die Herkulesaufgabe Afghanistan zu lösen, brauchen wir mehr als eine Truppenaufstockung.»
Am Donnerstag entscheidet der Bundestag bereits über den weiteren Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Nach dem Willen der Bundesregierung soll die deutsche Beteiligung an der internationalen Schutztruppe ISAF um ein Jahr bis Dezember 2010 verlängert werden. Eine Aufstockung der Obergrenze ist derzeit nicht vorgesehen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte lediglich, es würden «verschiedene Optionen» für das weitere deutsche Engagement geprüft. (ddp)