Washington. US-Präsident Barack Obama will fast 30.000 Soldaten zusätzlich nach Afghanistan schicken. Auch von seinen europäischen Bündnis-Partnern erwartet er mehr Truppen. Deutschland tut sich jedoch schwer mit dem Wunsch, will ihn aber auch nicht gänzlich zurückweisen.

Die Nato steht unter Handlungsdruck. 10.000 zusätzliche Soldaten fordert US-Präsident Barack Obama nach Angaben aus Diplomatenkreisen von seinen Verbündeten. Diese Botschaft wird seine Außenministerin Hillary Clinton ihren Kollegen aus den übrigen NATO-Staaten überbringen, die am morgigen Donnerstag um 12.30 Uhr zu Beratungen in Brüssel zusammenkommen. Das zweitägige Treffen beginnt mit Gesprächen mit Georgien und der Ukraine, Top-Thema ist aber der Afghanistan-Einsatz.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat klargestellt, dass neue Zusagen aus Berlin vor der für den 28. Januar in London geplanten Afghanistan-Konferenz nicht zu erwarten sind. Die Bundesregierung wolle erst im Lichte der Konferenz «ihr ziviles und militärisches Engagement erneut einer Prüfung unterziehen», berichtete Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Dienstag nach einem Telefongespräch Merkels mit Obama. Der Bundeswehreinsatz im Norden Afghanistans soll am morgigen Donnerstag mit der bisherigen Mandatsobergrenze von 4.500 Soldaten verlängert werden.

Obama hingegen will bis zum nächsten Sommer 30.000 weitere Soldaten nach Afghanistan schicken. Die Zahl der am Hindukusch stationierten US-Soldaten wird damit von 71.000 auf über 100.000 steigen. Der Afghanistan-Schutztruppe ISAF gehören bislang rund 35.000 US-Soldaten an, die übrigen werden für die Anti-Terror-Operation «Operation Enduring Freedom» (OEF) eingesetzt.

Nato-Spitze rechnet mit 5.000 Soldaten aus anderen Ländern

Die übrigen ISAF-Truppensteller werden nach Angaben von Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen im nächsten Jahr mindestens 5.000 zusätzliche Soldaten bereitstellen. Zum Teil handelt es sich offenbar um Truppenkontingente, die bereits in Afghanistan stationiert sind, aber eigentlich im nächsten Jahr abgezogen werden sollten.

«Die Zahl 5.000 ist ein zusätzlicher Beitrag verglichen mit dem, was wir für 2010 erwartet hatten», erklärte Rasmussen am Mittwoch auf Nachfrage. «Zusätzlich dazu erwarte ich einige tausend extra», betonte er. «Das Gleichgewicht der Allianz steht auf dem Spiel. Es ist essenziell, dass der Einsatz in Afghanistan nicht als rein amerikanische Mission wahrgenommen wird.»

Die Bundesregierung sieht sich dennoch nicht unter Zugzwang. «Vor der Afghanistankonferenz und den strategischen Diskussionen auf dieser Konferenz ist eine Debatte über Truppenstärken und deutsche Beteiligungen aus unserer Sicht weder sinnvoll noch angebracht», erklärte Bundesaußenminister Guido Westerwelle.

Westerwelle will nicht eindimensional über Truppenstärke reden

Deutschland sei bereit, beim zivilen Aufbau mehr zu tun, fügte Westerwelle hinzu. «Insbesondere wollen wir ja eine Übergabe in Verantwortung. Das setzt voraus, dass auch die afghanischen Polizeistrukturen aufgebaut werden müssen, damit auch die Afghanen selbst für ihre eigene Sicherheit mehr tun können als bisher.»

Nato-Generalsekretär Rasmussen hält es für möglich, die Hauptverantwortung für die Sicherheit im nächsten Jahr in «zehn bis 15 Gebieten und Bezirken» an einheimische Kräfte zu übertragen. In Frage kämen dafür nach Angaben aus Diplomatenkreisen auch Teile des Einsatzgebietes der Bundeswehr um die Stützpunkte Faisabad und Masar-i-Scharif.

Gegenwärtig sind in Afghanistan nach Angaben aus Diplomatenkreisen rund 160 deutsche Polizeiausbilder im Einsatz. 40 davon arbeiten für die EU-Ausbildungsmission EUPOL, 120 weitere für ein rein deutsch-afghanisches Kooperationsprojekt im Norden des Landes. (ap)