Düsseldorf. . Zeugen im Untersuchungsausschussnähren im Fall der Ex-Ministerin Schulze Föcking Zweifel an der Darstellung der NRW-Regierungszentrale.
In der „Hacker-Affäre“ rund um Ex-Umweltministerin Christina Schulze Föcking (CDU) haben Polizei und Staatsanwaltschaft in zentralen Punkten der bisherigen Darstellung der Landesregierung widersprochen. Die Opposition sieht damit den Verdacht erhärtet, dass die Staatskanzlei von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) im Frühjahr eine harmlose technische Panne aufgebauscht habe, um eine trudelnde Ministerin öffentlich als Opfer darzustellen.
Im Untersuchungsausschuss des Landtags wurden am Freitag Staatsschützer des Polizeipräsidiums Münster, IT-Fachleute der Kriminalpolizei Steinfurt sowie ein Staatsanwalt als Zeugen vernommen. Sie nährten allesamt erhebliche Zweifel am Umgang der Regierungszentrale mit dem angeblichen Hacker-Angriff auf Schulze Föcking.
Videosequenz auf Privatfernseher gespielt
Im Steinfurter Privathaus der damaligen Ministerin soll am Abend des 15. März aus unerklärlichen Gründen auf dem Fernseher die Sequenz einer Landtagsfragestunde abgespielt worden sein. Schulze Föcking war da bereits schwer angeschlagen, weil dem Schweinemast-Betrieb ihrer Familie Tierschutz-Verstöße vorgeworfen werden.
Schulze Föcking witterte einen digitalen Angriff und rief die Polizei. Die Beamten notierten spätabends den Verdacht der Ministerin, jemand könnte sich illegal in ihr WLAN-Netz eingeloggt haben. Bereits am nächsten Tag um 12.17 Uhr veröffentlichte Laschets Regierungssprecher Christian Wiermer unter Berufung auf „Ermittlungsbehörden“ eine Pressemitteilung. Darin ist die Rede von Versuchen, auf persönliche Daten der Ministerin zuzugreifen. „Mindestens teilweise waren die Versuche demnach auch erfolgreich“, formulierte Wiermer und verurteilte gleich „die offenkundig kriminellen Eingriffe in die Privatsphäre der Ministerin aufs Schärfste“. Peinlich: Wenige Tage später zeichnete sich ab, dass es bloß der harmlose Bedienfehler eines Familienmitglieds war. Die Öffentlichkeit erfuhr vom banalen Ausgang des Falls erst am 7. Mai.
NRW-Regierungssprecher Christian Wiermer . Foto: Matthias Graben Fachleute: Von Hacker-Angriff sprach zuerst die Familie
Offenkundig kriminelle Eingriffe? Kriminalhauptkommissar Alexander D., Staatsschutz-Beamter der Polizei Münster, war gleich am Morgen bei Schulze Föcking. Die Erklärung der Staatskanzlei scheint ihm ein Rätsel zu sein: „Nach unseren Ermittlungsergebnissen hätten wir das so unmöglich sagen können.“ Die Ministerin habe aber schon kurz nach der Begrüßung von geplanter Pressearbeit zu dem Vorfall gesprochen. Hauptkommissar Dirk G., ebenfalls Staatsschützer, wunderte sich ebenfalls über die Mitteilung der Staatskanzlei: „Das klingt nach einem Fakt. Von Fakten konnte aber noch keine Rede sein.“
Sebastian H., IT-Fachmann der Kripo Steinfurt, konnte keine erfolgreichen Versuche des Datenzugriffs diagnostizieren: „Aus meiner Sicht nicht.“ Sein IT-Kollege Johannes K. berichtete, dass das Wort „Hacker-Angriff“ überhaupt erst von Familie Schulze Föcking ins Gespräch gebracht worden sei.
Staatsanwaltschaft war gar nicht im Boot
Hatte die Staatskanzlei andere Quellen für ihre alarmierende Information der Öffentlichkeit? Das später befasste Landeskriminalamt traf erst gegen 13 Uhr bei Schulze Föcking ein, rund 45 Minuten nach der Pressemitteilung.
Die Staatsanwaltschaft Münster war als zunächst wichtigste Ermittlungsbehörde auch nicht im Boot. Staatsanwalt Michael W. machte deutlich, dass er erst nach Veröffentlichung der Staatskanzlei-Erklärung von den Fall erfahren und den Anfangsverdacht einer Straftat nicht mal geprüft hatte. Wie es zu so einer Kommunikation kommen könne? „Ich“, so der Staatsanwalt, „würde den Autor der Presseerklärung fragen.“