Berlin. . Verdun ist das Symbol für die europäische “Urkatastrophe“. Merkel und Macron wollen zum 100. Jahrestag des Kriegsende dort ein Zeichen setzen.

Der Horror beginnt am 21. Februar 1916. Im Wald von Warphémont in Nordostfrankreich schießt ein deutsches 38-cm-Schiffsgeschütz Langer Max eine Granate auf das 27 Kilometer entfernte Verdun ab. Danach eröffnen die 1220 deutschen Geschütze aller Kaliber gleichzeitig das Feuer auf die französischen Stellungen und auf das Hinterland. Neun Stunden dauert der Beschuss mit einer Heftigkeit, die in der militärischen Geschichte bis dahin ohne Beispiel war.

Viele Soldaten kommen von der Schulbank direkt an die Front

Deutsche Sturmtrupps mit aufgepflanzten Bajonetten und Stielhandgranaten preschen vor, um die gegnerischen Schützengräben zu besetzen. Viele junge Soldaten sind darunter, die sich von der Schulbank weg aus „vaterländischer Pflicht“ für den Fronteinsatz gemeldet hatten. Trotz des pausenlosen Artilleriebeschusses leisten die Franzosen zähen Widerstand. Das Schlachtfeld wird auf beiden Seiten als „Blutpumpe“, „Knochenmühle“ oder schlichtweg „die Hölle“ bezeichnet. In weniger als einem Jahr sterben 300.000 Soldaten, 400.000 werden verwundet. Die Hauptschlacht endet am 19. Dezember 2016, ohne dass sich der Frontverlauf wesentlich verschoben hätte.

Kein Ort ist derart zur Chiffre für die Grausamkeit des Ersten Weltkriegs geworden wie Verdun. Niemand hat die Gräuel dieses Kriegs so hautnah beschrieben wie der deutsche Schriftsteller Erich Maria Remarque in seinem Roman „Im Westen nichts Neues“. Eine ganze Klasse lässt sich von den patriotischen Reden eines Lehrers anstecken und zieht freiwillig in den Krieg. Doch in den nassen Schützengräben und im Trommelfeuer des Feindes verwandeln sich die Illusionen in Albträume.

15 Millionen Tote

Insgesamt fast neun Millionen Soldaten und mehr als sechs Millionen Zivilisten verloren in dem mehr als vier Jahre andauernden Krieg ihr Leben. Auslöser war die Ermordung des Thronfolgers von Österreich-Ungarn, Erzherzog Franz Ferdinand, am 28. Juni 1914 in Sarajevo. Deutschland, Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich standen sich auf der einen, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA auf der anderen Seite gegenüber. Der amerikanische Diplomat George F. Kennan sprach von der „Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts“. Am 11. November 1918 unterschrieben Deutschland und Frankreich in einem Eisenbahnwaggon in Compiègne bei Paris ein Waffenstillstandsabkommen.

Offiziell beendet wurde der Krieg aber erst mit der Unterzeichnung des Versailler Vertrags am 28. Juni 1919. Das Papier verpflichtete Deutschland zu Gebietsabtretungen und Reparationszahlungen. Die Weimarer Republik, die am 9. November 1918 ausgerufen wurde, stand von Beginn an auf schwachen Füßen. Vor allem Rechtsextremisten verbreiteten die „Dolchstoßlegende“, die der zivilen Führung die Schuld für die deutsche Niederlage zuschrieb.

Macron und Merkel wollen ein Friedenszeichen für Europa setzen

Der französische Präsident Emmanuel Macron warnt, dass es auch 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs Alarmzeichen der Radikalisierung gebe. Europa sei heute gespalten durch Ängste, die Rückkehr des Nationalismus und die Folgen der Wirtschaftskrise, sagte Macron unserer französischen Partnerzeitung „Ouest-France“. Er sei „betroffen von den Ähnlichkeiten zwischen der Zeit, in der wir leben, und der zwischen den beiden Weltkriegen“. Der Nationalismus sei „Lepra“ für Europa.

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Macron will dagegen ankämpfen. Am 10. November trifft er sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer Gedenkveranstaltung in Compiègne, dem Ort der Unterzeichnung des Waffenstillstands. Eine Geste, die unterstreichen soll, dass die Kriegsgegner von einst heute die treibenden Kräfte für ein friedliches und demokratisches Europa sind. Einen Tag später kommen in Paris rund 80 Staats- und Regierungschefs zusammen – neben Macron und Merkel auch US-Präsident Donald Trump und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin.

Der Chef des Élysée-Palasts weiß, dass Europa in Fragen der Rechtsstaatlichkeit in Ost und West gespalten ist und dass Nationalismus und Protektionismus weltweit auf dem Vormarsch sind. Er will den 100. Jahrestag der Beendigung des Ersten Weltkriegs zu einem Signal der multilateralen Kooperation machen. „Wir dürfen niemals Schlafwandler in unserer Welt sein, lasst uns immer wachsam sein“, begründete Macron den Pariser Gipfel.