Essen. An der Ruhr-Uni Bochum widmet sich eine neue Studie dem Thema Polizeigewalt. Einige Polizisten in NRW fühlen sich an den Pranger gestellt.

Ein Beitrag des WDR über eine neue Polizeigewalt-Studie an der Ruhr Universität Bochum (RUB) hat in Polizeikreisen in NRW am Mittwoch für Missmut gesorgt. Darin erklärt Forschungsleiter Tobias Singelnstein von der RUB, dass es eine "frappierende Besonderheit" sei, dass nur drei Prozent der Verfahren, in denen es um den Vorwurf der rechtswidrigen Polizeigewalt geht, auch zur Anklage gebracht werden. In "normalen Fällen" würden hingegen rund ein Viertel der Verfahren zur Anklage gebracht. Das Interview mit dem Forscher in der Sendung Lokalzeit Ruhr wurde von einigen Polizisten in NRW aber als Angriff wahrgenommen.

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"Viele Kollegen fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt", erklärt ein Beamter, der täglich in den Problemvierteln des Ruhrgebietes im Einsatz ist. Von den Polizisten werde bis in höchste Regierungskreise hinein ständig öffentlich verlangt, dass sie gegen Kriminelle "die ganze Härte des Gesetzes" anwenden und "null Toleranz zeigen" sollen. Wenn die Beamten dann aber einsatzbedingt mal gezwungen wären, ruppiger zu sein, dann sei der Aufschrei unverhältnismäßig, sagt der Polizist, und stellt klar: "Niemand hat etwas dagegen, dass das Thema Gewalt im Einsatz wissenschaftlich unter die Lupe genommen wird, aber viele Kollegen, die den Bericht im WDR gesehen haben, haben das Gefühl, dass die Polizei wie ein wilder Haufen dargestellt wird, der auf alles einprügelt, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Manch ein Kollege sprach sogar von einer gefühlten Kampagne gegen die Polizei"

"Von Kampagne kann keine Rede sein"

RUB-Forschungsleiter Tobias Singelnstein kann die Kritik nicht verstehen. Auf Anfrage unserer Redaktion erklärt er: "Die Polizei wendet jeden Tag hundertfach, vermutlich tausendfach in Einsatzsituationen Gewalt an, um Maßnahmen durchzusetzen. In den allermeisten Fällen ist dieser Einsatz von Gewalt als unmittelbarer Zwang von den bestehenden rechtlichen Befugnissen gedeckt. Es gibt aber eben auch immer wieder Fälle, wo dies nicht der Fall ist und die daher eine strafbare Körperverletzung im Amt darstellen. Da hierüber bislang wenig empirische Daten vorliegen, führen wir eine Opferbefragung durch, wie dies in vielen anderen Deliktsbereichen von der Kriminologie auch getan wird."

Bei der Studie gehe es in keiner Weise um eine Kampagne gegen die Polizei, stellt der Kriminologe klar. "Vielmehr gehe ich im Gegenteil davon aus, dass die Polizei als Institution selbst ein Interesse daran hat, in diesem Bereich Erkenntnisse zu erlangen, um entsprechende Verhaltensweisen so weit wie möglich reduzieren und eine entsprechende Fehlerkultur entwickeln zu können", so Singelnstein.

Worum es in der Studie geht

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Erstmals nehmen Forscher die Opferperspektive ein und ermitteln, welche Personen in welchen Situationen Opfer von Gewalt durch Polizeibeamte werden, wer warum Anzeige erstattet oder nicht und wie das Dunkelfeld aussieht. Das Forscherteam wird dafür Opfer rechtswidriger Polizeigewalt befragen, um systematisch Daten zu erheben. Ziel ist auch herauszufinden, ob zum Beispiel bestimmte Personengruppen ein höheres Risiko tragen, Opfer von Gewalt durch Polizeibeamte zu werden.