Hamburg/Essen. . In Hamburg war die Zustimmung der Bürger 2015 fast so hoch wie heute im Revier. Danach sank sie dramatisch. Was kann NRW daraus lernen?
Als sich kürzlich die WAZ-Umfrage in Deutschland verbreitete, dass 68 Prozent der Menschen im Ruhrgebiet Olympische Sommerspiele in ihrer Region begrüßten, entlockte die Nachricht in Hamburg Politikern, Unternehmern und Sportfunktionären ein mildes Lächeln.
Fast zweieinhalb Jahre ist es her, als sich im Februar 2015 bei einer repräsentativen Meinungsumfrage im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) 64 Prozent der Hamburger Spiele 2024 oder 2028 in ihrer Stadt wünschten, nur rund 30 Prozent waren damals dagegen. Das Weitere ist bekannt. Am 29. November des Jahres stimmten beim Olympiareferendum 51,6 Prozent für das Ende der Kampagne. Die Wahlbeteiligung lag bei 50,2 Prozent.
68 Prozent sind ein starkes Bekenntnis zu Olympia
Ähnliches war im November 2013 in München und Umgebung passiert. Die Bevölkerung lehnte die Bewerbung für die Winterspiele 2022 in allen vier dafür vorgesehenen bayerischen Gemeinden ab. Zwischen 52,1 Prozent in München und 59,76 Prozent im Landkreis Traunstein hatten gegen Olympia votiert. In München betrug die Wahlbeteiligung gerade mal 28,9 Prozent. In Umfragen hatten sich zuvor bis zu 65 Prozent für Winterspiele vor und in den Alpen ausgesprochen.
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Welchen zweifelhaften Wert Umfragen haben, zeigten im vergangenen Jahr die Wahlen in den USA und die Abstimmung über den Brexit in Großbritannien. Sie mögen zu bestimmten Zeitpunkten Stimmungsbilder zeichnen, verlässliche Vorausschauen für den späteren Urnengang können sie offenbar nur noch bedingt liefern.
Dennoch: 68 Prozent sind ein starkes Bekenntnis zu Olympia, gerade in Zeiten wie diesen, in denen es dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) nicht gelingt, sich seines zweifelhaften Rufes zu entledigen. Der Umgang des IOC mit dem russischen Staatsdoping, mit Korruption, aber auch, dass Rio de Janeiro heute unter den finanziellen Belastungen der Ausrichtung der Spiele 2016 ächzt, die Sportstätten zum Teil verkommen lässt, hätten weit weniger Zustimmung erwarten lassen.
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Die 68 Prozent dürften dann auch eher den Stolz der Region widerspiegeln, das eigene Zutrauen, ein weltweit beachtetes Großereignis organisieren zu können. Realistisch betrachtet sind nach der anstehenden Doppelvergabe für Paris und Los Angeles für die Jahre 2024 und 2028 Olympische Sommerspiele in Europa nicht vor 2036 möglich.
Die positive Olympiastimmung an Rhein und Ruhr über einen solch langen Zeitraum hochzuhalten, mindestens also über ein Jahrzehnt, erscheint als gewaltige Herausforderung. Wenn es aber eine Region in Deutschland schaffen kann, dann das Ruhrgebiet. Hier ist der Sport in der Gesellschaft seit Jahrzehnten tief verwurzelt, hat bei den Menschen einen hohen Stellenwert und genießt hohe politische Akzeptanz.
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In Hamburg, das sich aufgrund vieler hochkarätiger Großereignisse Sportstadt nennen darf, rund 80 Prozent der Einwohner treiben Sport, hielt die Olympiabegeisterung nicht einmal neun Monate. Dafür waren auch Fehler in der Kampagne verantwortlich, die nach der Entscheidung des DOSB im März 2015 für Hamburg und gegen Berlin gefühlt drei Monate Pause machte. Die Olympiaeuphorie sackte in dieser Zeit spürbar ab. Auch wurden später zur Rechtfertigung der hohen Ausgaben vornehmlich Vorteile der Stadtentwicklung gepriesen, dabei fast schamhaft verschwiegen, dass Olympia ein großes Fest sein kann, das Spitzensport, Spaß und Freude in die Stadt bringt.
Hinzu kamen in der entscheidenden Phase vor dem Referendum nicht steuerbare Ereignisse wie der Höhepunkt der Flüchtlingskrise, Finanzminister Schäubles Haushaltssorgen um die „schwarze Null“, Dopingskandale der Leichtathleten, Korruptionsskandale der Fifa, der Anfang vom Ende des WM-Sommermärchens 2006 und der Terroranschlag am 13. November in Paris.
Ausschlaggebend dürften auch die Angst vor Dauerbaustellen und ungeklärte Finanzfragen gewesen sein, die Befürchtung, am Ende werde doch alles wieder sehr viel teurer, siehe Elbphilharmonie.
Debatte um die Kosten
Das zwischen dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verabredete und dringend notwendige Signal der Bundesregierung, Motto: „Wir schaffen das!“, blieb aber aus, stattdessen wurde aus Berlin mit klammheimlicher Freude kolportiert, Hamburgs Vorstellung der Kostenverteilung sei Wunschdenken. Die Stadt wollte insgesamt 1,2 Milliarden Euro zahlen, der Bund sollte – gestreckt über sechs Jahre – 6,4 Milliarden übernehmen.
Heute ist von Olympia in Hamburg keine Rede mehr, dafür überstrahlt die Elbphilharmonie alles. Das sündhaft teure Konzerthaus ist der neue Stolz der Stadt, alle Skandale und Kostenexplosionen sind vergessen. Wäre über ihren Bau einst ein Referendum abgehalten worden, die Pläne wären wohl krachend gescheitert.
PS: Als sich Hamburg 2003 – schon damals vergeblich – um die Olympischen Sommerspiele 2012 bewarb, lag die Zustimmung laut Umfragen bei 90 Prozent.