Washington. Abrechnung aus dem hohen Norden: Die schillernde Ex-Kandidatin der Republikaner für die US-Vizepräsidentschaft Sarah Palin meldet sich mit provokanten Memoiren in die Politik zurück. Experten interpretieren, dass Palin Ambitionen zur Präsidentschaftswahl 2012 haben könnte.

Die Aufmerksamkeit der Wähler ist im politischen Wettstreit in den USA ein kostbares Gut. Nur Politiker, die als interessant wahrgenommen werden, haben bei der Wahl eine Chance. Sarah Palin, die schillernde Ex-Kandidatin der Republikaner für die Vizepräsidentschaft, beherrscht die Kunst, Menschen auf sich aufmerksam zu machen. Mit ihren provokanten Memoiren, die ab Dienstag im US-Buchhandel zu haben sind, maximiert Palin die Aufmerksamkeit für ihre Person, sie entfacht Streit und nährt Spekulationen über ihre Ambitionen bei der Präsidentschaftswahl 2012.

Zweierlei Erwartungen haben das Buch bereits vor Erscheinen zum Mega-Bestseller werden lassen: Zum einen die Hoffnung auf pikante Enthüllungen aus der schiefgelaufenen Wahlkampagne des republikanischen Kandidaten John McCain. Zum anderen die Neugier auf Details zur Weltanschauung der früheren Gouverneurin des Nordstaats Alaska, die bislang mit Kostproben ihrer politischen Weitsicht eher gegeizt hat. Insbesondere beim ersten Punkt enttäuscht Palin die Erwartungen nicht: Das Buch ist eine Abrechnung mit dem Wahlkampfteam von John McCain.

"Düstere" Stimmung

Palin beschreibt die Stimmung im Wahlkampfstab als «düster». Sofort nach ihrer Nominierung sei ihr ein Maulkorb auferlegt worden. Wenn sie Obama schärfer angreifen wollte, «wurde mir gesagt, ich soll die Klappe halten», schreibt Palin laut Buchauszügen, die vorab von US-Medien veröffentlicht wurden. Auf Wahlkampfreisen sei sie vor begleitenden Reportern abgeschirmt worden. «Die Strategie des Hauptquartiers war, dass ich nicht zu den Journalisten nach hinten ins Flugzeug gehen darf und mit ihnen rede.» Immer wenn sie es versucht habe, sei der Befehl gekommen: «Haltet sie auf, wenn sie es versucht!"

Glaubt man McCains Beratern, gab es dafür einen Grund: Sie hätten schnell festgestellt, dass Palin grundlegende Kenntnisse in wichtigen innen- und außenpolitischen Fragen fehlten. Zwei TV-Interviews waren desaströs verlaufen, Palins Wissenslücken klafften gefährlich tief, ihre Umfragewerte stürzten ab. Palin gibt in ihrem Buch zu, dass die TV-Auftritte nicht gut gelaufen seien. Die Schuld schiebt sie aber McCains Medienberatern zu, die sie schlecht vorbereitet hätten.

Diät mit Proteinriegeln

Palins besonderer Zorn gilt McCains Wahlkampfchef Steve Schmidt. Dieser habe sie auf eine spezielle Diät mit Proteinriegeln setzen wollen, um ihre Konzentrationsfähigkeit zu erhöhen. Und er habe innerhalb des Teams das Gerücht verbreitet, das sie wenige Monate nach Geburt ihres letzten Kindes an postnatalen Depressionen leide.

Streit und böses Blut zählen zu den ständigen Begleiterscheinungen des Phänomens Palin. Wahlkampfchef Schmidt wehrte sich im Internet-Journal «Politico": «Das ist alles Fiktion. « McCains Ex-Berater John Weaver kritisierte: «Ein solches Begleichen alter Rechnungen ist kleinkariert und albern.»

Die Faszination vieler Wähler mit Palin hält freilich an. Die 1,5 Millionen Exemplare der Erstauflage sind bereits vor Verkaufsbeginn durch Vorbestellungen restlos vergriffen. Palin beginnt in dieser Woche eine Lese-Tournee durch die USA - im Bus, genauso wie bei einer Wahlkampfreise.

Ambitionen für Präsidentschaftswahl 2012

Experten sehen das als Hinweis auf weitere Ambitionen etwa mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2012. «Sie versucht, die Stimme der Republikanischen Partei zu werden», sagt der Politikwissenschaftler Julian Zelizer von der Universität Princeton. Der Experte Stephen Hess vom Washingtoner Brookings-Institut sagt voraus: «Mit Palin wird bei den Republikanern zu rechnen sein.»

Palin definiert sich in ihrem Buch nur vage als «Konservative mit gesundem Menschenverstand». Sie stellt ihre Erfahrungen als «ganz normale Amerikanerin» heraus, die «frischen Wind nach Washington bringen» könne. Zu Palins Alltagsbekenntnissen zählen Passagen wie diese: «Ich liebe Fleisch. Ich mag Schweinshaxe, dicke Burger mit Speck, den Fettrand eines blutigen Steaks. Vor allem mag ich Elch und Karibu.» (afp)