Berlin. Sie lässt ihre Türen weit offen und hofft, das verlorene Schäfchen zurück kommen: Hannelore Kraft will ehemalige Parteimitglieder aus der Linken zurück holen. Zurück an die Macht will die neue SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, mit zwei Zweijahresetappen samt schärferem sozialem Profil.

Nach der selbstkritischen Bestandsaufnahme ihrer Regierungspolitik und Besinnung auf alte sozialdemokratische Grundsätze will die SPD an die Linkspartei verlorene Mitglieder und Wähler zurückgewinnen. «Ich mache die Tür weit auf für die bei der Linkspartei, die zurückkommen wollen», sagte die auf dem Parteitag in Dresden neu gewählte stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft der «Berliner Zeitung». «Ich glaube, wir können jetzt wieder ein gutes Angebot für viele SPD-Abwanderer und Gewerkschafter sein. Die sind bei uns gut aufgehoben.»

Kraft, die Spitzenkandidatin der SPD in Nordrhein-Westfalen für die Landtagswahl im kommenden Frühjahr ist, bezeichnete die Linkspartei dort als nicht koalitionsfähig. Ihr Wahlprogramm zeige, dass sie weder regieren wolle noch könne. Die SPD strebe an, bei der Wahl wie früher in NRW stärkste Partei zu werden. Mit der neuen programmatischen Klarheit und dem Rückenwind des Parteitages könne ihr das gelingen.

Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, nannte das Werben der SPD um Mitglieder seiner Partei zwar legitim. Doch gelte weiterhin: «Linke haben ihren Platz in der Linken.» Er nannte den Kurswechsel der SPD unglaubwürdig. «Die SPD hat schon viel beschlossen, beweisen muss sie ihre neue Politik in der Praxis», sagte er der Zeitung.

Zurück zum Erfolg

Wie sie die Macht im Bund zurückerobern will, erklärt die neue SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles: «in zwei Zweijahresetappen» nämlich. Der «Passauer Neuen Presse» sagte sie: «In der ersten Etappe steht die Neuaufstellung und die Stärkung der Organisation im Zentrum. Dann werden wir die Bundestagswahl 2013 in Angriff nehmen.» Inhaltlich fordert Nahles ein schärferes soziales Profil: «Abstiegsängste und Altersarmut sind verbreitet. Die haben wir in den letzten Jahren nicht ernst genug genommen. Das war falsch.»

Ihre Aufgabe als SPD-Generalsekretärin sieht Nahles in der strategischen Ausrichtung der Partei. «Wir müssen unsere Fühler wieder in die gesellschaftlichen Organisationen ausstrecken. Das gilt für Nichtregierungsorganisationen genauso wie für Kirchen." Es gebe große Brachen und Regionen, in denen die SPD nicht mehr vertreten ist. Das müsse sich ändern.

Organisiertes Teamspiel

Zugleich möchte Nahles das Teamspiel zwischen Ländern, Kommunen, Bund und Bundestagsfraktion organisieren. Parteichef Gabriel werde sich stärker um den Politikentwurf der Sozialdemokraten kümmern. Es gehe um eine sozialdemokratische Wirtschaftskonzeption, die Ökologie und soziale Gerechtigkeit verbinde.

Nahles kündigte auch einen veränderten Umgangsstil in der Partei an. Der «Frankfurter Rundschau» (Montagausgabe) sagte sie: «Die SPD-Führung darf die Partei nicht mehr vereinnahmen für Beschlüsse, die in einem kleinen Zirkel gefallen sind.» Zusammen mit dem neugewählten Parteichef Sigmar Gabriel wolle sie «im Dialog überzeugen».

Dem Debakel auf den Grund gehen

Darüber hinaus kündigte Nahles eine gründliche Ursachenforschung des Debakels der SPD bei der Bundestagswahl an. Der Parteitag in Dresden sei erst der Auftakt gewesen. «Es wäre dumm, jetzt überhastet zur Tagesordnung zurückzukehren. Wenn wir die SPD neu aufrichten wollen, muss das Fundament tragfähig sein», sagte Nahles.

Dabei schloss sie auch Korrekturen an der bisherigen Politik, etwa bei der Rente mit 67, nicht aus. «Ich glaube, dass wir bei der Rente nachjustieren müssen.» Die Debatte über die «Agenda 2010» sollte die Partei aber endlich hinter sich lassen.

Zeit der Versöhnung

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und ehemalige SPD-Chef Kurt Beck erwartet nach der Wahl von Sigmar Gabriel zum neuen Vorsitzenden eine Ende der Querelen in der Parteispitze der Sozialdemokraten. «Die vielen Wechsel an der Parteispitze haben der SPD nicht gut getan. Damit muss jetzt Schluss sein», sagte Beck der «Bild»-Zeitung. Gabriels Wahl zeige, «dass die Zeit vorbei ist, wo die führenden Personen in der SPD manchmal gegeneinander gearbeitet haben. Ein Zeichen der Versöhnung der SPD-Führung - und der ganzen Partei.»

Auf die Frage, ob er sich durch den Kursschwenk der SPD in seinen Ansichten bestätigt fühle, antwortete Beck: «Ein sicheres Ja!» Beck war selbst zweieinhalb Jahre SPD-Chef, trat aber nach parteiinternen Querelen im September 2008 zurück. Unter anderem hatte der rechte SPD-Flügel Beck nicht verziehen, dass er von den Hartz-Reformen abwich und nach der Hessenwahl vom Januar 2008 grünes Licht für eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei in den westlichen Bundesländern gab. (ddp/ap)