Aachen. Trotz aller Sicherheitsbedenken unternimmt die Bundesregierung nichts gegen die Lieferung von Brennelementen aus Deutschland nach Tihange.
Trotz aller Bedenken an der Sicherheit des belgischen Atomkraftwerks Tihange 2 sind aus Deutschland neue Brennelemente an den Reaktor in der Nähe von Aachen geliefert worden. Insgesamt 50 Transporte für die belgischen Atomkraftwerke Doel und Tihange sind von der Bundesregierung gebilligt worden, wie aus einer Liste des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit hervorgeht.
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17 Transporte haben bereits stattgefunden. Eine verhältnismäßig große Lieferung mit 68 Brennelementen sollte an Tihange 2 gehen. NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) warf der Bundesregierung vor, sie werde mit ihrer Kritik an dem Atomkraftwerk unglaubwürdig. Der WDR hatte zuerst über die Brennelemente-Lieferungen berichtet.
Remmel kritisiert Bundesregierung
"Wortreich wird die Forderung nach Abschaltung der belgischen Bröckelreaktoren unterstützt, aber gleichzeitig genehmigt sie Atomlieferungen, ausgerechnet zu dem umstrittenen belgischen Reaktor Tihange 2", kritisierte Remmel. Es gebe gut begründete Rechtsauffassungen, wonach die Lieferung von Brennelementen ins Ausland sehr wohl verboten werden könne, wenn die Sicherheit der Anlagen nicht ausreichend nachgewiesen sei.
Das Umweltministerium in Berlin kommt unter Verweis auf gesetzliche Bestimmungen zu einem anderen Schluss: "Es kommt vor, dass die Rechtslage nicht alles zulässt, was man politisch für wünschenswert und richtig hält", sagte eine Sprecherin. Die Ausfuhr dürfe nur untersagt werden, "wenn sie gegen unsere internationalen Verpflichtungen verstieße oder die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden würde".
Betriebspause für Doel 3 und Tihange 2 gefordert – vergeblich
Wegen Tausender kleiner Risse in den Reaktorblöcken und offener Sicherheitsfragen hatte die Bundesregierung vor einem Jahr vergeblich eine Betriebspause für Doel 3 bei Antwerpen und Tihange 2 gefordert. Deutsche Fachleute konnten nicht mit Sicherheit sagen, ob die Meiler im Störfall sicher wären.
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Die Städteregion Aachen und andere Gemeinden aus dem Grenzgebiet klagen in Belgien gegen den Betrieb von Tihange 2. Unabhängig von der Debatte um die Brennelemente-Lieferungen beschloss die NRW-Landesregierung am Dienstag, dieser Klage beizutreten. "Die Bevölkerung ist zu Recht beunruhigt, denn im Falle eines Reaktorunglücks können weite und dicht besiedelte Teile Nordrhein-Westfalens verstrahlt werden", erklärte NRW-Umweltminister Johannes Remmel. Die Landesregierung lasse nichts unversucht, um den Betrieb des Reaktors in der Nähe der Landesgrenze zu beenden.
Forderung: Lieferungen einstellen
Atomkraftgegner betonten, durch die Brennelemente-Lieferungen sei die Sicherheit Deutschlands gefährdet. Ein Lieferverbot der Bundesregierung wäre auch aus ihrer Sicht durch das Atomgesetz gedeckt. Die Bundesregierung leiste durch ihre Billigung Beihilfe zum AKW-Betrieb.
Auch Landes- und Bundespolitiker von Grünen und Linken verlangten, die Lieferungen einzustellen. "Ich fordere Barbara Hendricks und Bundeskanzlerin Merkel dazu auf, einen Exportstopp für Brennelemente nach Tihange und Doel zu verhängen", unterstrich die Vorsitzende der NRW-Grünen, Mona Neubaur, in einer Mitteilung. Es sei ein Skandal, dass keine 70 Kilometer Luftlinie von NRW entfernt der "Bröckelreaktor" Tihange weiterlaufen könne - "und das unter tätiger Mithilfe von Bundesumweltministerin Hendricks". (dpa)