Essen. Seit einem Jahr lebt Omid aus Afghanistan in Essen. Er hat ein starkes Rechtsempfinden, kann das Misstrauen der Deutschen aber gut verstehen.

  • Flüchtling Omid ist von Afghanistan nach Deutschland geflohen
  • Er hat Ausgrenzung und Vorurteile in seiner Schulklasse am eigenen Leib erfahren
  • Gerne würde er Polizist werden, denn Gesetze und deren Einhaltung sind ihm wichtig

Ein Stück vom Kuchen abgeben – aber nicht zu viel. Das ist die vorherrschende Mentalität vieler Deutscher, die anfängliche Willkommenskultur ist großer Skepsis und Ablehnung gewichen. Hunderttausende Menschen sind notgedrungen aus vom Krieg zerstörten Ländern gekommen. Sie sind geflohen in eine unsichere Zukunft. Und nach einer Zeit großer Angst um das eigene Leben wollen sie Teil einer Gesellschaft werden, die sich vor ihnen fürchtet. So auch der heute 18-jährige Omid aus Afghanistan, der im November 2015 nach einer langen Flucht in Essen gelandet ist. Ohne seine Mutter, die im Iran geblieben ist und ohne seinen Vater, der vor einigen Jahren gestorben ist.

Einreise ohne Ausweispapiere wird kritisch beäugt

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Seine Zukunft ist 14 Monate nach seiner Ankunft noch immer ungewiss, er hangelt sich von einer temporären Aufenthaltsgenehmigung zur nächsten. Diese Bescheinigung ist das einzige Ausweisdokument, das er hat. Als Sohn afghanischer Eltern wurde er im Iran geboren, weshalb ihm nach dort geltendem Recht kein Pass zustand – in Afghanistan nach der Rückkehr der Familie aber ebenso wenig. Dass Flüchtlinge ohne gültige Papiere Asyl in Deutschland beantragen können, befeuert die Flüchtlingsdebatte in Deutschland.

An Fällen wie diesem offenbart sich aber, dass es aus humanitären Gründen schwierig ist, Flüchtlinge ohne Papiere abzulehnen: Denn der fehlende Ausweis ist eben kein Indiz, dass jemand mit zweifelhaften Absichten einreisen will. Omid konnte aus sehr nachvollziehbaren Gründen nicht in Afghanistan bleiben. „Wenn ich geblieben wäre, hätte ich mich den Taliban anschließen müssen oder sie hätten mich umgebracht." Da war eine vom Schleuser organisierte Flucht vom Iran über die Türkei und Griechenland für mehrere tausend Dollar die einzige Perspektive. Doch der Geflüchtete kann das Misstrauen verstehen. „Die Deutschen haben recht mit ihrer Angst“, sagt der junge Afghane mit Blick auf die Geschehnisse in Köln und Berlin.

Er hat Diskriminierung an der eigenen Person erfahren

Auch er hat die aufgeheizte Stimmung bereits zu spüren bekommen. In seiner Schulklasse hatte ein Mitschüler zunächst „Danke Merkel“ für alle sichtbar auf die Tafel geschrieben und sogleich „Flüchtlinge raus!“ ergänzt. Und der Autor hat sein Ziel nicht verfehlt, denn er hat Omid mit seiner Fremdenfeindlichkeit getroffen. Emotional aufgewühlt wandte der sich daraufhin an seine Mitschüler: „Ich sage ehrlich, dass du recht hast […], aber du verstehst uns leider nicht“, antwortete Omid für die Klassenkameraden sichtbar in einem Chat. „Wie wir nach Deutschland gekommen sind, wie schwer der Weg war, […] aber es gibt bestimmt Gründe, dass die Flüchtlinge gekommen sind!“

Doch Vorurteile lassen sich nicht so einfach wegwischen. Omid betont, dass er nicht bei seiner Familie bleiben konnte und sie verlassen musste. Seine Mutter hat einen Mann im Iran geheiratet und damit ein Bleiberecht für sich selbst erwirkt, nicht jedoch für ihren Sohn. Traurig kommentierte Omid: „Ich hoffe, dass ihr immer und immer bei euren Eltern bleiben könnt und niemals von denen weg gehen müsst“.

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Gerne würde Omid Polizist werden, um „den Menschen zu helfen“, wie er sagt. Aber seine guten Absichten kann er ohne Aufenthaltserlaubnis nicht unter Beweis stellen. Denn der Vorwurf, geflüchtete Menschen hätten ein anderes Rechtsempfinden und mit westlichen Kulturen unvereinbare Werte, schwebt permanent wie ein Damoklesschwert über jeder Debatte. Begeht ein Flüchtling eine Straftat, stehen gleich alle unter Generalverdacht. Dabei ist die Sippenhaft in Deutschland ebenso unrechtmäßig. „Gesetze sind für mich wichtig“, sagt Omid. „Wir haben kein Gesetz in Afghanistan. Deutschland hat viele Gesetze und fast alle akzeptieren diese Gesetze“.

Wert der Frau ist höher als viele Deutsche denken

Die massenhaften Übergriffe in der Kölner Silvesternacht lassen sich für Omid nicht mit dem Glauben vereinbaren. „Die Frauen sind heilig“, erklärt der junge Flüchtling. Er hebt die Bedeutung der Frauen bildhaft hervor: „Der Himmel ist unter den Frauen. Und Männer müssen Respekt haben. Die Mutter ist heilig für Moslems“. Er habe den Respekt zu Hause gelernt. „Es gibt Leute, die schlimme Sachen machen, aber man kann nicht entscheiden, dass alle Flüchtlinge schlecht sind“, gibt er zu bedenken.

Und auch eine Weigerung sich zu integrieren, kann man Omid nicht unterstellen. Er hat im vergangenen Dezember das erste Mal Weihnachten gefeiert, ein christliches Fest – mit einer deutschen Familie. Aber die Ungewissheit über seine Zukunft nagt an ihm. Wann über seinen Verbleib in Deutschland entschieden wird, weiß der junge Mann nicht. Die Zeit will er zumindest nutzen: Nach seinem Schulabschluss im Sommer macht er ein Praktikum als Informationstechniker.