Düsseldorf. Vier Monate vor der Landtagswahl scheint das Rennen völlig offen. Eine Große Koalition aus SPD und CDU ist aktuell am wahrscheinlichsten.
Vier Monate vor der Landtagswahl scheint alles offen. SPD und CDU liegen mit je 32 Prozent Kopf an Kopf, ein Sechs-Parteien-Parlament könnte Wirklichkeit werden. Die AfD, die für die anderen Parteien als Koalitionspartner nicht in Frage kommt, zieht möglicherweise zweistellig in den Landtag ein. Spekulationen über Regierungsbündnisse haben Hochkonjunktur. Ein Überblick.
Rot-Grün
Wahrscheinlichkeit: niedrig
Seit mehr als zwei Jahren gibt es keine Umfrage mehr, die eine Fortsetzung der aktuellen Regierungskonstellation nach dem 14. Mai 2017 voraussagt. Eine Wiederholung des Wahlergebnisses von 2012 ist unwahrscheinlich. Die Grünen mobilisierten damals ihr Stammklientel von gut elf Prozent. SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft, damals als kanzlertaugliche Hoffnungsträgerin gefeiert, schickte den extrem unglücklich agierenden CDU-Kandidaten Norbert Röttgen in ein historisches 26-Prozent-Tief und holte selbst fast 40 Prozent. Krafts Sympathiewerte sind immer noch solide, aber ihr „nie, nie“ zu einer Kanzlerkandidatur und ihre mäßige Präsenz in großen Streitfragen haben sie auf Normalmaß geschrumpft. Die schwache NRW-Bilanz bei Innerer Sicherheit, Bildung und Wirtschaft setzt Rot-Grün überdies zu. Zuletzt war die SPD koalitionsintern um Abgrenzung bemüht, etwa beim „Bündnis für Infrastruktur“ („durchgrünte Gesellschaft“), Turbo-Abitur oder Sammel-Abschiebungen nach Afghanistan.
Rot-Rot-Grün
Wahrscheinlichkeit: mittel
Wenn die Linkspartei den Wiedereinzug in den Landtag schafft, wird die Kombination mit SPD und Grünen bei SPD-Linksauslegern sicher wieder zum Thema. Ministerpräsidentin Kraft hält die Linke für „weder regierungswillig noch -fähig“ und weiß um das gefährliche Verhetzungspotenzial einer Linksblock-Debatte für sie persönlich. Kraft will sich eigentlich als Landesmutter für die malochende Mitte profilieren – das passt im Industrieland NRW nicht zu den 30-Stunden-Woche-Plänen und Enteignungsfantasien der Linken. Ausgeschlossen hat Kraft Rot-Rot-Grün aber nicht. Am Ende wird es im Koalitionspoker auch um ein Signal Richtung Bundestagswahl gehen.
Ampel
Wahrscheinlichkeit: niedrig SPD und Grüne könnten mit der Fortsetzung ihrer Koalition als Dreierkonstellation mit der FDP gut leben. Doch Liberalen-Chef Christian Lindner hat die Ampel klipp und klar ausgeschlossen. Die FDP macht seit Jahren knallharte Oppositionsarbeit gegen die aus ihrer Sicht Überregulierungs- und Ausgabenpolitik der Regierung Kraft und will im September zurück in den Bundestag. Als Reserverad für Rot-Grün in NRW wäre das mühsam zurückgewonnene Vertrauen wirtschaftsliberaler Wähler schnell wieder erschüttert.
Große Koalition
Wahrscheinlichkeit: hoch
Die Große Koalition ist das rechnerisch wahrscheinlichste nächste Regierungsbündnis. Noch ist jedoch nicht ausgemacht, wer die Nase vorn hat und den Regierungschef stellen könnte. Gerade in der Landespolitik, die stark über den Ministerpräsidenten wahrgenommen wird, ist die GroKo nur für den stärkeren Partner attraktiv. Die NRW-CDU hat in Umfragen das 26-Prozent-Tal durchschritten, ist gemessen an der berüchtigten Streitkultur der Christdemokraten an Rhein und Ruhr geschlossen und profitiert durch den günstigeren Bundestrend. Spitzenkandidat Armin Laschet ist zwar medial sehr präsent, aber durch seine Treue zu Kanzlerin Angela Merkel und seine liberale Grundhaltung in konservativen Hochburgen im Sauerland und Münsterland eher umstritten. Kraft muss sich erst einmal vom traurigen 20-Prozent-Bundestrend der abkoppeln. Sie setzt darauf, dass sie gegenüber Laschet durch größere Bekanntheit und ihre Bürgernähe punkten kann.
Jamaika
Wahrscheinlichkeit: mittel CDU-Chef Laschet hat sich grundsätzlich offen gezeigt für ein Bündnis mit FDP und Grünen. Wenn es die einzige Möglichkeit sein sollte, eine Große Koalition zu verhindern, wären gewiss auch die Grünen nicht abgeneigt. Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann drohte andernfalls der Ruhestand. Anders als die Ampel hat auch die FDP „Jamaika“ bislang nicht ausgeschlossen. Problematisch dürfte die Suche nach inhaltlichen Schnittmengen werden: CDU und FDP haben ihre Parteitage in den vergangenen Jahren vor allem dann in Wallung bringen können, wenn sie gegen die Grünen als Industriefeinde und Wachstumsblockierer zu Felde zogen.