Essen. Die Piratenpartei besetzt eine politische Randzone: das Internet. „Das haben die etablierten Parteien bislang vernachlässigt“, bestätigt der Duisburger Politikwissenschaftler Jan Treibel. Er sieht für die Newcomer Chancen, den Sprung zur Massenpartei zu schaffen - nach dem Vorbild der Grünen.
„Die etablierten Parteien haben das Thema Internet bis jetzt nicht ausreichend besetzt“, sagt Jan Treibel vom Institut für Politikwissenschaft der Uni Duisburg-Essen. Nur ums Surfen geht es schon lange nicht mehr – das Internet wird von Usern für vieles mehr genutzt: Vom Chat über Recherche bis zur Partnersuche.
Da scheint es nur logisch, dass Wähler von der Politik eine intensivere Auseinandersetzung mit Themen wie Datenschutz, Zensur oder Urheberrecht im Web fordern. Das biete ihnen die Piratenpartei - im Gegensatz zu CDU oder SPD.
Die Grünen haben auch klein angefangen
Noch stellen die Piraten eine Interessenpartei dar, die eine bestimmte Klientel bedient. Doch das könne sich in Zukunft ändern, meint der Politik-Experte. Für ihn stelle sich nun die entscheidende Frage: „Greifen die Parteien das Thema jetzt intensiver auf?“ Wenn es SPD, CDU, Grüne oder FDP nicht gelinge, sich zu positionieren, habe die Piratenpartei langfristig eine Chance, sich in der Parteienlandschaft zu festigen, prognostiziert Treibel.
Und zieht den Vergleich zu den Grünen: „Die Piraten machen eine ähnliche Entwicklung durch.“ Damals haben sich die Grünen intensiv mit Umweltschutz befasst - in dieser Form war das neu. „Das wurde damals von den anderen Parteien ignoriert." Heute sind sie thematisch breit aufgestellt und aus der Politik nicht mehr wegzudenken.
Die Piraten fordern in ihrem Regierungsprogramm ein Ministerium für Internetangelegenheiten und einen Netzminister. „Solch klare Positionierung kann durchaus sinnvoll sein“, findet der Politikwissenschaftler. „Sie besetzen damit ein eigenes Politikfeld und bedienen damit gezielt eine bestimmte Klientel.“ Das haben die großen Parteien bisher verpasst. Vor allem die CDU vernachlässige das Thema Internet. "Sie haben eine ältere Stammwählerschaft und setzen ohnehin stärker auf innere Sicherheit und Überwachung von Daten."
Hochburgen in großen Städten
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Interessant werde es für die weitere Entwicklung der Partei, wenn die Wahlergebnisse aus den einzelnen Kommunen feststehen: „Dann lässt sich erkennen, wo die Hochburgen der Partei liegen, in welchen Regionen sie viele Stimmen bekommen.“
Das seien vor allem große Städte, in denen viele junge Leute oder Studierende leben, glaubt Treibel. NRW könnte beispielsweise zum Flaggschiff werden, das ländliche Mecklenburg-Vorpommern zum Seenotfall. Dort könnten die Piraten aber dann auf kommunaler Ebene gezielter arbeiten.
Dass junge Menschen von den Volksparteien eine klare Positionierung in Richtung Internet erwarten, konnten die Politikwissenschaftler bereits in der Praxis beobachten. "Als Franz Müntefering bei bei einer Veranstaltung in unserer Uni zu Gast war, haben die Studierenden ihn mit sehr vielen Fragen zu Online-Themen gelöchert."