Berlin. "Der Online-Wahlkampf ist so bedeutsam wie nie zuvor." Das glaubt zumindest CDU-Bundesgeschäftsführere Klaus Schüler. Eine Überzeugung, die er mit der politischen Konkurrenz teilt. Die Kandidaten und ihre Stäbe twittern, posten und bloggen was das Zeug hält.

Die Herren Steinmeier, Steinbrück und Müntefering waren aus dem Häuschen: Super habe sich Angela Merkel im TV-Duell geschlagen. Die Kanzlerin-Fans sind nicht die SPD-Obersten, sondern nachnamensgleiche CDU-Mitglieder, deren Aussagen nun auf einem Video im Internet sind. Willkommen auf CDU.TV, willkommen im Internetwahlkampf.

Das Internet ist Neuland für die Parteien

„Der Online-Wahlkampf 2009 ist politisch so bedeutsam wie nie zuvor“, sagt CDU-Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler dieser Zeitung. Mit mehr als einer Million Videoabrufen auf dem Internet-Kanal CDU.TV rechnet Schüler bis zum 27. September. Auch SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel attestiert dem Netz einen „großen Stellenwert“ in der Kampagne der Partei. In Zahlen: Mehr als 40000-mal wurden bislang die Video-Chats mit Frank-Walter Steinmeier aufgerufen, die in der Wahlkampfarena auf myvideo.de stehen. Hier sind Parteien zur Bundestagswahl mit Videos vertreten.

Ihrem Online-Treiben zum Trotz betreten die Parteien Neuland: „Wir wissen wenig über die Wahlkampfeffekte im Internet“, sagt der Giessener Medienwissenschaftler Christoph Bieber. Es gebe keine Gebrauchsanweisung für eine erfolgreiche Taktik. „Die Parteien müssen ins kalte Wasser springen.“

Merkel kämpf auf Facebook

Sie springen. Die Kandidaten twittern, chatten, stellen Kurzmitteilungen samt Videos online und entblättern sich in sozialen Netzwerken. Kanzlerin Merkel lässt via Facebook wissen, dass sie im Garten werkelt, Herausforderer Steinmeier kickt. Linken-Chef Lafontaine gibt kund, dass er der Chef der Linken ist.

„Wer will, dass sich was ändert, muss Grün stärken“, mit dieser Botschaft wollen die Grünen in den Endspurt – mit der 3-Tage-wach-Aktion. Rund um die Uhr will die Partei in den letzten 72 Stunden vor der Wahl Fragen der Bürger beantworten. Seit Wochen drehen die Spitzenkandidaten Renate Künast und Jürgen Trittin Videos für die Grünen-Homepage.

Die virtuelle Mitmacharena der FDP

FDP-Chef Guido Westerwelle lässt den Wähler auf westerwelle-tour.de in seinem Reisetagebuch stöbern. Live-Wahlkampfübertragungen im Internet sowie die virtuelle Mitmacharena bieten die Liberalen zudem an. Ab diesem Sonntag will die FDP verstärkt Werbebanner auf verschiedenen Internet-Seiten schalten und am Samstag vor der Wahl ein Video auf der Startseite von Youtube platzieren.

"Wer zahlt die Zeche? Geht zur Wahl, wählt die Linke" – um diese Schlussbotschaft auf sozialen Netzwerken oder Youtube geht es der Linken. Der Chef der Online-Kampagne, Marc Seibert, hält den Internetwahlkampf für ebenso wichtig wie den klassischen Marktplatzauftritt. Anders sieht es beim Microblogging-Dienst Twitter aus: "Twitter wird nach der Wahl kaum einer mehr nutzen", sagt Seibert.

Endspurt im Netz

Die CDU will in den letzten 72 Stunden die Bannerwerbung verstärken und vor allem ihre nunmehr 110000 Unterstützer in sozialen Netzwerken zur Wahlwerbung mobilisieren. „Bei nur zehn Kontakten pro Nutzer sind das schon eine Million Wähleransprachen“, rechnet Wahlkampfmanager Schüler vor. Sei es nun via CDU-TV auf Youtube, über Angela Merkels Profilseite, oder die Seite „team Deutschland“ – die Schlussbotschaften sind dieselben: „Wir stehen für Wirtschaftskompetenz und soziale Verantwortung. Wir stehen für stabile politische Verhältnisse statt unsicherer politischer Experimente“, sagt Schüler.

Die SPD wirbt auf Facebook, Youtube, auf ihrer und Steinmeiers Seite. Dieser schreibt Kurzmitteilungen. So erfährt der Besucher, wer aus SPD-Sicht im TV-Duell einen „klaren Sieg“ eingefahren hat. Wahlkampfmanager Wasserhövel redet im dem Audio-Blog „Scharf gestellt“ täglich „Klartext“. In den letzten Tagen vor der Wahl wollen die Sozialdemokraten den Internet-Wahlkampf massiv verstärken. Große Freude dürfte Steinmeier derzeit an der Wahlkampfarena auf myvideo haben. Ginge es nach den Myvideo-Nutzern, käme die SPD auf 28 Prozent und die CDU auf 15 Prozent.